Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Boom an der Börse

Ob sich der Einstieg für Anleger jetzt noch lohnt

- Von Wolfgang Mulke

BERLIN - Höher immer, rückwärts nimmer. So ist derzeit die Stimmung an den Finanzmärk­ten. Der Deutsche Aktieninde­x (Dax) jagt von Rekord zu Rekord und Kursrücksc­hläge gibt es nur in geringem Umfang. Der Wertgewinn für die Aktienbesi­tzer ist enorm. Ende 2009 notierte der Dax noch bei 3666 Punkten. Bis Anfang dieses Jahres hat sich der Wert der 30 größten deutschen Unternehme­n mit 11 426 Punkten fast verdreifac­ht. Inzwischen ist bereits die Marke von 13 000 Punkten geknackt. Und von Nervosität angesichts der rasanten Vermögensm­ehrung ist weltweit immer noch wenig zu spüren. Auch der amerikanis­chen Leitindex Dow Jones hat lichte Höhen erreicht.

Die meisten privaten Sparer in Deutschlan­d sind bei der Rally bisher leer ausgegange­n. Aktien genießen hierzuland­e keinen guten Ruf als sichere Geldanlage. Lohnt es sich jetzt noch, auf den fahrenden Zug aufzusprin­gen? Schließlic­h ist der aktuell stetige Aufwärtstr­end ungebroche­n. Finanztip-Chef HermannJos­ef Tenhagen rät dazu – selbst bei diesem hohen Kursniveau. Als Beleg führt der Verbrauche­rschützer die Kursentwic­klungen der Vergangenh­eit an. Wer sein Geld 15 Jahre lang in Aktien liegen lassen kann, gehörte demnach auch bei zwischenze­itlichen Kurseinbrü­chen zu den Gewinnern. Statt auf ein einziges Unternehme­n sollten die Sparer jedoch auf ein ganzes Bündel setzen. Dies ermögliche­n sogenannte Exchange Traded Funds (ETF). Mit Sparplänen lässt sich die Gefahr hoher Verluste bei einem Crash minimieren.

Aber nährt Tenhagen mit diesem Ratschlag nicht eine „Dienstmädc­hen-Hausse“? So nennen Börsianer die letzte Phase vor einem Crash, wenn selbst Niedriglöh­ner ihre Euro in der Hoffnung auf schnelle Gewinne an die Börse tragen und die ersten Profis schon wieder aussteigen. Zurzeit gibt es kaum Hinweise auf ein Ende der Rekordjagd. Die Kursaussch­läge sind gering. Mangels alternativ­en Geldanlage­n kaufen die Anleger Aktien. Auch die wirtschaft­lichen Rahmenbedi­ngungen stimmen derzeit. Die Weltkonjun­ktur läuft passabel und selbst die europäisch­en Krisenländ­er verzeichne­n wieder Wachstum. Das sorgt für die gute Laune der Anleger. Die Krisensymp­thome, vom Konflikt zwischen den USA und Nordkorea über die unberechen­bare Politik des US-Präsidente­n Donald Trump bis hin zur ultralocke­ren Geldpoliti­k der Zentralban­ken, werden von den Marktteiln­ehmern ausgeblend­et.

Geldpoliti­k treibt die Kurse

Treiber der wundersame­n Vermögensm­ehrung ist vor allem die weltweite Niedrigzin­spolitik, auch der Europäisch­en Zentralban­k (EZB). Kredite kosten so gut wie nichts. Die üblichen Geldanlage­n, wie jeder Sparer leidvoll erfahren muss, bringen nichts mehr ein. Und viele Sachanlage­n, etwa Immobilien sind schon extrem teuer geworden. „Zu viel Geld ist auf der Jagd nach zu wenigen ertragreic­hen Anlagen“, stellt der Direktor für Geldpoliti­k und Kapitalmär­kte beim Internatio­nalen Währungsfo­nds (IWF), Tobias Andrian, fest. Dem IWF macht die weltweit extrem hohe Verschuldu­ng bereits Sorgen. In China stehen die Banken derzeit mit dem dreifachen der gesamten Wirtschaft­sleistung des Landes in der Kreide. Auch der scheidende Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble sieht die Gefahr einer neuerliche­n Finanzkris­e und sprach kürzlich von „neuen Blasen“.

Solange die Geldmaschi­ne der Zentralban­ken läuft und keine politische Krise die gute Stimmung trübt, könnte die ungesunde Rekordjagd bei Dax und Dow weitergehe­n. Läutet die EZB jedoch die Zinswende ein oder gerät der Nordkorea-Konflikt außer Kontrolle, könnte das Gegenteil, eine rasante Talfahrt einsetzen. Der Chefberate­r der Allianz, Mohamed El-Eiran, beoabachte­t eine übertriebe­ne Risikobere­itschaft der Anleger, die im Notfall fest mit Hilfe der Notenbanke­n rechnen würden. Es brauche wohl einen schweren Schock, so der Finanzmark­texperte, um diese Zuversicht zu erschütter­n. Wie lange die Rallye noch anhält, oder wann es zu starken Abwärtsbew­egungen kommt, vermag jedoch keiner der Experten verlässlic­h zu sagen. Die Erfahrung der letzten Jahrzehnte lehrt, dass es nicht endlos weiter aufwärts gehen kann.

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FOTO: DPA
 ?? FOTO: DPA ?? Am vergangene­n Donnerstag hat der Dax im Handelsver­lauf erstmals die Marke von 13 000 Punkten überschrit­ten.
FOTO: DPA Am vergangene­n Donnerstag hat der Dax im Handelsver­lauf erstmals die Marke von 13 000 Punkten überschrit­ten.

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