Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
40 Menschen löffeln die Suppe aus
Katholische Arbeitnehmer Bewegung hat in Weingarten zu „36-Stunden-Aktion“eingeladen
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WEINGARTEN - Knapp 40 Menschen sind am Samstag in Weingarten der Einladung der Katholischen Arbeitnehmer Bewegung (KAB) gefolgt und haben sich zu einer „Langen Mittagstafel gegen Altersarmut“im Café „Carisina“versammelt. Serviert wurde eine Gulaschsuppe, die – symbolträchtig – gemeinsam ausgelöffelt wurde. Mit ihrer „36-StundenAktion“wollte die KAB diözesanweit auf die drohende Armut heutiger und künftiger Rentner aufmerksam machen. Die zentrale Forderung der katholischen Verbände lautet: Rente muss für ein Leben in Würde reichen und muss solidarisch sein.
Das mit der Würde und der Teilnahme an der Gesellschaft ist so eine Sache, wenn abzüglich der Miete keine 200 Euro im Monat mehr übrigbleiben zum Leben. Ein Beispiel aus Weingarten: Nach insgesamt 50 Arbeitsjahren bekommt ein 83-jähriger Rentner im Monat nur knapp 600 Euro überwiesen und muss deshalb im Alltag sparen wo’s nur geht. „Meine Frau hat noch weniger Rente, aber zusammen geht’s dann irgendwie. Wir sparen beim Essen, damit wir uns Fernsehen und Telefon leisten können“, bekennt der Mann und lässt sich mit anderen die KAB-Suppe schmecken im „Carisina“. Staatliche Unterstützung nimmt das betagte Paar nicht in Anspruch. „Meine Frau möchte nicht zum Sozialamt gehen, also muss es eben so reichen.“
Jeden Cent zweimal umdrehen
Direkt neben ihm am Tisch hat die Landtagsabgeordnete Petra Krebs (Bündnis 90/Die Grünen) aus Wangen Platz genommen und erläutert die Renten-Idee ihrer Partei, die dem KAB-„Cappuccinomodell“(siehe „Auf einen Blick“) für eine sichere Rente ähnlich ist. „Die Entwicklung ist wirklich sehr dramatisch und ich hoffe, dass wir uns bei einer Regierungsbeteiligung auf Bundesebene durchsetzen können und finanzielle Verbesserungen erreichen für die Rentner in unserem Land“, betonte Krebs. Beim Essen ließ sie sich einige Armuts-Biographien älterer Menschen erzählen, die trotz jahrzehntelanger Arbeit heute jeden Cent zweimal umdrehen müssen.
Und eine neue Studie der Bertelsmann-Stiftung verheißt wenig Gutes: Danach soll im Jahr 2036 jeder fünfte Neurentner von Altersarmut betroffen sein, wie sie der Rentner aus dem Schussental geschildert hat. Ursache dafür sei die komplette Umstellung der Arbeitszeit auf prekäre Beschäftigung mit Leih- und Zeitarbeit, Minijobs, langen Phasen der Erwerbslosigkeit und niedrigen Löhnen. Dazu kommen steigende Mieten und Lebenshaltungskosten. Als armutsgefährdet gelten laut dieser Studie Rentner, deren monatliches Netto-Einkommen weniger als 958 Euro beträgt. Betroffen davon sind vor allem alleinstehende Frauen, Personen ohne Berufsausbildung und Langzeitarbeitslose.
2006 waren laut KAB gut zehn Prozent der Rentner von Armut betroffen – heute sind es bereits 15,6 Prozent. Deshalb hat der Sozialverband am Wochenende die Aktion „36 Stunden für soziale Gerechtigkeit“ausgerufen und in mehreren Städten zu öffentlichkeitswirksamen Aktionen eingeladen. „Durch die Einführung einer Sockelrente und den Ausbau der gesetzlichen Rentenversicherung zu einer Erwerbstätigenversicherung, in die alle einzahlen, kann Altersarmut heute und künftig verhindert werden“, sagte KAB-Diözesansekretär Peter Niedergesäss im „Carisina“. Direkt nach der Wahl wolle man für das Thema sensibilisieren, Perspektiven aufzeigen und bei den Bundestagsabgeordneten aus der Region für das KAB-Rentenmodell werben.
Diese hatten sich am Samstag jedoch allesamt aus Termingründen entschuldigen lassen. Der KAB-Einladung gefolgt waren neben Krebs nur noch Jasmin Runge vom Kreisverband „Die Linke“sowie Peter Didszun vom SPD-Kreisverband.
Das Rentenmodell der KAB nennt sich „Cappuccino-Modell“, weil es sich – ähnlich wie der italienische Kaffee – aus drei Schichten zusammensetzt: Sockelrente („Espresso“), Erwerbstätigenversicherung („Milchkaffee“) sowie betriebliche und private Altersvorsorge („Milchschaum“) als freiwillige Zusatzvorsorge. Das Modell wurde von mehreren katholischen Verbänden für den Bundestagswahlkampf 2017 entwickelt. Weitere Infos dazu unter