Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Sich bewegen bringt Segen

Ein Feldversuc­h bestätigt die positive Auswirkung von Sport auf die Gesundheit

- Von Anika von Greve-Dierfeld

KARLSRUHE (dpa) - Klaus Heinzmann blättert durch sein 20-SeitenDoss­ier mit der jüngsten Auswertung und klingt ziemlich zufrieden. Ab etwa 30 habe er Sport und Bewegung immer mehr vernachläs­sigt – Job, Familie, „ich habe es einfach nicht mehr geschafft“. Als er von der Studie „Gesundheit zum Mitmachen“erfuhr, kam ihm die gerade recht. Er begann 2007 mit Nordic Walking und Fahrradfah­ren. Heute treibt der 48-Jährige dreimal wöchentlic­h Sport, hält sein Gewicht, seine Blutwerte sind gut. „Was sich auch verändert hat, ist das Bewusstsei­n, sich immer zu bewegen – auch im Alltag“, sagt er.

Er hat am eigenen Leib erlebt, was inzwischen eine Binsenweis­heit ist: Bewegung ist gesund, macht glücklich, hilft gegen Depression­en, beugt Demenz vor, unterstütz­t Genesung nach schweren Krankheite­n. Und Bewegung hält jung: Im Schnitt sind sportlich aktive Menschen motorisch gesehen zehn Jahre jünger als die, die faul auf der Couch rumlümmeln. Das ist eines der neuesten Ergebnisse dieser Langzeitst­udie, die Sportwisse­nschaftler des Karlsruher Instituts für Technologi­e (KIT) am Dienstag vorstellte­n.

Das Besondere daran: Sie begleitet seit nunmehr 25 Jahren rund 500 Einwohner von Bad Schönborn im Kreis Karlsruhe, die entweder regelmäßig Sport treiben – oder eben nicht. Die Teilnehmer im Alter zwischen 35 und inzwischen etwa 80 Jahren werden alle paar Jahre in bislang fünf Wellen untersucht. „Wir haben also Aktivitäts-und Gesundheit­sdaten über einen sehr langen Zeitraum verglichen“erklärt Professor Alexander Woll. Das sei in dieser Form deutschlan­dweit einmalig.

„Was mich total überrascht hat, ist: Schon bei zwei Stunden Sport pro Woche sinkt das Risiko für das Metabolisc­he Syndrom – also Faktoren wie Übergewich­t, Bluthochdr­uck, erhöhte Blutfettwe­rte – um das fünffache“, erklärt Woll. Heißt im Klartext: Wer so sportelt, hat beispielsw­eise ein fünfmal geringeres Risiko für Herz/-Kreislaufe­rkrankunge­n.

Direkte Effekte von Sport auf die Durchblutu­ng des Herzmuskel­s sind mittlerwei­le nachgewies­en, berichtete vergangene Woche auch Professor Harm Wienbergen vom Bremer Institut für Herz- und Kreislauff­orschung (BIHKF) bei den Herztagen 2017 der Deutschen Kardiologi­schen Gesellscha­ft (DGK) in Berlin.

Aus viel Bewegung folgt also zwangsläuf­ig ein langes und gesundes Leben? So schlicht funktionie­rt die Gleichung nun auch wieder nicht, sagen Projektkoo­rdinator Woll und sein Kollege Professor Klaus Bös, der die Studie seinerzeit initiierte. Auch die genetische Dispositio­n spiele eine ganz erhebliche Rolle. „Es ist vermessen anzunehmen, dass wir durch unser Verhalten alleine unser Leben bestimmen können“, sagt Bös.

Gute Ernährung schadet nicht

Die Frage der Ernährung wurde in der Studie bewusst vernachläs­sigt: „Es hätte den Rahmen gesprengt und uns fehlte schlicht die Expertise auf diesem weiten Feld“, sagt Bös. Zu unterschät­zen ist dieser Aspekt aus Sicht von Experten aber keinesfall­s: „Fast 60 Prozent der Deutschen sind übergewich­tig, sechs Millionen haben Diabetes“, erläutert der Sportund Ernährungs­mediziner Professor Daniel König vom Institut für Sport und Sportwisse­nschaft an der Freiburger Universitä­t. Wer gesünder leben wolle, müsse daher nicht nur körperlich aktiv leben, sondern auch seine Ernährung ändern.

Für Bös ist entscheide­nd: „Es geht ja nicht darum, wie alt wir werden. Sondern wie wir alt werden.“Er setzt darauf, dass sich die Gesellscha­ft Verhaltens­stile hinsichtli­ch der Bewegung angewöhnt. Damit dem Entschluss auch Taten folgen können, bedarf es vor allem in Städten auch einer gewissen Infrastruk­tur. „Das Thema hält längst Einzug in Planungen von Städten und Gemeinden“, sagt Woll. „Man bräuchte eigentlich ein Grundrecht auf Bewegung. Sonst schränkt man die körperlich­e Unversehrt­heit ein.“

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FOTO: DPA Dreimal wöchentlic­h Sport ist Pflicht: Klaus Heinzmann in einem Aktivpark in Bad Schönborn.

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