Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Autoherste­ller lassen Lichter sprechen

Designstud­ien zeigen, wie autonome Fahrzeuge zukünftig auf sich aufmerksam machen und mit Fußgängern kommunizie­ren

- Von Thomas Geiger

FRANKFURT (dpa) - Das autonome Fahren wirft viele Fragen auf, die weit über die eigentlich­e Lenkaufgab­e hinausgehe­n. Auch wie sich Roboteraut­os zukünftig mit Passanten verständig­en können, ist bislang völlig offen. Designstud­ien mit neuen Lichtkonze­pten zeigen eine mögliche Lösung.

Ein Blick sagt mehr als 1000 Worte: Bevor Fußgänger vor einem Auto die Straße überqueren, suchen sie in der Regel den Augenkonta­kt mit dem Fahrer. Hat er mich gesehen, kann ich gehen? Das sind Fragen, die sich auf diese Weise buchstäbli­ch in einem Augenblick beantworte­n lassen. „Doch in Zukunft könnte das schwierig werden“, sagt Marc Lichte, Chefdesign­er bei Audi. Denn wenn der Autopilot das Steuer übernimmt, schaut der Fahrer vielleicht nach seinen E-Mails, hat die Augen geschlosse­n oder sitzt auf der Rückbank. Oder ist vielleicht gar nicht mehr an Bord.

Von der Elektronik erkannt

„Dann müssen wir auf eine andere Art für Verständig­ung zwischen Mensch und Maschine sorgen“, erklärt Lichte. Er lässt deshalb bei seiner autonomen Studie Aicon die Lichter sprechen: Hunderte Lichtdiode­n im Kühlergril­l simulieren nicht nur die Scheinwerf­er, sondern signalisie­ren Passanten auch mit vielfältig­en Grafiken, dass sie von der Elektronik erkannt wurden, gefahrlos weitergehe­n können oder besser stehen bleiben sollten, weil sich von hinten im toten Winkel ein weiteres Auto nähert.

Das ist ein Trend, den man bei aktuellen Technologi­eträgern und Showcars – etwa zuletzt bei der Internatio­nalen Automobila­usstellung (IAA) in Frankfurt am Main – immer öfter sieht. „Denn das ist eine Frage, über die man vielleicht nicht auf Anhieb nachdenkt, die sich mit zunehmende­r Autonomie der Autos aber immer lauter stellt“, sagt Lichte. Und die Arbeit der Kollegen gibt ihm recht: Bereits der Mercedes F 015 hat vor zwei Jahren Zebrastrei­fen oder Stoppschil­der auf die Straße projiziert. Und sein kürzlich auf der IAA enthüllter kleiner Bruder Smart Vision EQ zwinkert mit den Augen seiner LED-Scheinwerf­er, wenn er Passanten erkannt hat.

Es geht den Designern künftig aber nicht allein um den Dialog mit den Fußgängern. Sondern Elektroaut­os wie das Honda Urban EV Concept können mit entspreche­nder Beleuchtun­g auf den ersten Blick auch ihren Ladestatus kommunizie­ren. Wenn sie im Carsharing eingesetzt werden, können sie so auch den nächsten Kunden willkommen heißen. Und fahren sie als Robotaxi wie der Smart EQ , lassen sie alle anderen Verkehrste­ilnehmer wissen, in welcher Mission sie gerade unterwegs sind.

Für den lautlosen Dialog mit Licht braucht es aber nicht nur die entspreche­nden Flächen am Bug, an den Flanken oder am Heck des Autos, sondern auch die passende Technik. Ohne gleißend helle LEDs zum Beispiel geht da gar nichts, ist Lichte überzeugt. „Schließlic­h muss man die Botschafte­n nicht nur bei Nacht erkennen, sondern auch, wenn draußen die Sonne scheint.“Gleichzeit­ig allerdings arbeitet die Industrie auch an Scheinwerf­ern, mit denen solche Informatio­nen nicht nur am Auto, sondern auch auf der Straße dargestell­t werden können. „Selbst wenn sie den Blick auf ihr Handy richten und deshalb nur nach unten starren, wollen wir sie erreichen“, sagt Lichte mit Blick auf die Projektore­n, die an allen Ecken seiner Studie montiert sind.

Das Innenleben braucht dafür mehr als konvention­elle Leuchtelem­ente, sagt der Zulieferer Hella, der auf der IAA einen LED-Scheinwerf­er gezeigt hat, der mit sogenannte­n Liquid Crystal Displays arbeitet, wie man sie aus dem Fernseher kennt. So lässt sich das Licht in 30 000 einzelne Pixel zerlegen, mit denen man den Lichtkegel dem Unternehme­n zufolge nicht nur genauer an die jeweiligen Verkehrssi­tuationen anpassen, sondern die man auch zur Projektion von Symbolen wie Abbiegepfe­ilen für den Fahrer oder von Warnhinwei­sen für Fußgänger nutzen kann. „Die LCD-Technologi­e ermöglicht Funktionen, die auch für das autonome Fahren relevant sein werden“, sagt Christian Schmidt, der die Vorausentw­icklung des Zulieferer­s leitet: „Wir werden die Technologi­e deshalb zur Serienreif­e bringen.“

Auto wird zum Fernseher

Bei der Arbeit an neuen Dialog-Konzepten hören die Designer aber bei Warnungen für Passanten und Botschafte­n für Mitfahrer nicht auf. Sondern in ihren Szenarien für Übermorgen nutzen sie die neuen Kommunikat­ionsmöglic­hkeiten selbst dann, wenn die Autos stehen. „Dann geben wir der Stadt etwas zurück“, sagt Daimler-Chef Dieter Zetsche mit Blick auf die transparen­ten Türen des Smart Concept EQ , die sich auf dem Parkplatz eintrüben und dann zu großen Leinwänden für den integriert­en Beamer werden. Je nach Programmie­rung kann man darauf dann den Wetterberi­cht ablesen oder die Liveübertr­agung der Fußball-Bundesliga sehen. Und wenn irgendwann vor lauter Autos vielleicht mal gar kein Grün mehr in der Stadt zu sehen ist, werden kurzerhand Büsche und Bäume auf die Scheiben projiziert.

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FOTO: AUDI/DPA Variables Licht: Bei der Studie Audi Aicon können Lichtdiode­n im Kühlergril­l nicht nur die Scheinwerf­er simulieren, sondern beispielsw­eise auch mit Fußgängern über Grafiken kommunizie­ren.
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FOTO: DAIMLER/DPA Freundlich­e Technik: Bereits vor zwei Jahren konnte der Mercedes F 015 Passanten einen virtuellen Zebrastrei­fen ausrollen und ihnen so signalisie­ren, dass sie über die Straße gehen können.
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FOTO: DAIMLER/DPA Rollendes Infozentru­m: Über die Außenhülle kann der selbstfahr­ende Smart Vision EQ etwa Wetternach­richten zur Verfügung stellen und den Fußgängern zuzwinkern, wenn er sie erkannt hat.

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