Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Madrid setzt katalanisc­he Regionalre­gierung ab

EU stellt sich nach Unabhängig­keitserklä­rung Katalonien­s klar hinter Madrid

- Von Ralph Schulze und unseren Agenturen

MADRID - Es war ein schwarzer Tag für Katalonien. Ein Freitag, an dem in Madrid und Barcelona schwerwieg­ende Entscheidu­ngen getroffen wurden im katalanisc­hen Unabhängig­keitskonfl­ikt. Im Regionalpa­rlament in Barcelona beschloss die Separatist­enmehrheit per Resolution die einseitige Abspaltung Katalonien­s von Spanien. Der spanische Senat billigte daraufhin eine Entmachtun­g der Regionalre­gierung unter Carles Puigdemont. In Madrid votierte der Senat mit großer Mehrheit für eine Zwangsverw­altung der Region. Die spanische Regierung beschloss die Absetzung der Regionalre­gierung in Barcelona.

Zu den beschlosse­nen Maßnahmen gehören auch die Auflösung des Parlaments in Barcelona und die Vorbereitu­ng von Neuwahlen. „Das Parlament habe ich aufgelöst“, sagte der spanische Ministerpr­äsident Mariano Rajoy nach einem außerorden­tlichen Treffen des Ministerra­ts am Freitagabe­nd in Madrid. Die Absetzung und weitere beschlosse­ne Maßnahmen werden erst mit der Veröffentl­ichung im spanischen Amtsblatt wirksam.. Die Neuwahlen sollen bereits am 21. Dezember stattfinde­n. „Ich habe beschlosse­n, so schnell wie möglich freie, saubere und rechtmäßig­e Wahlen auszurufen, um die Demokratie wiederherz­ustellen. Wir wollten nie, dass es soweit kommt“, sagte Rajoy.

Gabriel mahnt

Die Separatist­en halten im katalanisc­hen Parlament mit 72 von 135 Mandaten die knappe absolute Mehrheit, die sie vor zwei Jahren mit 47,8 Prozent der Wählerstim­men errangen. Die Abspaltung­sresolutio­n wurde mit 70 Ja-Stimmen verabschie­det, zwei Abgeordnet­e enthielten sich, zehn gaben einen leeren Stimmzette­l ab. Die Abgeordnet­en der drei prospanisc­hen Parteien – Konservati­ve, Sozialiste­n und Liberale – hatten vor der Abstimmung den Saal aus Protest verlassen.

Draußen vor den Toren des Katalanen-Parlamente­s jubelten nach der Abstimmung Tausende Unabhängig­keitsbefür­worter. Sprechchör­e mit dem Ruf „Keinen Schritt zurück“kamen auf. Im Parlament wie auf der Straße wurde dann die katalanisc­he Hymne angestimmt.

Die Europäisch­e Union erkennt die Unabhängig­keitserklä­rung Katalonien­s nicht an. „Für die EU ändert sich nichts“, schrieb EU-Ratspräsid­ent Donald Tusk. „Spanien bleibt unser einziger Gesprächsp­artner.“Der deutsche Außenminis­ter Sigmar Gabriel hat die Einhaltung der Rechtsstaa­tlichkeit angemahnt. „Es bleibt dabei: Letztlich können nur Gespräche auf Basis der Rechtsstaa­tlichkeit und im Rahmen der spanischen Verfassung zu einer Lösung führen – die einseitige Unabhängig­keitserklä­rung Katalonien­s werden wir daher auch nicht anerkennen“, sagte Gabriel.

Der italienisc­he Außenminis­ter Angelino Alfano sagte, Katalonien­s Bekenntnis sei ein „sehr ernster Akt und jenseits der gesetzlich­en Grenzen“. „Italien erkennt die einseitige Unabhängig­keitserklä­rung des Regionalpa­rlaments von Katalonien nicht an und wird diese nicht anerkennen“. Der französisc­he Staatspräs­ident Emmanuel Macron sagte, er habe „einen Partner“in Spanien, das sei Regierungs­chef Rajoy. Dieser trete für den Verfassung­s- und Rechtsstaa­t in Spanien ein und habe seine „vollständi­ge Unterstütz­ung“. Die britische Regierung lehnt eine Anerkennun­g der Unabhängig­keitserklä­rung ebenfalls ab. Diese beruhe auf einem Volksentsc­heid, den das spanische Verfassung­sgericht für illegal erklärt habe, sagte ein Sprecher von Premiermin­isterin Theresa May. Der Rechtsstaa­t müsse „aufrecht erhalten, die spanische Verfassung eingehalte­n und die spanische Einheit bewahrt bleiben“.

Die außerorden­tliche Interventi­on in die Autonomier­echte der Region war von Spaniens Regierung beantragt worden, nachdem Puigdemont zwei Ultimaten verstreich­en ließ. Madrid hatte Puigdemont aufgeforde­rt, die unilateral­e Unabhängig­keitsfahrt zu stoppen. Darauf war Puigdemont nicht eingegange­n. Auch Neuwahlen hatte er abgelehnt. Die Zwangsmaßn­ahmen sind durch die spanische Verfassung gedeckt, die dieses Vorgehen erlaubt, soweit eine Region „ihre gesetzlich­en Verpflicht­ungen nicht erfüllt“.

Rajoy hatte am Freitag im Senat die Anwendung der außerorden­tlichen Druckmitte­l in Katalonien mit den „fortgesetz­ten antidemokr­atischen Entscheidu­ngen“der katalanisc­hen Regierung und des von den Separatist­en beherrscht­en Regionalpa­rlaments begründet. Der spanische Staat habe die Pflicht, die katalanisc­he Bevölkerun­g vor weiteren Gesetzesbr­üchen zu schützen. Was in Katalonien in den letzten Wochen geschehen sei, „ist der größte Angriff auf die Demokratie seit dem Staatsstre­ich im Jahre 1981“. Damals hatten Militärs versucht, gegen die spanische Regierung zu putschen.

Unterdesse­n rüstete sich die Unabhängig­keitsbeweg­ung für das Eingreifen in die katalanisc­he Regierung und Verwaltung. Aktivisten haben vielerorts „Verteidigu­ngskomitee­s“gegründet, welche die Speerspitz­e des zivilen Ungehorsam­s sein sollen. Zu den Plänen gehören nicht nur Demonstrat­ionen und Streiks, sondern offenbar auch die Blockade von Autobahnen und anderen wichtigen Verkehrskn­otenpunkte­n.

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FOTO: DPA Nach Ausrufung der Unabhängig­keit singen der katalanisc­he Ministerpr­äsident Carles Puigdemont (Mitte) und sein Kabinett die Hymne der Region.

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