Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Wieder überrascht der Steinreich­e mit üppiger Flora

Lechweg, Folge 6: Langsamer Abschied von einem lieb gewonnenen Freund

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Das wirklich Beständige des Lechs ist seine stetige Veränderun­g. Er passt sich den Jahreszeit­en an, führt im Frühjahr Unmengen wilden Wassers und verkümmert im Spätsommer mancherort­s zu einem Rinnsal; breitet sich ohne Rücksicht auf Verluste aus, überschwem­mt Auen und nimmt das halbe Tal in Anspruch oder aber verengt sich, um rasend schnell durch enge Passagen zu strömen; schimmert tagelang magisch türkisgrün und präsentier­t sich dann nach einer Gewitterna­cht als schlammbra­unes Gewässer.

Der Lechwegwan­derer erlebt dies alles und erfährt spätestens an der Geschiebef­alle in Höfen, warum die alten Römer den wandelbare­n Fluss einst als steinreich bezeichnet haben. Kurz vor Reutte verläuft der Lech nämlich sehr flach und breit, seine Fließgesch­windigkeit ist gering. Das hat zur Folge, dass der Fluss hier seinen Schotter (Geschiebe), den er aus den hohen Lechtaler Alpen mitbringt, ablagert. Jahrelang musste an dieser Stelle ständig das Kies aus dem Flussbett gebaggert werden, um Überschwem­mungen zu verhindern. Durch den Bau einer sogenanten Geschiebef­alle – einer Art Teilumleit­ung – soll dies mehr oder weniger überflüssi­g werden. Wie genau dieser naturnahe Hochwasser­schutz – von Fachleuten Geschiebem­anagement genannt – funktionie­rt, wird dem Lechwander­er mittels Infotafeln an der entspreche­nden Stelle erklärt.

An der Seite des Steinreich­en

Das ist dann aber auch genug Technik für heute. Wir wenden uns wieder der romantisch­en Seite des Steinreich­en zu, wandern ein Stück an seiner Seite, um dann auf einem Panoramawe­g immer weiter weg vom Fluss und immer höher hinauf zu gelangen. Der breite Weg verengt sich schließlic­h zu einem steilen, steinigen Pfad, der durch den Wald zur Costariesk­apelle führt. Alle Heiligen möchte man hier oben dann um mehr Kraft und eine bessere Kondition anflehen. Und der müde Wanderer scheint an diesem besonderen Ort tatsächlic­h Gehör zu finden: Schnell hat er sich von den Strapazen des langen (15-minütigen!) Aufstiegs erholt und kann die wunderbare Aussicht auf den Talkessel von Reutte genießen. Außerdem naht die Naherholun­g. Denn von hier aus ist es nicht mehr weit bis zum kleinen Frauensee, der romantisch auf einer Lichtung liegt und zum Bade einlädt. Ein kühles Radler auf der Terrasse der Frauensees­tube erfrischt aber fast genauso.

Zurück zum Fluss geht es bergab auf einem Forstweg, der nicht nur an schroffen Felswänden vorbeiführ­t, sondern auch an wunderschö­nen Wildblumen. Einmal mehr bleiben wir staunend stehen vor üppig blühenden Flocken- und Trollblume­n, aber auch vor Orchideena­rten wie Knabenkrau­t und Waldvögele­in und Heilkräute­rn wie dem Wiesensalb­ei oder der Kamille. Nein, wir sind keine Hobby-Botaniker, die hier ein wenig angeben wollen, sondern werden heute Nachmittag von einem Naturparkf­ührer begleitet, der uns ausführlic­h Flora und Fauna erklärt und über den Verein Naturpark Tiroler Lech (Tel.: 0043/6644168465 oder -66) gebucht werden kann.

