Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Der Deutsche Herbst wirkt nach bis heute
Eine prägende Zeit für die gesamte Bundesrepublik Deutschland und ein Wendepunkt für die RAF
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Die Leiche des Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer wurde am 19. Oktober 1977 im Kofferraum eines grünen Audi 100 C1 aufgefunden, in der Rue Charles Peguy in Mülhausen (Elsass). Ein Tag zuvor hatten ihn Terroristen der Roten Armee Fraktion (RAF) mit drei Schüssen in den Hinterkopf hingerichtet. Nach sechs Wochen Entführung war es das Ende eines persönlichen Martyriums.
Es war auch das Ende einer der größten Krisen des Landes, das Ende des Deutschen Herbstes, das Ende der Offensive 77, wie es die Terroristen nannten. Die bleierne Zeit begann im April 1977 mit der Ermordung von Generalbundesanwalt Siegfried Buback und ging weiter Ende Juli des Jahres, nach einem gescheiterten Entführungsversuch, mit der Ermordung des damaligen Vorstandsvorsitzenden der Dresdner Bank, Jürgen Ponto. Sie gipfelte mit Schleyers Entführung am 5. September 1977 gegen 17.30 Uhr in KölnBraunsfeld.
Das sogenannte Kommando Siegfried Hausner der RAF stoppte den Wagen Schleyers mit seinem Fahrer sowie das Begleitfahrzeug mit drei Personenschützern und eröffnete unmittelbar das Feuer. Innerhalb von eineinhalb Minuten fielen mindestens 119 Schüsse. Alle Begleiter Schleyers starben im Kugelhagel. Die prominente Geisel versteckten die Terroristen in einer Hochhauswohnung in Erftstadt-Liblar bei Köln, verbunden mit der Forderung an die Bundesregierung, alle inhaftierten Terroristen um Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe frei zu lassen. Für die RAF war Hanns Martin Schleyer gleichermaßen das perfekte Druckmittel wie auch das perfekte Feindbild, als Arbeitgeberpräsident sowie mit seiner Vergangenheit als SS-Offizier in der NSZeit.
Gut zwei Jahre zuvor hatte die RAF den CDU-Politiker Peter Lorenz entführt und mit Erfolg Gesinnungsgenossen aus der Haft freigepresst, die danach wieder den Terroristen anschlossen. Aus dieser Erfahrung heraus entschied die Bundesregierung um Bundeskanzler Helmut Schmidt, den Forderungen der RAF diesmal nicht nachzukommen. Auch nicht, als diese Forderungen unterstützt wurden mit der Entführung der Lufthansamaschine „Landshut" am 13. Oktober 1977 durch ein Palästinenserkommando.
Das Drama spitzte sich an jenem 18. Oktober 1977 zu: Die Spezialeinheit GSG 9 konnte in Mogadischu alle Geiseln der "Landshut" unversehrt befreien. Als Reaktion auf die Befreiung und selber in aussichtsloser Lage nahmen sich die Terroristen Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe in Stuttgart-Stammheim das Leben, Irmgard Möller überlebte schwer verletzt. Daraufhin wurde Hanns Martin Schleyer noch am selben Tag von seinen Entführern ermordet.
In einem RAF-Bekennerschreiben heißt es: „Wir haben nach 43 Tagen Hanns Martin Schleyers klägliche und korrupte Existenz beendet (...) Für unseren Schmerz und unsere Wut über die Massaker in Mogadischu und Stammheim ist sein Tod bedeutungslos.“
Höhepunkt des Terrors
Bedeutungsvoll war sein Ableben aber für andere. Die Terroristen mordeten zwar weiter, mit Schleyers Tod wendeten sich aber auch einstige Sympathisanten von ihnen ab. Der 18. Oktober 1977 war somit der Scheitelpunkt des linken Terrors in Deutschland. Dieses Datum markiert den Anfang vom Ende der Roten Armee Fraktion. (dg)