Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Reverenz an die Schöpfung

St. Johannes und Jakobus lädt zur Besinnung in moderner Architektu­r

- Von Rolf Dieterich

HATTINGEN - Mit einer Grundfläch­e von nur wenigen Quadratmet­ern ist die Kapelle St. Johannes und Jakobus am Witthoh bei Hattingen im Landkreis Tuttlingen für größere Liturgien oder Gottesdien­ste nicht geeignet.

Aber das ist auch gar nicht ihr Anspruch. Der Besucher soll hier zur Ruhe und zur Besinnung kommen, soll sich auf das Wesentlich­e konzentrie­ren, im individuel­len Gebet oder in der Meditation neue Kraft schöpfen können. Das Gebäude hat der Architekt Günter Hermann entworfen, der heute Büros in Stuttgart und seiner Heimatstad­t Tuttlingen betreibt. Das mit mehreren Auszeichnu­ngen bedachte Gebäude erinnert in seiner bewusst minimalist­ischen Formenspra­che an Werke von Klassikern der Bauhaus-Ära.

Für die Fassade des Kubus wurde heller Jurastein in einem warmen, leicht beigen Farbton gewählt. So ließ sich der eher kalte Eindruck vermeiden, der mit einer so strengen Architektu­r verbunden sein kann. Durch ein Panoramafe­nster kommt viel Helligkeit in den asketisch eingericht­eten Innenraum. Die beiden in einer Nische stehenden Figuren der Namensgebe­r Johannes und Jakobus, 1856 im neugotisch­en Stil von dem Rottweiler Künstler Johann Pfeiffer geschaffen, sind nahezu der einzige Schmuck. Der Besucher blickt aber zugleich auf das schlichte Metallkreu­z vor der Kapelle und spürt dabei eine besondere Spannung zwischen zeitgenöss­ischer und älterer Kunst.

Das große Fenster lässt nicht nur Licht in das Innere der Kapelle, sondern ermöglicht auch den ungehinder­ten Ausblick auf die begnadete Landschaft zwischen Schwäbisch­er Alb und Bodensee, bei guter Sicht sogar bis zu den Schweizer Bergen. So verbinden sich die moderne Kapelle und die Schönheit der umgebenden Natur zu einem außergewöh­nlichen sakralen Gesamtkuns­twerk und zu einer Reverenz an die göttliche Schöpfung.

St. Johannes und

Jakobus am Witthoh ist im September 2003 vom Erzabt des Benediktin­erklosters Beuron, Theodor Hogg, geweiht worden. Michael Ungethüm, der damalige Vorstandsv­orsitzende des Medizintec­hnik-Unternehme­ns Aesculap AG in Tuttlingen, hatte die Kapelle anlässlich seines 60. Geburtstag­s als Bauherr in Auftrag gegeben, wohl auch aus Dankbarkei­t für sein höchst erfolgreic­hes Berufslebe­n. 2007 ging das Gotteshaus in den Besitz der Erzabtei St. Martin zu Beuron über. In seiner schnörkell­osen Ästhetik bildet es auch einen reizvollen Kontrast zur barocken Pracht der Kirche im Kloster.

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FOTO: GÜNTER HERMANN ARCHITEKTE­N, STUTTGART UND TUTTLINGEN Auf das Wesentlich­e konzentrie­ren kann man sich in der Kapelle St. Johannes und Jakobus auf dem Witthoh bei Immendinge­n-Hattingen.

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