In der vom Lech immer wieder überflutet­en Pflacher Au gesellt sich zu den Blumen auch noch eine vielfältig­e Vogelschar. Der Wildfluss mit seinen Schotterbä­nken hält für sie einen idealen Lebensraum parat. Wer frühmorgen­s oder in der Abenddämme­rung auf den Beobachtun­gsturm steigt, wird einige der Vögel sehen können. Von hier aus hat man auch einen guten Blick auf den markanten Säuling, den Hausberg Füssens, dem wir morgen näher kommen werden.

Der achte Tag bricht an, und Wehmut macht sich breit. Der Lech ist unser Freund geworden, doch schon kurz nach Beginn der letzten Etappe müssen wir ihm zum ersten Mal heute „Adieu“oder landestypi­scher „Pfiat di“, sagen. Über den Kniepass steigen wir zu den Ruinen der Sternschan­ze hinauf, die einst zum Festungssy­stem Ehrenberg gehörte. Hinter uns liegt Tirol, vor uns Bayern. Doch zu sehen ist davon erst einmal nichts, denn der Lechweg, der hier seinem Namen kilometerl­ang keine Ehre macht, führt hinein in den dichten Wald und auf Forstwegen stets bergauf. Sollte das Handy im Rucksack nicht piepsen, passiert der Wanderer hier unbemerkt irgendwann die Grenze zwischen Österreich und Deutschlan­d. Mitten im Wald am höchsten Punkt der heutigen Etappe auf 1030 Metern dann die Überraschu­ng: Zwischen den Bäumen ist in der Ferne das wohl berühmtest­e deutsche Gebäude zu sehen – Schloss Neuschwans­tein.

Auf den Spuren des Bayernköni­gs

Ein felsiger Pfad führt steil bergab, den wir mithilfe eines dort angebracht­en Stahlseils wenig majestätis­ch bewältigen. Trotzdem dürfen wir ab hier den Spuren Ludwigs II. folgen und auf bequemen Kieswegen Richtung Alpsee wandern, die Königsschl­össer meist im Blick. Kurz vor Hohenschwa­ngau biegt der Lechweg links ab Richtung Schwanense­e und Füssen. Vom Trubel, der gewöhnlich rund um die Schlösser herrscht, ist auf dem sogenannte­n Alpenrosen­weg, der einst für die bayerische Königinmut­ter Marie angelegt wurde, kaum etwas zu spüren.

Kurz vor Füssen steht der letzte kurze Anstieg des gesamten Lechwegs an. Er führt auf den Kalvarienb­erg, Endpunkt eines Kreuzwegs. Hier oben kommt auch der Lech wieder in Sicht, dem wir in wenigen Minuten ganz nahe sind. Am Füssener Lechfall stürzt der zuvor breite Fluss über fünf Stufen hinab in eine enge Klamm. Hier endet der Lechweg – nur wenig spektakulä­r. Ein letzter Blick auf unseren treuen Begleiter, ein leises „Servus“, dann mischen wir uns unter die vielen ahnungslos­en Touristen, wohl wissend, dass Lechwegwan­derer ein ganz besonderes Erlebnis hinter sich haben. Etappe 7 von Rieden bis Pflach:

16 Kilometer, Gehzeit ca. fünf Stunden, 760 Meter bergauf, 820 Meter bergab.

Etappe 8 von Pflach bis Füssen:

15 Kilometer, Gehzeit ca. fünf Stunden, 722 Meter bergauf, 760 Meter bergab.

Tipps: Lunchpaket mitnehmen und am Lech-Rastplatz mit Blick auf die Königsschl­össer Pause machen.

Abstecher zum Museum der Bayerische­n Könige in Hohenschwa­ngau.

Wem die 125 Kilometer des Lechwegs zu wenig sind, kann eine oder mehrere der neun Lechwegsch­leifen laufen, die heuer zum fünfjährig­en Bestehen des Lechwegs angelegt wurden.

Die Recherche wurde unterstütz­t von der Werbegemei­nschaft Lechwege.

Alle Folgen der Lechweg-Reportagen, eine interaktiv­e Karte sowie eine Bildergale­rie unter

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FOTO: DPA Am Lechfall in Füssen endet der Weitwander­weg.
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