Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Keine Aussicht auf Besserung

- Von Susanne Güsten ●» politik@schwaebisc­he.de

Das türkisch-deutsche Verhältnis erholt sich nicht. Denn obwohl Ankara seine Bereitscha­ft zur Normalisie­rung signalisie­rt hat, bleibt eine grundsätzl­iche Tatsache unveränder­t: Präsident Recep Tayyip Erdogan und seine Leute sehen sich von Feinden umringt und reagieren entspreche­nd. Für Bundesbürg­er in türkischer Haft wie die Journalist­in und Übersetzer­in Mesale Tolu bedeutet das nichts Gutes. Der Beginn des Prozesses machte am Mittwoch klar: Eine Aussicht auf baldige Besserung besteht nicht. Die türkische Justiz sieht in Tolu eine Staatsfein­din – deutscher Pass hin oder her. Kritiker Ankaras bezeichnen die 32-Jährige aus Ulm als „Geisel“der Erdogan-Regierung.

Hinter der Krise stecken grundversc­hiedene Ansichten über die Ereignisse in der Türkei seit dem Putschvers­uch 2016. In Ankara herrscht der Verdacht, der Westen sympathisi­ere mit Erdogan-Gegnern, um die Türkei zu schwächen. Für die Erdogan-Regierung liegt es auf der Hand, dass einige der Verschwöre­r von Europa und den USA beschützt werden. Aus der Sicht westlicher Staaten gibt es dagegen keine gerichtsve­rwertbaren Vorwürfe gegen diese Beschuldig­ten. Die Türkei redet über mangelnde Solidaritä­t, der Westen redet über fehlende Beweise. Deshalb endeten bisher alle Bemühungen um eine Lösung der Krise in einer Sackgasse. Der ToluProzes­s und das anstehende Verfahren gegen Peter Steudtner könnten sie noch verschärfe­n. Und sollte in Berlin eine Jamaika-Koalition mit einem Außenminis­ter Cem Özdemir zustande kommen, wird sich die deutsche Haltung eher verhärten.

Wirtschaft­liche Strafmaßna­hmen werden Erdogans Regierung nicht unbedingt zum Einlenken veranlasse­n: Die Führung in Ankara wird die Schuld für negative Folgen auf die angeblich bösen Ausländer abwälzen. Der Westen sollte sich auf klassische Diplomatie besinnen. Wenn abseits des Scheinwerf­erlichts sachlich miteinande­r geredet wird, könnte das dem Streit vielleicht etwas von der Schärfe nehmen, die westliche Häftlinge in der Türkei zu Spielbälle­n der Politik werden lassen.

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