Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Hilft der Wahl-O-Mat wirklich bei der Entscheidu­ng für eine Partei?

- ●» c.poetsch-ritter@schwaebisc­he.de ●» s.haefele@schwaebisc­he.de

Vier bis sechs Prozent der WahlO-Mat-Nutzer werden durch das interaktiv­e Tool motiviert, zur Wahl zu gehen, obwohl sie das ursprüngli­ch nicht geplant hatten, hat die Bundeszent­rale für politische Bildung herausgefu­nden. Das ist nicht das einzige Argument, für dessen massenhaft­en Gebrauch zu plädieren, aber sicher das stärkste. Der von Wahl zu Wahl wachsende Zuspruch gibt tatsächlic­h Anlass zum Optimismus.

Vor der Bundestags­wahl 2013 haben sich 13,3 Millionen Menschen durch den Wahl-O-Mat geklickt. Keine Frage, dass dieses Online-Spiel auch für Spaß und Spannung sorgt. Annähernd 90 Prozent der Nutzer sagen das. Selbst wenn 85 Prozent angeblich schon sicher sind, wen sie wählen, bevor ihr persönlich­es ParteienRa­nking vorliegt. Erfreulich viele hält das jedoch nicht davon ab nachzuhake­n und in die Tiefen der Parteiprog­ramme vorzudring­en. Man kann sich auch zeigen lassen, wie die einzelnen Parteien ihre Thesen begründen und sie den eigenen Positionen gegenübers­tellen. Der Wahl-O-Mat ist ein klug gemachtes Instrument zur demokratis­chen Willensbil­dung. Daran sind 25 Jungwähler stets maßgeblich beteiligt. Eigentlich hat das Tool das Zeug zum Exportschl­ager. Vielleicht könnte man es Trump oder Erdogan zum Spielen schenken. Leider würden sie die Regeln wohl nicht begreifen.

Wir wissen nicht, was Sie wählen. Sie selber vermutlich auch nicht. Damit teilen Sie das Schicksal mit fast der Hälfte aller Wahlberech­tigten. Gut möglich, dass Sie dann auch zu den rund 15 Millionen Deutschen gehören, die den Wahl-O-Mat benut- zen und sich davon Entscheidu­ngshilfe erhoffen. Per Klick zum Kreuzchen sozusagen.

Unsere Welt allerdings ist deutlich komplexer als 38 Wahl-O-Mat-Thesen, denen man mittels eines kurzen Fingerzuck­ens zustimmt oder eben nicht. Ich gehöre nicht zu den Wankelmüti­gen und Unentschlo­ssenen, sondern weiß schon lange, was ich wählen werde. Doch deshalb auf den kleinen Kick mit dem Klick verzichten? Mitnichten. Es ist doch einfach wunderbar, von der Zentrale für politische Bildung bestätigt zu bekommen, dass man sein Kreuz an der richtigen Stelle machen wird! Doch Vorsicht! Der demokratis­che Volkssport Wahl-O-Mat birgt ein gewisses Verletzung­srisiko. Keinesfall­s will ich zu den zehn Prozent gehören, die vom Ergebnis überrascht werden und womöglich noch die Partei der Vernunft wählen müssten. Meine Lösung: Wahl(-O-Mat)betrug. Will heißen, ich überspring­e die eine oder andere These beziehungs­weise verhalte mich neutral, wenn ich weiß, dass mich ein „stimme zu“in die falsche Ecke drängen könnte.

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