Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
„Ökumene einen Schub gegeben“
Evangelischer Pfarrer Wolfgang Bertl lädt alle Christen zum Gottesdienst ein.
BAD WALDSEE - Der 31. Oktober ist ein hoher Feiertag für die evangelischen Christen. An diesem Tag soll Martin Luther anno 1517 seine 95 Thesen an die Tür der Wittenberger Schlosskirche angeschlagen haben. Im Jubiläumsjahr der Reformation ist dieser letzte Oktobertag sogar bundesweit arbeitsfrei, und die evangelische Kirchengemeinde Bad Waldsee feiert abends einen besonderen Festgottesdienst. Für die „Schwäbische Zeitung“hat Sabine Ziegler bei Pfarrer Wolfgang Bertl nachgefragt.
Herr Bertl, Ihre Kirchengemeinde hat sich für den diesjährigen Reformationstag etwas Besonderes einfallen lassen. Erzählen Sie doch bitte ...
Wir werden am Abend einen festlichen Gottesdienst nach der Form der „Deutschen Messe“feiern. Die Kirche am Abend im Kerzenlicht ist dabei allein schon ein besonderes Erlebnis. Unser Chor „cantAmus“ist bereits in den Vorbereitungen, um auch die Gemeinde in den liturgischen Gesängen mit anzuleiten. Dieser Liturgieablauf ist in Bad Waldsee nicht üblich. Musikalisch wird der Gottesdienst daher sicherlich auch etwas Besonderes. Und mit Birgit Oehme, Christine Schramm und mir gestalten zwei Pfarrerinnen und ein Pfarrer diese Messe gemeinsam.
Wodurch unterscheidet sich diese urlutherische Gottesdienstform denn genau von der heutigen?
In anderen evangelischen Landeskirchen ist diese Form die „Normalform“– etwa in Bayern. Nur wir hier in Württemberg sind diese Form nicht gewöhnt, da die schmale Liturgie aus der reformierten Tradition übernommen wurde. Die lutherische „Deutsche Messe“ist dagegen der katholischen Messfeier noch viel ähnlicher. So werden etliche Teile der Liturgie gesungen und nicht gesprochen. An manchen Stel- len ist die Messe vielleicht sogar noch „archaischer“als die jetzige katholische Form.
Die bisherigen Veranstaltungen im „Lutherjahr“hatten auch in Bad Waldsee eine ökumenische Note. Wie halten Sie das mit Ihren Kollegen von der katholischen Seelsorgeeinheit an diesem 31. Oktober?
Die Kollegen haben ihr Kommen bereits angekündigt, was uns sehr freut. Wir wollen ja mit dem Gottesdienst auch den Abschluss eines außergewöhnlichen Jahres für die Ökumene feiern – auch im Anschluss an diesen Gottesdienst. Ich vermute, dass sich die katholischen Christinnen und Christen in diesem Gottesdienst fast schon zu Hause fühlen werden. Und selbstverständlich sind dazu alle eingeladen, mit uns zu feiern. Nach unserem Verständnis ist das heilige Abendmahl eine Feier am Tisch des Herrn und nicht einer bestimmten Kirche. Und dennoch muss sich niemand genötigt fühlen, am Abendmahl teilzunehmen. Einheit braucht Zeit und will nicht erzwungen werden.
Blick zurück auf das Reformationsjubiläum: Ist die Ökumene dadurch auch in der Kurstadt wieder etwas vorangekommen oder sind Sie ganz zufrieden mit dem „Status quo“?
Das Reformationsjubiläum hat der Ökumene in Bad Waldsee einen gehörigen Schub gegeben. Sie ist nicht nur „etwas“vorangekommen. Das Interesse an den Veranstaltungen war geradezu überwältigend – wie etwa beim ökumenischen Gottesdienst in der Stadthalle oder bei den Vortragsabenden. Es war seit 500 Jahren in der Tat das erste Reformationsjubiläum, das sich nicht in Abgrenzung geübt hat oder als eine Art „Heldengedenken“inszeniert wurde. Viel mehr wurden ganz bewusst die gemeinsamen Wurzeln hervorgehoben – in versöhnter Verschiedenheit. Und daran werden wir weiter arbeiten – und gemeinsam feiern.
Der Festgottesdienst anlässlich des Reforamtions-Jubiläums am Dienstag, 31. Oktober, beginnt um 19 Uhr in der evangelischen Kirche in Bad Waldsee.