Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Boykotteur
Raila Odinga ist voll des Lobes für Otto von Bismarck. „Ich bin mit der deutschen Geschichte sehr vertraut“, eröffnet Kenias Oppositionsführer den erstaunten Zuhörern in einem Vortrag, der auf der Internetplattform Youtube zu sehen ist. Bismarck habe aus den unterschiedlichen deutschen Ländern eine Nation, ein Volk geformt, erläutert Odinga. Und daran sollten sich die Kenianer ein Vorbild nehmen.
In Wahrheit ist die innere Einheit Kenias, wo am Donnerstag ein neuer Präsident gewählt wurde, wieder einmal bedroht. Und die Verantwortung dafür liegt zu einem Teil bei Raila Odinga.
Der langjährige Oppositionsführer und frühere Ministerpräsident, der zwischen 1962 und 1970 in Magdeburg studiert hat, kandidierte bereits viermal für das Amt des kenianischen Präsidenten, zuletzt im August dieses Jahres. Zwar verlor Odinga nach offizieller Auszählung mit 45 Prozent der Stimmen gegen Amtsinhaber Uhuru Kenyatta, doch anschließend errang er einen überraschenden Sieg: Kenias oberste Richter warfen der Wahlkommission Fehler vor, annullierten die Wahl und setzten eine Wiederholung an. Deswegen gingen die Kenianer am Donnerstag erneut an die Urnen. Und erneut kam es zu Ausschreitungen zwischen den verfeindeten Lagern, mehrere Menschen kamen ums Leben.
Gewalt im Umfeld von Wahlen ist in Kenia nicht neu: Nach der Abstimmung 2007 starben mehr als 1000 Menschen, rund 150 000 wurden in die Flucht getrieben. Die Gefahr, dass sich so etwas wiederholen könnte, ist nicht gebannt.
Von der Einheit des Volkes spricht Bismarck-Freund Odinga nur in Sonntagsreden. Tatsächlich stehen seine Leute dem Regierungslager in nichts nach, wenn es darum geht, die eigenen Anhänger aufzuwiegeln. Bei der Wahlwiederholung hat Odinga zum Boykott aufgerufen. Das dürfte die Spannungen in Westafrikas wichtigster Wirtschaftsnation weiter verschärfen. Ulrich Mendelin