Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Integrationszentrum Weingarten: CDU gespalten
Gemeinderatsfraktion uneins – Bischof lobt Entscheidung – Ex-AfDler stimmt zu
WEINGARTEN - Mit großer Mehrheit hat der Gemeinderat in Weingarten in seiner Sitzung am Montagabend der Einrichtung eines Integrationszentrums zugestimmt (die SZ berichtete). Doch während sich die Fraktionen durchgängig über Parteigrenzen hinweg einig waren, dass dieser neue Weg der Integrationsarbeit ein guter ist, zeigte sich die CDU uneins. In Abwesenheit von Fraktionsvorsitzendem Axel Müller, der künftig im Bundestag sitzen wird, stimmten Dieter Pfleghar, Dietmar Straub, Elisabeth Krämer und Wolfgang Pfau gegen das Projekt. Alfred Schick und der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Markus Brunnbauer sahen die Vorteile des Integrationszentrums. „Wir von der CDUFraktion sind nicht einheitlicher Meinung“, hatte Brunnbauer vor der Abstimmung erklärt. Persönlich halte er das Ganze für „eine gute Geschichte und ich freue mich darauf“.
Ähnliche Worte kamen am Tag nach der Entscheidung auch von Bischof Gebhard Fürst von der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Per Pressemitteilung teilte er mit: „Ich bin sehr froh, dass wir mit dem Weingartener Integrationszentrum ein Modell entwickelt haben, wie man auf ganz konkrete und praktische Weise einen Beitrag zum Zusammenhalt der Gesellschaft leisten kann.“Das „Modell Weingarten“habe als Beispiel für innovative Integrationskonzepte auch an anderen Orten der Diözese eine wichtige und modellhafte Bedeutung. „Das Ziel unserer Bemühungen muss es immer sein, dass in unserem Zusammenleben an erster Stelle nicht die Frage steht ‚Woher kommst Du?', sondern ‚Wer bist Du?'“, betonte Bischof Fürst.
Und nicht zuletzt dem großen finanziellen Engagement der Diözese ist es zu verdanken, dass das Projekt realisiert werden kann. Schließlich stellt Fürst 157 000 Euro für die Projektlaufzeit von drei Jahren zur Verfügung, in der mit dem Integrationszentrum im städtischen Gebäude in der Liebfrauenstraße 25 eine Anlaufstelle und ein Ort der Begegnung für Flüchtlinge, Menschen mit Migrationshintergrund und Ehrenamtliche zu allen relevanten Fragen geschaffen werden soll. Ferner sieht das Konzept, das vor allem von der Caritas Bodensee-Oberschwaben initiiert wurde, eine Bündelung bereits bestehender sowie neu zu schaffender Dienste und Angebote unter einem gemeinsamen Dach vor. Caritas, Stadt und Franziskanerinnen Reute werden sich personell einbringen. Durch den Pakt der Integration und andere Fördermittel von Bund und Land entstehen der Stadt keine Kosten beziehungsweise diese sind gedeckt.
Nicht nur deshalb waren – mit Ausnahme der vier CDU-Stadträte – stimmten alle anderen Fraktionen dem Tagesordnungspunkt zu. „Das ist eine große Chance, dass es noch besser klappt“, sagte Horst Wiest von den Freien Wählern, der allerdings die Beteiligung der muslimischen Kirchengemeinden in Weingarten vermisste. Oberbürgermeister Markus Ewald erklärte daraufhin, dass es durchaus angedacht sei, die drei muslimischen Kirchengemeinden in Weingarten, aber auch alle anderen Glaubensgemeinschaften mit einzubinden. „Zum jetzigen Zeitpunkt mit sechs Partnern hätte das das Projekt überfordert“, sagte er.
Keßel sieht Leuchturmprojekt
Die SPD um Udo Mann sieht das Projekt nüchtern als „zweckdienlich und sinnvoll“. Daher wolle man die Bedenken einfach mal zurückstellen, so Mann. Noch positiver bewerten die Grünen und Unabhängigen (G&U) das Integrationszentrum: „Das ist ein Leuchtturmprojekt. Durch die Zusammenarbeit gelingt etwas Größeres, als wir allein schaffen könnten“, sagte G&U-Fraktionsvorsitzender Claus Keßel.
Diese Vision teilen Pfleghar, Straub, Krämer und Pfau offensichtlich nicht. Es gebe zu viele offene Fragen. Man leiste ohnehin schon mehr, als man müsse und wisse nicht was in drei Jahren sei. „Man gibt seine Hilfe und weiß nicht, wer Mitbürger wird“, äußerte Straub seine Bedenken. Da konnte OB Ewald nicht mehr an sich halten. Der Beitrag Weingartens sei im Vergleich zu dem von Diözese und Caritas gering. Man müsse dankbar für deren Engagement sein. Nur gemeinsam könne man die Integration schultern.
Wie exponiert die Sichtweisen von Pfleghar, Straub, Krämer und Pfau auf das Thema sind, verdeutlichte Werner Knörle, der mittlerweile den Liberal-Konservativen Reformern (LKR) angehört. Auch er forderte seine Ratskollegen vehement dazu auf, für das Integrationszentrum zu stimmen. „Ich möchte Sie herzlich bitten, dieser Vision zuzustimmen. Das, was wir heute den Migranten und Ausländern geben, bekommen wir morgen als Frucht zurück“, sagte er und erntete nickende Zustimmung, gar einiges Klopfen und jede Menge erstaunte Blicke. Schließlich war Werner Knörle bei den Kommunalwahlen 2014 noch als AfD-Mitglied in den Gemeinderat gewählt worden.