Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Ein lebendiger Ort der Stille
Kapelle St. Ottilia in Steinenbach feiert ihr 200-jähriges Bestehen
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BLÖNRIED - Sie ist eine von rund 15 Kapellen in und um Aulendorf, die Kapelle St. Ottilia in der Dorfmitte des alten Steinenbachs, dort, wo der Holzmannweg auf die Schwendestraße trifft. Vor 200 Jahren wurde sie als Dank für ein gute Ernte erbaut.
Wer durch die Holztüre in die Kapelle hineintritt, wird überrascht, wirkt sie doch von innen größer als von außen; ganze 14 Holzbänke reihen sich vor dem Alter, über dem ein Gemälde des letzten Abendmahls hängt. Den Blick zur rechten Seitenwand wandern lassend, wird der Kapellenbesucher der Namensgeberin der Kapelle gewahr. Eine Figur der heiligen Ottilia (662-720) hängt dort – so hoch, dass nur dem aufmerksamen Besucher ihre Attribute auffallen: das auf einem Buch liegende Augenpaar. Die Patronin der Steinenbacher Kapelle wird gerne als Helferin bei Augenleiden angerufen. Selbst blind geboren und vom Vater verstoßen, wird Ottilia der Obhut einer verwandten Äbtissin übergeben. Erst mit zwölf Jahren wird sie getauft. „Es ist überliefert, dass sie bei ihrer Taufe nicht nur das innere Licht, sondern auch ihr Augenlicht wiederbekommen hat“, erzählt Anantham Antony. Weshalb gerade sie Namensgeberin der Kapelle wurde, weiß auch Aulendorfs Stadtpfarrer nicht. Wohl aber kennt er den Grund für deren Bau der Kapelle.
Nach Jahren der schlechten Ernten und Hungersnot, brachte das Jahr 1817 reichen
Ertrag. Landauf, landab wurden Dankesgottesdienste abgehalten. „In Steinenbach wollten die Leute als Dankeschön die alte Kapelle neu errichten“, erklärt Antony. Erstmals erwähnt ist eine Kapelle an diesem Ort schon im 17. Jahrhundert. Für den Neubau 1817 spendeten Dorfbewohner und kirchliche Würdenträger damals 300 Gulden, sodass die Kapelle im schlichten Bau mit dreiseitigem Chor und massivem Giebelreiter erbaut werden konnte. Eine Spendertafel im hinteren Bereich der Kirche erinnert noch heute namentlich an die Geldgeber. Die kleinen Bilder der Kreuzwegstationen kamen erst 1886 dazu.
„Kapellenkümmerer“seit 17 Jahren
Über die Jahrhunderte erhielten die Steinenbacher ihre Kapelle. Die letzte Komplettsanierung samt Bänken, Figuren, Dach und Fassade fand 2007 dank regem Engagement der Nachbarn statt und wurde mit einem großen Kapellenfest gefeiert. Gut daran erinnern können sich auch Heinz und Maria Rehm, die seit 17 Jahren „Kapellenkümmerer“in Steinenbach sind. Als direkte Nachbarn der Kapelle sei es naheliegend gewesen, dass sie dieses Ehrenamt damals von der Familie Birkenmaier übernahmen.
Glocke läutet seit 1987 automatisch
„Wir machen es ja gerne“, sagt Maria Rehm, auch wenn es rund um die Kapelle immer etwas zu tun gibt – angefangen vom Blumenschmuck bis zum Umstellen des seit 1987 elektrisch gesteuerten Glockenläutens von Sommerauf Winterzeit. Bevor das elektrische Läutwerk kam, wurde die kleine Glocke von Hand geläutet, zuletzt von Familie Hack. Und natürlich öffnen und schließen die Rehms die Kapelle an Wochenenden und für Wanderer, die an diesem Ort der Stille innehalten wollen.
„Die Kapelle ist unser Dorfmittelpunkt“, sagt Heinz Rehm. Gelegentlich finden Taufen dort statt, im Oktober wird in der Kapelle jeden Freitag der Rosenkranz gebetet. Die Prozessionen zu Christi Himmelfahrt sind mit der Aufgabe des nahen Steylerschen Missionshauses zwar verschwunden, an Heiligabend allerdings lockt die Kapelle die Steinenbacher nachmittags zum Spiel des Musikvereins Blönried-Zollenreute samt festlichem Ausklang. Am kommenden Wochenende feiert der Ort das 200-jährige Bestehen von St. Ottilia. Zum Jubiläum wurde die Kapelle noch einmal frisch gestrichen.