Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Ernteausfälle der Obstbauern lassen Saftpreise steigen
90 Prozent Ernteausfälle lassen Preise steigen – Bodenseeregion von Einbußen stark betroffen
LAICHINGEN/LINDAU (krom) - Als „historisch niedrig“bezeichnet der Verband der deutschen Fruchtsaftindustrie die diesjährige Streuobsternte. Die Ernteausfälle der Obstbauern von bis zu 90 Prozent lassen die Preise für Fruchtsäfte steigen. Für den Liter Apfelsaft müsse der Kunde rund 30 Cent mehr bezahlen, so Dieter Burkhardt, Geschäftsführer von Fruchtsäfte Burkhardt in Laichingen. Besonders betroffen ist die Bodenseeregion. „So etwas habe ich noch nicht erlebt“, sagt Klaus Widemann, Geschäftsführer der Lindauer Bodensee-Fruchtsäfte.
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● LAICHINGEN/LINDAU - Der Anhänger von Alfred Stöferle ist bis zum Rand gefüllt mit Äpfeln. Es ist seine dritte Fuhre von Bollingen im AlbDonau-Kreis nach Laichingen zum Fruchtsafthersteller Burkhardt. „Eine ganz schlechte Ernte“, sagt er. In normalen Jahren fahre er zusammen mit seiner Frau Ursula bis zu zehnmal zum Äpfel abgeben: „Vielleicht komme ich heuer nur noch ein viertes Mal.“Mehr gibt’s nicht.
Die Auswirkungen der frühen Blüte im März und der späte Frost im April machen bei den Obstbauern nicht Halt. Auch die Nächsten in der Verarbeitungskette, die Fruchtsafthersteller, beklagen erhebliche Einbußen – bis zu 90 Prozent. Laut dem Verband der deutschen FruchtsaftIndustrie (VdF) ist die Streuobsternte „historisch niedrig“, „die niedrigste seit unseren Aufzeichnungen“, so VdF-Geschäftsführer Klaus Heitlinger. Besonders betroffen: die Bodenseeregion.
Zukauf im Ausland
Bei Burkhardt Fruchtsäfte in Laichingen stammt das Obst – überwiegend Äpfel (bis zu 95 Prozent), aber auch Birnen, Kirschen und Johannisbeeren – aus der Region von Aalen über Stuttgart bis zum Bodensee. „Dramatisch“beschreibt Geschäftsführer Dieter Burkhardt die Ausmaße. 10 000 Tonnen Äpfel werden im 50 Mitarbeiter großen Betrieb im Schnitt zu Saft verarbeitet. In diesem Jahr sollen es nur 1500 Tonnen sein: 85 Prozent Ausfall. „Unglaublich, wie zwei Nächte ein Naturprodukt so kaputt machen können“, sagt Burkhardt.
Den Norden Deutschlands hätte es zwar nicht so schlimm erwischt und sie hätten eigentlich auch noch Vorrat vom vergangenen Jahr, dennoch müsse aus dem europäischen Ausland zugekauft werden: aus Italien, Ungarn und den Balkanländern. Die Folge: Die Preise steigen. 30 Cent pro Liter, 1,50 Euro pro Kiste. Denn auch die Nachfrage im Ausland steigt – beim Apfelsaft noch mehr als beispielsweise beim Kirschsaft. „Der Rohwarenanteil ist bei Saft sehr hoch. Preisveränderungen wirken sich deshalb sehr stark aus.“Laut VdF liegen die Preise für die Äpfel für die Saftverarbeitung rund dreimal so hoch wie im Vorjahr.
Weil das Obst nicht mehr nur aus Baden-Württemberg kommt, müssen beim Laichinger Fruchtsafthersteller die Etiketten geändert werden – zum ersten Mal überhaupt. Kein großer Mehraufwand, so Burkhardt. Auch aus finanzieller Sicht gibt er Entwarnung: „An die Existenzgrenze wird es nicht so schnell gehen.“
Auch wenige Kilometer weiter, beim Fruchtsafthersteller Albi, stuft man die Auswirkungen der Ernteeinbußen als „erheblich“ein. Genaue Zahlen können jedoch noch nicht genannt werden, da noch nicht die komplette Ernte eingefahren worden sei. Obst müsse allerdings auch beim Bühlenhauser Unternehmen aus dem Ausland zugekauft werden. Die Situation sei „absolut besonders“, so Albi-Sprecher Markus Mayer.
Ein ähnlich „schwieriges Jahr“soll es laut Klaus Widemann, Geschäftsführer der Lindauer BodenseeFruchtsäfte, 1991 gegeben haben, als die Ernte ebenfalls schlecht ausfiel. Auch damals seien die Preise angehoben worden. „Doch jetzt ist es noch schlimmer.“
Je nach Region rechnet er mit Ernteausfällen zwischen 80 und 90 Prozent. 30 000 Tonnen Äpfel werden im Schnitt verarbeitet. Wie viel es dieses Jahr sind, traut sich Widemann noch nicht zu sagen. Die Flasche Apfelsaft werde jedoch auch bei ihm um rund 30Cent teurer. Bei den Bio-Äpfeln aus der Region rund um Backnang sei die Lage noch „krasser“: „Die Erträge tendieren gegen null“, sagt Widemann. „Das habe ich noch nicht erlebt.“Nun müsse bei allen Handelspartnern im Land die notwendigen Mengen zusammengekratzt werden, um die Kunden versorgen zu können: „Das wird einigermaßen klappen.“
Schon lange werde darüber gesprochen, dass nach den frostigen Nächten im April die Ernte schlecht ausfallen werde. „Jetzt merkt man auch, wie wenig das ist.“Doch seitens der Obstbauern dürfe die Lage nicht als allzu schlecht betrachtet werden, meint Widemann. Zum einen sollen die Äpfel weniger Säure enthalten, also süßer schmecken. Zum anderen erhalten die Obstbauern derzeit einen „Wahnsinnspreis“– beinahe doppelt so viel wie sonst. Soll heißen: Für einen geringeren Aufwand – weniger Klauben, weniger Transportfahrten – bekommen sie das gleiche Geld. Widemanns Rechnung: Wegen der schlechten Ernte kosten 100 Kilogramm Äpfel aktuell 23 Euro. Bei normaler Ernteausbeute müssten die Bauern für denselben Betrag doppelt so lange arbeiten und doppelt so oft hin- und herfahren. Ein Aspekt, den Alfred Stöferle beim Entladen seiner „ganz schlechten Ernte“vielleicht noch gar nicht bedacht hatte.