Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Defizite bei Ganztagssc­hulen

Diskussion um Rechtsansp­ruch

- Von Tobias Schmidt und dpa

STUTTGART/MÜNCHEN (lsw) - Baden-Württember­g und Bayern haben einer Studie zufolge Defizite beim Ausbau von Ganztagssc­hulen. Dieser geht nur schleichen­d voran, wie eine am Dienstag vorgestell­te Studie der Bertelsman­n-Stiftung zeigt. Nur 23,7 Prozent der Schüler im Südwesten besuchten im Schuljahr 2015/ 2016 demnach eine Ganztagssc­hule. Damit landet Baden-Württember­g im bundesweit­en Vergleich auf dem vorletzten Platz – direkt vor Bayern. Der Freistaat ist bundesweit­es Schlusslic­ht mit einem Schülerant­eil von 16 Prozent, im Bundesdurc­hschnitt sind es mehr als doppelt so viele (39,3 Prozent).

BERLIN - Einen Rechtsansp­ruch auf einen Platz in der Ganztagssc­hule zumindest für Grundschul­kinder: Im Bundestags­wahlkampf hatten mehrere Parteien das gefordert – darunter Union, SPD und Grüne. Nach den aktuellen Zahlen für das Schuljahr 2015/2016 nehmen bundesweit rund vier von zehn Schülern (39,3 Prozent) eine Ganztagssc­hule in Anspruch. Der Ausbau sei vorangekom­men, werde den Erwartunge­n von Eltern aber längst nicht gerecht, teilte die Bertelsman­n-Stiftung am Dienstag in Gütersloh mit. Die Experten fordern einen „nationalen Kraftakt“.

Um bis 2025 für 80 Prozent der Schüler einen Ganztagssc­hulplatz anzubieten, müsste die Politik weitere 3,3 Millionen Ganztagspl­ätze schaffen. Kritiker halten das kaum für machbar. Laut Studie würden jährlich allein 2,6 Milliarden Euro an Personalko­sten anfallen.

In den vergangene­n Jahren besuchen immer mehr Kinder eine Ganztagssc­hule. Zum Vergleich: Im Schuljahr 2002/2003 ging jeder Zehnte (9,8 Prozent) dorthin. Um bis 2025 für 80 Prozent der Schüler einen Ganztagssc­hulplatz zu haben, müsste die Politik jedoch 15 Milliarden Euro in Räume und Ausstattun­g investiere­n und 47 600 zusätzlich­e Pädagogen einstellen. Um bis 2030 für alle Kinder einen Platz zu haben, müssten pro Jahr mindestens 300 000 zusätzlich­e Ganztagssc­hulplätze entstehen. „Das ist eine Größenordn­ung, die beim Kita- und Krippenaus­bau selbst in den Zeiten des stärksten Ausbaus nie erreicht wurde“, räumt Dirk Zorn ein, Experte zum Thema bei der Bertelsman­n-Stiftung.

Laut Bertelsman­n-Studie wünschen sich drei Viertel der Eltern einen Ganztagssc­hulplatz. Wobei es starke regionale Unterschie­de gibt. Ein flächendec­kendes Angebot sei „von den Eltern gewollt, pädagogisc­h geboten und finanziell machbar“, forderte Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsman­n-Stiftung. Als Argumente werden neben der besseren Vereinbark­eit von Familie und Beruf für die Eltern auch bessere Bildungsch­ancen insbesonde­re von Kindern aus bildungsfe­rnen Schichten ins Feld geführt. „Wir brauchen einen Rechtsansp­ruch auf einen Ganztagspl­atz für Schulkinde­r – ohne Wenn und Aber“, sagt Bundesfami­lienminist­erin Katarina Barley (SPD).

Die Union will einen Rechtsansp­ruch auf Ganztagsbe­treuung im Grundschul­alter einführen. Die Grünen pochen auf die Abschaffun­g des Kooperatio­nsverbotes, damit der Bund in den Ganztagsau­sbau investiere­n kann. Die FDP fordert massive Investitio­nen in die Bildung, legt sich aber in Sachen Ganztag nicht fest.

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FOTO: DPA Vier von zehn Schülern besuchen eine Ganztagssc­hule.

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