Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Ein Ort des Abschieds, ein Ort des Lebens
Ab Dezember können schwerstkranke Kinder und Jugendliche in Stuttgart das erste stationäre Kinder- und Jugendhospiz in Baden-Württemberg beziehen
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STUTTGART (epd) - Aufbruchsstimmung herrscht auf dem Gelände des ehemaligen französischen Generalkonsulats an der Diemershalde in Stuttgart. Der Evangelische Kirchenkreis Stuttgart hat die denkmalgeschützte Villa für die Erweiterung seines Hospizes 2011 erworben. Nach bald neun Jahren Planung und zwei Jahren Bauzeit stehen nun die feierliche Einweihung und Anfang Dezember der Bezug des ersten stationären Kinder- und Jugendhospizes in Baden-Württemberg bevor.
Zentrumsnah und doch im Grünen wird das Haus nicht nur den stationären und ambulanten Bereich des Kinderhospizes beherbergen. Auch die Aus- und Weiterbildungsstätte Elisabeth-Kübler-Ross-Akademie, die Sitzwache und die Verwaltung des Hospizes haben auf den 2000 Quadratmetern Nutzfläche Räume erhalten. Alles zusammen ist eingebettet in 6000 Quadratmetern Parkanlage mit altem Baumbestand.
Im neo-klassizistischen Hauptgebäude haben acht Patientenzimmer für schwersterkrankte Kinder und Jugendliche Platz gefunden. Darüber hinaus gibt es in dem Gebäude Therapieund Beratungsräume, ein Bewegungsbad, eine Cafeteria, einen Speise- und einen Veranstaltungssaal. Dank moderner Multimediatechnik und eines gespendeten Flügels sollen hier einmal Kino, Kabarett und Konzerte stattfinden – doch das ist noch Zukunftsmusik.
„Wir möchten Raum für Begegnungen schaffen. Raum zum Auftanken, Durchatmen – und, ja, auch zum Feiern“, sagt Elisabeth KunzeWünsch, die Gesamtleiterin des Hospizes Stuttgart. Sie führt weiter aus: „Im Kinderhospiz geht es weniger um das Sterben als vielmehr um die Frage, wie man mit der Krankheit möglichst lange möglichst gut lebt.“
Eine lebensverkürzende Erkrankung eines Kindes ist eine immense Belastung für die ganze Familie. Rund 3000 Kinder und Jugendliche in Baden-Württemberg sind davon betroffen – und ihre Eltern und Geschwister. Für deren persönliche Bedürfnisse bleibt oftmals wenig Zeit. Im Stuttgarter Kinderhospiz finden Familien zukünftig eine Oase zum Kraftschöpfen. Prälat i.R. Martin Klumpp, Mitbegründer des Hospizes Stuttgart und Erster Vorsitzender von dessen Förderverein, bezeichnet das Haus deshalb als „heilsame Herberge auf Zeit“.
Ein betroffenes Kind kann ab der Diagnosestellung für vier Wochen alleine oder mit der ganzen Familie aufgenommen werden. Dafür sind in einem weiteren, zum historischen Ensemble gehörenden Gebäude, dem Atelierhaus, drei Familienappartements und Gästezimmer entstanden. Den erkrankten Kindern, seinen Eltern und Geschwistern stehen jeweils eigene „Unterstützer“zur Seite. Dreißig Stellen wurden für das Kinderhospiz geschaffen, für die rund vierzig Teil- und Vollzeitbeschäftigte eingestellt wurden. Außerdem engagieren sich in der Evangelischen Hospiz-Stiftung etwa 350 Ehrenamtliche.
In der neuen Einrichtung erwartet Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene bis 27 Jahre ein an ihre individuellen Bedürfnisse angepasstes vielfältiges Angebot. So gibt es neben dem therapeutischen Bewegungsbad Spiel- und Bastelräume, einen Musiktherapieraum mit Klangwiege, eine Kreativwerkstatt und einen sogenannten „Snoezelenraum“. Das ist ein warmer, kuscheliger Ort, der mit leisen Klängen, Farb- und Lichteffekten die Sinne anregt und ein Gefühl von Geborgenheit und Entspannung gibt.
Die stationäre Unterbringung der erkrankten Kinder finanzieren gemeinsam Krankenkasse und Pflegeversicherung. Um auch Familienangehörigen den Aufenthalt zu ermöglichen und um die erforderliche Spezialausstattung – ein Pflegebad für schwerstkranke Kinder kostet beispielsweise 75 000 Euro, die Spezialbetten je 10 000 Euro – zu gewährleisten, ist das Hospiz in hohem Maße auf Spenden angewiesen. Neben dem Förderverein Hospiz Stuttgart unterstützt die junge Initiative „Hand-in-Hand“als gemeinnütziger Verein die Arbeit des Kinder- und Jugendhospizes. Beide ermöglichen, dass an diesem Ort der Begegnung sowohl Abschied und Trauer gelebt, als auch Leben gefeiert werden kann.