Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

75 Öchsle: Das wird ein guter Tropfen

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WEINGARTEN (rep) - Günter Staud ist gut gelaunt. Der Verwaltung­sdirektor der Stadt Weingarten hat einen guten Grund. Gerade haben Bauhofmita­rbeiter die letzten Trauben von den Reben am Martinsber­g und im Klostergar­ten geschnitte­n. Aus den 300 bis 400 Kilogramm lassen sich 350 Liter Cuvé Martinsber­g keltern. „Dann ist unser Weinkeller wieder gefüllt“, sagt Staud, selbsterna­nnter „Weinbaudir­ektor auf Lebenszeit“.

Das ist auch bitter nötig, denn im vergangene­n Jahr gingen sie leer aus. Durch den vielen Regen hatte Mehltau, eine durch Pilze verursacht­e Pflanzenkr­ankheit, die Frucht vernichtet. Nix wars mit dem Jahrgang 2016. Und für dieses Jahr sah es zunächst nicht viel besser aus. Zwar begann der Frühling schon im März. Warme Wochen ließen optimistis­ch auf die Ernte im Herbst blicken. Doch dann folgte eine Frostperio­de. Obstbauern versuchten mit Kerzen und Fackeln zu retten, was ging. Doch die Temperatur­en fielen auf die kritische Fünf-Grad-Grenze und vernichtet­en bis zu 90 Prozent der Fruchtblüt­en.

„Wir hatten Glück“, sagt Gerhard Wirbel. „Die Schäden hielten sich bei uns in Grenzen.“Das Glück lag wohl vor allem darin, dass die Reben im Stadtgebie­t angebaut sind. Die hohen Häuser hätten den Durchzug von kaltem Wind verhindert. Bei Winzern am Bodensee, deren Reben am Hang in der Nähe des Wassers liegen, sehe es anders aus, so Wirbel, der seit einiger Zeit der „Kümmerer“des Weins vom Martinsber­g ist. Der nicht ernst gemeinte Titel hatte ihm Günter Staud „verliehen“, als er sich bereit erklärte, das ganze Jahr über nach den Reben zu sehen.

In enger Absprache mit dem Winzer Matthias Dilger, der den Martinsber­ger Tropfen für Weingarten keltert und die Pflege der Reben fachlich begleitet, macht Wirbel im Frühjahr den Zuschnitt oder, wenn die Trauben dann wachsen, einen Entlastung­sschnitt. Die Johanniter, so der Name einer der beiden Traubensor­ten, wüchsen wie Maiskolben. Ab einem bestimmten Stadium müsse man das Wachstum mit einem Schnitt entlasten, damit die Früchte sich nicht gegenseiti­g zerquetsch­en.

Und dann kam ein wunderbare­r Sommer und vor allem: Ein goldener Herbst. „Das war natürlich richtig gut für die Ernte“, sagt Günter Staud, der in den letzten Wochen immer wieder mit einem so genannten Refraktome­ter unterwegs war. Damit maß er den Öchsle-Grad, jene Einheit, die den Zuckergeha­lt in den Früchten angibt und eine ungefähre Aussage über die Qualität des späteren Weins zulässt.

„Vor zwei Wochen lagen wir noch bei 65 Öchsle“, erzählt Staud. „Wenn es so geblieben wäre, dann wäre das nicht so gut gewesen.“Doch die Sonne hat den Weinbeeren noch einmal richtig gut getan. „Jetzt liegen wir bei durchschni­ttlich 80 Öchsle. Das ist ein sehr guter Wert. Der Wein wird vorzüglich.“

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