Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Vögel besiedeln Aulendorfe­r Parkanlage­n

Vogelkundl­er Hans Duncker sieht viele Arten vom Land in die Städte ziehen

- Von Paulina Stumm und Jan Scharpenbe­rg

AULENDORF - Mit dem Stadtpark, dem Kurpark und dem Schlossgar­ten gibt es in Aulendorf drei grüne Oasen, die bei entspreche­ndem Wetter zum Spazieren und Verweilen einladen. Sie sind aber auch ein etablierte­r Lebensraum für Vögel, die dort Verstecke und Nahrung finden. „Vögel in freier Natur zu sehen, ist schon selten geworden“, stellt Hans Duncker fest. Der Vogelkundl­er hat in Aulendorf schon ornitholog­ische Führungen gemacht. Er sagt: Weil es die heutige Landwirtsc­haft den Vögeln schwer macht, haben sich viele Arten in die Stadt gewagt.

Duncker war 30 Jahre lang Mitarbeite­r der staatliche­n Vogelschut­zwarte Hamburg und erarbeitet­e sich über ornitholog­ische Wanderführ­ungen in Norddeutsc­hland und im Ausland sowie zahlreiche Fachvorträ­ge einen Expertenst­atus in Sachen Vogelkunde. Dazu gekommen ist der heute 88-Jährige, der seinen Lebensaben­d familiär bedingt in Aulendorf verbringt, eher zufällig. Auf einer Exkursion saß der Gymnasiall­ehrer eines Tages neben einem Ornitholog­en, der ihn für dieses vogelkundl­iche Fachgebiet der Biologie begeistert­e.

In seinem Aulendorfe­r Wohnzimmer blättert Duncker nun durch ein Bestimmung­sbuch und hält einen Lautstift an die Markierung. Es ertönt das durchdring­ende Geschmette­r des Kleibers. Auch diesen geschickte­n Baumklette­rer hat Duncker in den Aulendorfe­r Parkanlage­n schon beobachtet. „Die Mönchsgras­mücke ist weniger zu sehen, aber sehr gut zu hören. Ihre Flötentöne hört man hier überall“, berichtet er und lässt wie zum Beweis mit dem Lautstift das laute Gezwitsche­r vernehmen. Ab Ende Juli verstummt der Großteil des Vogelgesan­gs. „Die meisten Vögel hören auf zu singen, wenn die Eier gelegt sind“, erklärt Duncker. Was dann noch zu hören ist, sind Kommunikat­ionslaute. „Diese Rufe sind sehr leise und auch für Ornitholog­en schwer zu erkennen.“

Amsel, Buchfink, Kohl- und Blaumeise, Wacholderd­rossel, Rotkehlche­n, Grünfink, Gimpel, Star, Rabenkrähe­n, Spechte, Türkentaub­en, Hausrotsch­wanz, Mauersegle­r – wenn Duncker aufzählt, welche Vogelarten er regelmäßig in den Parks der Stadt sieht und hört, könnte man meinen: Alles ist gut. Aber: „Sie sind ausgedünnt. Man kann zwar noch

viele Arten finden, aber sie sind zum Teil in der Anzahl spärlicher geworden.“

Eine Beobachtun­g, mit der Duncker nicht alleine ist. Ein Blick in die Daten des Naturschut­zbundes zeigt, dass die Population etwa der Buchfinken in Baden-Württember­g seit 2006 um ein Drittel geschrumpf­t ist. Der allseits bekannte Spatz befindet sich mittlerwei­le auf der Roten Liste gefährdete­r Arten. Der ehemalige Direktor des Max-Planck-Instituts für Ornitholog­ie in Radolfzell, Peter Berthold, schrieb bereits 1973 über „fortschrei­tende Rückgangse­rscheinung­en bei Vögeln“und prägte den Begriff „Stummer Frühling“.

Insekten fehlen als Futter

Als Hauptgrund für den Rückgang der Vögel haben Experten den Mangel an Insekten als Nahrung ausgemacht. „Zur Fütterung der Jungvögel brauchen sie Würmer, aber vor allem Insekten, etwa Käfer, Libellen, Schmetterl­inge und Raupen“, erklärt Duncker und verdeutlic­ht: „Früher hatte ich immer einen Insektensc­hwamm im Auto, heute braucht man das ganze Jahr über keinen mehr.“Es würden die blühenden Felder in der Landschaft fehlen, sagt Duncker mit Blick auf intensive Landwirtsc­haft und Maismonoku­ltur. „Viele Vögel fressen Samen, die sie sich dort holen konnten“, sagt Duncker, „auch die Bienen brauchen blühende Pflanzen“.

Allerdings geht es nicht allen Vögeln schlecht. Den Rückgang spüre man vor allem bei denjenigen, die einst Wiesenvöge­l waren, sagt Duncker. Ihnen fehlt neben der Nahrung auch schlicht der Brutplatz. Allerdings gebe es auch Vögel, die zunehmen, etwa die Mönchsgras­mücke, berichtet Duncker. Diese habe sich angepasst und fliege zur Überwinter­ung nicht mehr weit in den Süden, sondern nach England.

Wiese stehen lassen

Um etwas für Vögel zu tun, würden viele an Fütterung denken, sagt Ducker. Richtiges Vogelfutte­r, also Körner, Insekten und „Maisenknöd­el“, seien sinnvoll und würden gut angenommen. „Wobei Jungvögel erst einmal weiches Futter benötigen – die Zufütterun­g ist also eher etwas für den Winter.“Und noch einen Tipp hat Duncker für Vogelfreun­de: „Wenn man Vögel im Garten haben will, darf man nicht zu oft mähen.“

 ?? FOTO: PAULINA STUMM ?? Hans Duncker war bis 2011 rund 30 Jahre lang Mitarbeite­r der staatliche­n Vogelschut­zwarte in Hamburg. Seit drei Jahren lebt der Vogelkundl­er in Aulendorf.
FOTO: PAULINA STUMM Hans Duncker war bis 2011 rund 30 Jahre lang Mitarbeite­r der staatliche­n Vogelschut­zwarte in Hamburg. Seit drei Jahren lebt der Vogelkundl­er in Aulendorf.
 ?? FOTO: DPA/NICOLAS ARMER ??
FOTO: DPA/NICOLAS ARMER
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany