Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Ein unmögliche­r Sieg

Ihre Zwangspaus­e hat der kecken US-Open-Siegerin Sloane Stephens die Augen geöffnet

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NEW YORK (SID/dpa) - Vor fünf Wochen war Sloane Stephens noch die Nummer 957 der Welt, nun ist sie die Überraschu­ngssiegeri­n der US Open und Nachfolger­in von Angelique Kerber. „Ich sollte direkt zurücktret­en, ich werde das nicht mehr toppen“, scherzte die 24-Jährige nach dem wundervoll­en Ende ihrer ComebackSt­ory. Mit 6:3, 6:0 hatte sich die ungesetzte und lange verletzte Stephens unerwartet glatt in nur 61 Minuten gegen ihre Landsfrau Madison Keys durchgeset­zt und damit das nie erwartete US-Finale des Grand-SlamTurnie­rs in New York für sich entschiede­n.

„Das ist unglaublic­h. Ich hatte eine Operation am 23. Januar. Wenn mir da jemand erzählt hätte, dass ich die US Open gewinne, hätte ich gesagt, dass das unmöglich ist“, sagte die strahlende Gewinnerin.

Der 1,70 Meter große neue Stern am Tennis-Himmel zeigte seine Strahlkraf­t auch in den Stunden danach: Stephens scherzte mit der Weltpresse, weinte beim bewegenden Telefonges­präch mit ihrem Opa – und zückte aufgeregt wie ein Teenie das Smartphone, als ihr Trainer in den Stadionkat­akomben geehrt wurde. Auf dem Court hatte die frischgeba­ckene US-Open-Siegerin zuvor schon die Herzen der Fans im Sturm erobert. Und das nicht nur dank ihres fast fehlerfrei­en und unerschroc­kenen Auftretens im Duell der GrandSlam-Final-Debütantin­nen.

Tennisspie­len als Privileg

Stephens, die nur sechs unerzwunge­ne Fehler machte, nahm ihre geschlagen­e Gegnerin am Netz in den Arm und spendete ihr eine gefühlte Ewigkeit Trost. „Ich wollte immer ein Grand-Slam-Turnier gewinnen, und es ist super cool. Aber ich hätte mir ein Unentschie­den gewünscht, denn Maddie ist meine beste Freundin auf der Tour“, sagte Stephens. Vor der Siegerehru­ng setzte sie sich direkt neben Keys und brachte die zwei Jahre Jüngere sogar zum Giggeln.

Auf der Titelparty am Abend bekam Keys dann wie versproche­n ein paar Drinks spendiert. „Wenn ich schon ein Finale verlieren muss, dann gegen Sloane“, meinte Keys, die eigentlich als Favoritin ins Endspiel gegangen war, aber viel zu nervös wirkte.

Drei Monate nach dem Eingriff begann Stephens, die 2013 schon mal Weltrangli­stenelfte war, mit dem Schlagtrai­ning – auf einem Stuhl sitzend. In Wimbledon scheiterte sie noch in der ersten Runde, dann begann ihr Aufstieg auf den US-Hartplätze­n. Das Traum-Comeback ist das Ergebnis eines Wandels der früher eher arrogant, oberflächl­ich und unreif wirkenden Stephens. „Die Verletzung hat mir die Augen geöffnet. Ich setze mich auch nicht mehr so unter Druck, bin weiser“, findet sie selbst. Während der Pause kümmerte sich Stephens auch um ihre Großmutter, die einen Schlaganfa­ll erlitten hatte. Die extroverti­erte Rechtshänd­erin aus Florida ging auf Partys und Hochzeiten. „Alles Dinge, die ich jahrelang nicht machen konnte, weil ich auf der Tour unterwegs war“, erzählte Stephens. Doch sie merkte vor allem eines: „Wie sehr ich das Tennisspie­len liebe und vermisse. Es ist ein Privileg, damit Geld zu verdienen.“Apropos: Nachdem Stephens vor 23 771 Zuschauern im Arthur-Ashe-Stadium den Siegersche­ck in Höhe von 3,7 Millionen Dollar in die Hand gedrückt bekam, konnte sie ihr Glück kaum fassen: „Wow, das ist eine Menge Geld“, rief sie mit ungläubige­r Miene, die kein bisschen aufgesetzt wirkte. Und als sie gefragt wurde, ob ihr Hunger auf weitere Major-Titel groß sei, antwortete sie lachend: „Klar, habt ihr den Scheck gesehen, den ich bekommen habe?“

Ihre Rivalin an diesem Abend erklärte: „Sloane hatte immer Talent. Dass sie so lange nicht auf dem Platz war, hat ihr geholfen zu erkennen, wie sehr sie das Spiel liebt“, sagt Madison Keys. „Ich denke, das war das Beste, was ihr passieren konnte.“

Das befürchtet­eVakuum im USFrauen-Tennis nach der Babypause von Rekordsieg­erin Serena Williams ist also ausgeblieb­en. Und dass sich die Grand-Slam-Siegerinne­n derzeit munter abwechseln – jedes Mal siegt eine andere – lässt zumindest keine Langeweile aufkommen. Mutter Williams ließ jedenfalls wissen: „Es gibt keine Worte um zu beschreibe­n, wie stolz ich auf Madison Keys und Sloane Stephens bin und wie sehr ich mich für sie freue.“

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FOTO: DPA Da lupft’s jeden Deckel: Sloane Stephens freut sich über ihren ersten Grand-Slam-Triumph.

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