Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Die EZB nimmt den Fuß vom Gas
Ab dem kommenden Jahr entzieht die Europäische Zentralbank (EZB) dem Finanzsystem Monat für Monat 30 Milliarden Euro. Damit reduzieren die Eurowährungshüter ihre Anleiheankäufe etwas stärker, als Finanzexperten vorab erwartet hatten. Noch bis Ende 2017 pumpt die EZB auf diese Weise monatlich 60 Milliarden Euro in den Geldkreislauf, um die Inflation anzutreiben und das Wirtschaftswachstum in der Eurozone zu stützen.
Ursprünglich sollte dann Schluss sein. Doch EZB-Chef Mario Draghi ist schon seit Längerem der Meinung, dass es ohne die krisenbedingten Sondermaßnahmen noch nicht geht. Ihn stört vordergründig die niedrige Inflation. Hintergründig dürften die finanziell angeschlagenen Staaten der Europeripherie eine Rolle spielen. Höhere Zinsen wären Gift für die Länder. Und deshalb behält sich der Italiener auch vor, das umstrittene Programm über das auf September 2018 hinausgeschobene Ende in Umfang und Dauer abermals auszuweiten – falls nötig.
Draghi nimmt damit allenfalls etwas den Fuß vom Gas der ultralockeren Geldpolitik. Gerade eben so viel, dass ihm die Kritiker in den eigenen Reihen – allen voran Bundesbankpräsident Jens Weidmann – nicht aufs Dach steigen. Einmal mehr zeigen sich die Schwierigkeiten für die Notenbanker, eine solch heterogene Staatengemeinschaft wie die Eurozone über einen geldpolitischen Kamm zu scheren. Und einmal mehr zeigen sich die fatalen Auswirkungen einer Politik, in der vereinbarte Stabilitätskriterien nicht das Papier wert sind, auf dem sie stehen.
Was heißt das nun für den Einzelnen? Zunächst einmal nicht viel. An der faktischen Abschaffung der Zinsen ändert sich nichts. Der für Sparer wichtige Leitzins, der seit März 2016 bei null Prozent liegt, bleibt unangetastet. Ob sich daran mittelfristig etwas ändert, ist ungewiss. Ein Blick nach Japan zeigt, wie lange sich eine Phase billigen Geldes hinziehen kann, wenn sich die Akteure einmal daran gewöhnt haben. Seit mehr als 20 Jahren liegt der Zinssatz im Land der aufgehenden Sonne nahe null Prozent.