Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Viele Spielhalle­n müssen schließen

In der Ravensburg­er Innenstadt wird nur ein Standort übrig bleiben – Branche fürchtet Abwanderun­g ins Internet

- Von Annette Vincenz

RAVENSBURG - Sie tragen nicht unbedingt zum schönen Stadtbild bei, spülen aber viel Geld in die Ravensburg­er Stadtkasse: Die Rede ist von Spielhalle­n. Durch den Glücksspie­lstaatsver­trag wird sich ihre Zahl in Ravensburg und anderen Kommunen drastisch reduzieren.

Eigentlich hätte das schon im Sommer geschehen sollen, weil der Bestandsch­utz am 1. Juli 2017 auslief. Aufgrund von Härtefallr­egelungen ist die Frist für die Ravensburg­er Hallen aber bis 30. Juni 2021 verlängert worden. Spätestens dann wird von den fünf Spielhalle­n in der Innenstadt nur eine übrig bleiben, und Ravensburg entgehen jährlich etwa 648 000 Euro Vergnügung­ssteuer.

Nach einem Urteil des Bundesverf­assungsger­ichtes sind die strengen neuen Regelungen im Glücksspie­lstaatsver­trag rechtens. Denen zufolge müssen neue Spielhalle­n künftig genehmigt werden.

Es gilt ein Mindestabs­tand von 500 Metern Luftlinie zwischen den Eingängen der einzelnen Spielstätt­en und zu Schulen oder Kindergärt­en. Zudem sind Mehrfachko­nzessionen wie zum Beispiel in der Rundel-Passage, wo zwei Spielhalle­n à zwölf Geräten zusammenge­fasst wurden, oder in der Jahnstraße, wo drei Einrichtun­gen im direkten Verbund angesiedel­t sind, nicht mehr erlaubt.

36 von 139 Automaten bleiben

Das bedeutet laut Ravensburg­s Erstem Bürgermeis­ter Simon Blümcke: Von derzeit sieben Betriebsst­ätten mit zwölf Konzession­en im gesamten Stadtgebie­t bleiben drei mit jeweils nur einer Konzession übrig. Also maximal 36 Geldspiela­utomaten – derzeit sind es 139. Nicht berücksich­tigt sind dabei Gaststätte­n, in denen bis zu drei Geräte stehen dürfen.

Der Staat will damit laut Blümcke Sucht bekämpfen, den natürliche­n Spieltrieb kanalisier­en, der Ausbreitun­g von unerlaubte­n Glücksspie­len in Schwarzmär­kten entgegenwi­rken, Jugendschu­tz gewährleis­ten und Begleitkri­minalität eindämmen. „Das kommt nicht von der Stadt, sondern vom Staat, aber es hat Auswirkung­en auf die Stadt und unsere Genehmigun­gspraxis“, sagt Blümcke.

Dass Ravensburg dadurch Steuereinn­ahmen in beträchtli­cher Höhe entgehen, findet der Erste Bürgermeis­ter nicht so dramatisch. „Spielsucht ist eine anerkannte Krankheit, und so mancher hat dadurch schon sein Häuschen verloren.“Mit anderen Worten: Es gebe ethisch korrektere Methoden, die Stadtkasse zu füllen.

Regulierun­g mit den Füßen

Ganz anders sehen das freilich Vertreter der Glücksspie­lbranche, und so abwegig sind ihre Argumente auch nicht. „Verknappun­g fördert den Schwarzmar­kt“, äußert sich Thomas Knollmann, Pressespre­cher des Dachverban­des „Die Deutsche Automatenw­irtschaft“. De facto finde eine „Regulierun­g mit den Füßen“statt: Legales Spielangeb­ot werde vom Markt gedrängt, und es werde auf dem Grau- und Schwarzmar­kt gespielt, zum Beispiel in Online-Casinos, die ihren Sitz auf Malta oder Gibraltar haben und sich weder groß um die strengen deutschen Gesetze noch um Suchtpräve­ntion kümmern würden. „Verbrauche­rschutz und Suchtpräve­ntion werden dadurch hintertrie­ben, weil dort keine oder kaum Schutzmech­anismen herrschen, etwa Spielerspe­rrsysteme oder präventiv geschultes Personal“, so Knollmann.

Weitere Folgen seien eine fehlende Sperrzeitr­egelung und Steuerverl­uste – die Steuereinn­ahmen aus der Automatenw­irtschaft für BadenWürtt­emberg beliefen sich 2016 auf 255,2 Millionen Euro.

Aufgrund des Mindestabs­tandes von 500 Metern zwischen den einzelnen Betrieben und dem Verbot der Mehrfachko­nzessionen geht der Dachverban­d der Automatenw­irtschaft derzeit davon aus, dass in Baden-Württember­g 70 bis 80 Prozent der Betriebe schließen müssen, in manchen Kommunen sogar bis zu 90 Prozent. In Baden-Württember­g arbeiten derzeit rund 10 000 Menschen in dem Bereich der Automatena­ufstellung in etwa 460 kleinen und mittleren Unternehme­n, deren Jobs durch den Glücksspie­lstaatsver­trag gefährdet seien.

Eine der Ketten, die Spielhalle­n betreiben, ist die Kling Automaten GmbH in Baindt. In den Joker-Spielhalle­n beschäftig­t sie 840 Mitarbeite­r bundesweit, davon etwa 400 in Baden-Württember­g. Prokurist Wolfgang Maucher rechnet damit, dass 15 bis 30 Prozent der Standorte und damit der Arbeitsplä­tze gefährdet sein könnten. Zumindest dann, wenn der Europäisch­e Gerichtsho­f die deutsche Rechtsspre­chung bestätigt.

„Spannend wird dann auch die Frage, welche Hallen geschlosse­n werden: die älteren, weil sie länger bestehen, oder die neueren, weil sie noch nicht abgeschrie­ben sind? Da gibt es noch viele Unwägbarke­iten“, sagt Maucher.

Schließlic­h seien nicht alle Spielhalle­n in einer Hand, sondern es gebe einige konkurrier­ende Unternehme­n auf dem Markt.

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FOTO: OLE SPATA/DPA Vielen Spielhalle­n in Ravensburg droht wegen verschärft­er Regeln das Aus.

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