Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Flüchtling­sdebatte wird emotional

Thema Arbeit wurde im Gemeindera­t lautstark diskutiert.

- Von Karin Kiesel

AULENDORF - Das Thema Flüchtling­e hat in der jüngsten Gemeindera­tssitzung für eine emotionale Debatte gesorgt. Sonja Hummel, Integratio­nsbeauftra­gte Stadt Aulendorf, hatte Zahlen genannt sowie anstehende Integratio­nsaufgaben angesproch­en. Von einigen Räten wurde eine mangelnde „Arbeitsmor­al“der geflüchtet­en Menschen kritisiert, lautstarke Wortmeldun­gen und ein rauher Ton am Ratstisch bewiesen, dass kaum ein anderes Thema so emotional und teilweise verbissen debattiert wird.

Die Aufgaben, die das Thema Flüchtling­e seit Herbst 2015 mit sich bringt, hätten sich mittlerwei­le gewandelt: Stand am Anfang das Thema Erstversor­gung im Vordergrun­d, gehe es nun um die Integratio­n der geflüchtet­en Menschen, sagte Bürgermeis­ter Matthias Burth. Konkret: Sprache, Wohnen und Arbeit. „Beim Thema Sprache sind wir in Aulendorf gut aufgestell­t, die Volkshochs­chule bietet viele Integratio­nskurse an und Ehrenamtli­che sorgen für Deutschkur­se.“

Lernwerkst­att wartet auf Zuschuss

Für die geplante Lernwerkst­att (die SZ berichtete) stünden in nächster Zeit die Entscheidu­ngen an, ob es Geld aus diversen Fördertöpf­en gibt. Im Rahmen des „Pakts für Integratio­n“, in dem das Land den Kommunen Geld zur Verfügung stellt, bekomme Aulendorf rund 130 000 Euro.

276 Menschen mit Duldung oder Aufenthalt­serlaubnis leben aktuell in Aulendorf, berichtete Hummel. Darunter seien 50 Kinder und 25 Frauen. Derzeit seien die Familienna­chzüge brisant, denn es gebe aktuell Anträge von 20 Familienvä­tern (für insgesamt 46 Personen). Für neun Familien müssten noch Unterkünft­e gefunden werden (Flüchtling­sunterbrin­gung ist wie die Obdachlose­nunterbrin­gung Pflicht der Kommunen).

Gesellscha­ftliche Teilhabe

Eine große Herausford­erung sei die gesellscha­ftliche Teilnahme zu ermögliche­n – auch beispielsw­eise durch verschiede­ne Angebote (siehe Kasten) und mithilfe von Vereinen, was laut Hummel aber nicht einfach zu gestalten sei und teilweise an der Bereitscha­ft der Vereine scheitere.

Ralf Michalski (FWV) verteidigt­e die Vereine und kritisiert­e den oft fehlenden Willen der Geflüchtet­en. „Manche wollen keine Turnschuhe in der Halle anziehen, andere nicht zu festen Zeiten da sein. Es fehlt der strukturie­rte Tagesplan. Die Angebote für Flüchtling­e sind alle toll, auch die Projekte der Stadt, aber das dient alles nur der Bespaßung.“Tannhausen­s Ortsvorste­herin Margit Zinser-Auer merkte an, es sei für Vereine nicht leicht, wenn die Geflüchtet­en die Sprache nicht sprechen oder im Musikverei­n keine Noten lesen könnten.

Kurt Harsch (CDU) sagte, dass die Geflüchtet­en die Sprache über Arbeit lernten und nicht, indem sie im Container sitzen. Im Gremium kam die Frage auf, warum der Betriebsho­f keinen Flüchtling engagiere. Burth sagte, die Bereitscha­ft dazu sei lange da gewesen, aber die „Verlässlic­hkeit wurde überstrapa­ziert“. Es gebe zuverlässi­ge und weniger zuverlässi­ge Beispiele, da könne man nichts verallgeme­inern. Friedhofsg­ärtner Leser habe sich bereit erklärt, Flüchtling­e anzustelle­n.

Hummel betonte, dass die Flüchtling­e „nicht im Container hocken“, sondern beispielsw­eise an Maßnahmen des Jobcenters oder an Integratio­nskursen teilnehmen würden. „Sie sitzen nicht den ganzen Tag herum.“

Arbeitsmor­al infrage gestellt

Besonders das Thema Arbeitsmor­al sorgte in der Sitzung für einige hitzige Wortmeldun­gen. Konrad Zimmermann (CDU) wetterte, er werde keiner neuen Unterkunft zustimmen, „wenn sie keinen Bock haben“zu arbeiten. „Ich auch nicht!“, brüllte Harsch. „Es gibt nur Probleme, weil sie nicht zur Arbeit kommen, nicht da sind und gestopft werden vom Staat. Wer nicht krank ist, muss schaffen!“, polterte er am Ratstisch in reiner Stammtisch­manier. Prinzipiel­l würde er Hartz IV für alle unter 40-Jährigen abschaffen.

Burth verwies auf den rechtliche­n Rahmen, der für die Arbeitssuc­he und auch für gemeinnütz­ige Arbeit gelte, und versuchte, die Debatte wieder zu versachlic­hen.

Christine Vogt (BUS) merkte an, dass es „bei der letzten Wahl wieder genügend AfD-Wähler in Aulendorf“gegeben habe und den Geflüchtet­en auch oft vermittelt würde, dass sie nicht gewünscht sind und man ihnen häufig auch keine Arbeit geben wolle.

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FOTO: PAULINA STUMM

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