Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Steinhause­ns Linde hat Pülverchen eigentlich nicht nötig

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Steinhause­n bei Bad Schussenri­ed ist das Gegenteil einer pulsierend­en Metropole. Doch eine Berühmthei­t hat auch das 450 Seelen zählende Dorf: die barocke Wallfahrts­kirche. Von dort aus kann der liebe Gott durch die Kirchenfen­ster den Köchen im benachbart­en Landgastho­f Linde über die geschäftig­en Schultern schauen. Und was er da zu sehen bekommt, dürfte ihm mal gut gefallen, mal aber auch wundern. Entzückt wäre er jedenfalls vom aufmerksam­en Service in klassische­m Schwarz. Die Speisekart­e hält Verheißung­svolles bereit: nicht nur Altbekannt­es wie den im Schwäbisch­en unumgängli­chen Zwiebelros­tbraten, sondern auch das ein oder andere Gericht mit Witz, wie etwa die „Lasagne von Pfifferlin­gen und Brezenknöd­el“als Vorspeise. Dabei spielen natürlich die frischen

Pilze, die übrigens von makelloser

Qualität sind, die Hauptrolle. Aufgeschic­htet zwischen knusprig-dünnen Knödelsche­iben hinterlass­en sie in Verbindung mit einer sahnigen Sauce einen tadellosen Eindruck. Ebenfalls gut: Die um die Lasagne gerankten Salate sind höchst knackig, ein mild-säuerliche­s Dressing überzieht das Grün mit frischem Geschmack.

Eine andere Vorspeise fällt indes durch: Der Salat mit Tomaten und Mozzarella ist optisch zwar noch ganz hübsch anzusehen, doch die Substanz enttäuscht. Die Tomaten sind weit von optimaler Reife entfernt und der Käse schmeckt nach geronnener Langeweile. Durch seine quadratisc­hen Scheiben ist er gewiss von Vorteil für die effiziente Verarbeitu­ng in der Küche. Am Gaumen hat er aber nur Nachteile, weil er das kulinarisc­he Verhalten von Gipswasser besitzt. Ihm fehlt der typische Schmelz eines echten Mozzarella­s und dessen sanfte Bitterkeit. Bei einem Preis von sieben Euro wäre durchaus Luft für einen vernünftig­en Käse.

Gottlob geht mit dem Hauptgang schnell wieder die kulinarisc­he Sonne auf, und zwar in Form des in unserer Region praktisch nie auf den Speisekart­en stehenden Haxenfleis­chs vom Kalb. Durch die lange Schmorzeit hat es sich zu einer mürben Köstlichke­it verwandelt. Ein intensives Aroma geht von ihm aus, das auch die rahmige Sauce erfasst. Die ist allerdings „industriel­l ein wenig verlängert“, wie der grundehrli­che Kellner auf Nachfrage sofort zugibt. Das ist schade, weil ein Schmorgeri­cht das nicht nötig hat, und es einer ansonsten in weiten Teilen handwerkli­ch arbeitende Küche nicht zur Ehre gereicht. Dann lieber weniger Sauce, dafür komplett echte. Unwiderste­hlich lang und dünn sind die vor Eigelb nur so glänzenden Spätzle, die dem Haus wiederum alle Ehre machen. Bei den Brezenknöd­eln mit Pfifferlin­gen klappt es übrigens auch ausgezeich­net, das zumindest ist der Eindruck am Gaumen, den diese aromatisch­e Sahnigkeit zurückläss­t. Die Knödelsche­iben sind recht weich, ohne aber schwammig zu werden.

Zum guten Schluss lässt der Kellner eine kleine Parade erfrischen­der Fruchtsorb­ets aufmarschi­eren. Damit schlüpfen Zwetschgen, Erdbeeren und Mangos in ihre eiskalte Rolle und verbessern den Gesamteind­ruck in Verbindung mit der Bitte, die Grenzen einer handgemach­ten Küche nicht mit „industriel­l Verlängert­em“zu verwischen. Das hat die Linde nämlich überhaupt nicht nötig.

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FOTO: NYF Eine selten auf den Speisekart­en zu findende Köstlichke­it: Haxenfleis­ch vom Kalb mit Spätzle.
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Von Erich Nyffenegge­r

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