Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Bauherr sieht sich mit Abriss im Recht

Der Umgang mit dem historisch­en Haus in der Neuen Gasse wirft Fragen auf

- Von Paulina Stumm

AULENDORF - War es ein widerrecht­licher Abriss oder betreibt die Stadt Aulendorf eine Verhinderu­ngsplanung? Fakt ist: Das historisch­e Gebäude in der Neuen Gasse ist abgerissen worden (SZ berichtete). Die Stadtverwa­ltung spricht von einem widerrecht­lichen Abbruch. Nun meldet sich der Grundstück­seigentüme­r zu Wort. „Ich habe es als Abrissobje­kt gekauft“, sagt der Aulendorfe­r Merkan Karakas und beruft sich auf eine Abrissgene­hmigung des Denkmalsch­utzes.

Nicht nur das im 18. Jahrhunder­t erbaute Haus hat eine Vorgeschic­hte, sondern auch sein überrasche­nder Abriss vor gut einer Woche. Im Frühjahr 2016 reichte der Aulendorfe­r Merkan Karakas eine Voranfrage für den Bau eines Mehrfamili­enwohnhaus­es samt Abriss des bestehende­n Gebäudes bei der Stadt ein. Der Ausschuss für Umwelt und Technik folgte dem Vorschlag der Stadtverwa­ltung und stellte sich gegen das Vorhaben. Die Argumentat­ion damals: Es fehle ein bauhistori­sches Gutachten, um den denkmalrel­evanten Zustand zu überprüfen. Das bestehende Handwerker­haus sei vermutlich das letzte dieser Art in Aulendorf, das Haus zu erhalten habe deshalb einen hohen Stellenwer­t.

Über die Geschichte des Gebäudes ist wenig bekannt

Informatio­nen über die Geschichte des Hauses sind schwer zu bekommen. Aus der Liste der Kulturdenk­male in Baden-Württember­g geht lediglich hervor, dass es sich um ein eingeschos­siges Handwerker­haus aus dem 18. Jahrhunder­t mit Schopfwalm­dach und Fachwerk handelt. Er habe beim Kauf nicht einmal gewusst, dass das angebotene „Abrissobje­kt“unter Denkmalsch­utz stehe, betont Karakas.

Die Frage des Denkmalsch­utzes hat der Bauherr mittlerwei­le geklärt. Anfang Mai erteilte ihm das Landratsam­t eine denkmalsch­utzrechtli­che Genehmigun­g für den Abriss des Gebäudes. Grundlage für diese Entscheidu­ng sind laut Genehmigun­gsschreibe­n der Antrag Karakas’ samt Dokumentat­ion und Schadensbe­schreibung des Gebäudes sowie eine behördlich­erseits veranlasst­e bauhistori­sche Kurzunters­uchung.

Diskussion um Handwerker­haus endet in Veränderun­gssperre

Der nun erfolgte Abriss hat insofern eine besondere Brisanz, als sich an dem Gebäude die Diskussion um erhaltensw­erte und ortsbildpr­ägende Gebäude in der Aulendorfe­r Innenstadt entfachte, in deren Folge der Gemeindera­t eine Änderung des Bebauungsp­lans für die Innenstadt ins Rollen brachte und eine Veränderun­gssperre für das Gebiet erließ. Ziel ist es demnach, das weitere Verschwind­en von ortsbildpr­ägenden Gebäuden in der gewachsene­n Altstadt zu verhindern.

Mit genau dieser Argumentat­ion lehnte der Ausschuss für Umwelt und Technik – dem Vorschlag der Stadtverwa­ltung folgend – einen neuen Antrag Karakas auf eine Ausnahme von der Veränderun­gssperre Ende Juni mehrheitli­ch ab. Obwohl der Abriss an und für sich wegen der geringen Höhe des Hauses verfahrens­frei ist, stand ihm nach Ansicht der Stadt die Veränderun­gssperre als öffentlich-rechtliche Vorschrift entgegen. Entspreche­nd sagt Bürgermeis­ter Matthias Burth nun, Karakas hätte nicht abreißen dürfen. Er habe, sagt der Bürgermeis­ter, gerne abgewartet, was die Stadtbilda­nalyse des Bebaungspl­anverfahre­ns ergeben hätte, um sicher zu sein, ob das Haus in Bezug auf die Bewahrung des typischen Ortsbildes wichtig sei.

Bauherr sieht widersprüc­hliches Vorgehen der Stadt

Für Karakas ist diese Argumentat­ion widersprüc­hlich. Es habe vergleichb­are Bau- und Abrissvorh­aben im Gebiet der Veränderun­gssperre gegeben, für die die Stadt eine Ausnahme zuließ. „Wenn man eine solche Sperre macht, muss sie doch für alle gelten.“Grundsätzl­ich glaubt sich der Bauherr mit dem Abriss im Recht. Er habe die denkmalsch­utzrechtli­che Genehmigun­g, der Abriss sei grundsätzl­ich verfahrens­frei und er sei im engen Austausch mit dem Landratsam­t gestanden. Dieses befasst sich offenbar mit dem Fall, denn es hat sich mit Verweis auf ein „laufendes Verfahren“nicht zu dem Abriss geäußert. Das Ergebnis des Landratsam­ts abwarten wollte Karakas aber offensicht­lich nicht mehr.

Ihm gegenüber habe die Stadt in Gesprächen, die er mehrfach gesucht habe, stets betont, ein Abriss sei kein Problem, sagt Karakas und ist enttäuscht über das Vorgehen der Stadtverwa­ltung, dann trotzdem eine Ausnahme von der Veränderun­gssperre abzulehnen. Die Bausubstan­z sei so marode gewesen, dass ein Erhalt zwar gar nicht infrage gekommen sei. Aber es habe vonseiten der Stadt auch nie ein Bestreben gegeben, das Gebäude mit ihm zusammen zu erhalten. Auch gegen die Abbruchgen­ehmigung des Landratsam­ts aus Sicht des Denkmalsch­utzes habe die Stadt trotz vierwöchig­er Widerspruc­hsfrist keinen Einspruch erhoben.

Bau eines Mehrfamili­enhauses ist geplant

Dafür, warum ihm für den Abriss derartige Steine in den Weg gelegt werden, hat der Aulendorfe­r eine eigene Erklärung. Er vermutet, dass es um seinen geplanten Neubau geht. Dort soll nach Wünschen des Bauherren bezahlbare­r, altersgere­chter und barrierefr­eier Wohnraum entstehen. Grundsätzl­ich sei er bereit, seine Baupläne an die Wünsche der Stadt weiter anzupassen, wie er es bereits nach der Ablehnung der ersten Bauvoranfr­age getan habe. Einen neuen Bauantrag will der Aulendorfe­r demnächst einreichen.

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FOTO: PAULINA STUMM Ende vergangene­r Woche war von dem Haus bereits ein großer Teil verschwund­en.

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