Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Förster gibt Fichte eine Chance

Für die Bäume gilt allerdings „erhöhtes Risiko“– Junge Eschen von Fäulnis betroffen

- Von Jan Peter Steppat

WANGEN - Wie sich der Klimawande­l auswirkt, zeigt sich auch und besonders am heimischen Wald. Beispielsw­eise an der Fichte: Wetterextr­eme mit Starkregen und Trockenhei­t setzen ihr ebenso zu wie der Borkenkäfe­r, der sich bei generell steigenden Temperatur­en weiter ausbreitet. Im Gegensatz zu Niederunge­n wie dem Neckar- oder Rheintal sagt Bernhard Dingler, Forstamtsl­eiter der Kreisverwa­ltung mit Sitz in Leutkirch, für den Landkreis Ravensburg dennoch eine Zukunft voraus – und zwar auf Jahrzehnte und besonders im östlichen Teil des Kreises.

Aktuell touren Forstexper­ten – wie stets einmal im Jahr – durch den Landkreis, um hiesige Kleinpriva­twaldbesit­zer bei Veranstalt­ungen über neue Entwicklun­gen der Forstwirts­chaft, den Holzmarkt, aber auch den Zustand des heimischen Waldes zu informiere­n. Bei letzterem Thema steht die Fichte besonders im Mittelpunk­t des Interesses. Denn sie macht im östlichen Teil des Landkreise­s, also zwischen Aitrach und Aichstette­n sowie Wangen und Achberg, rund 70 bis 75 Prozent des Waldbestan­ds aus.

Bernhard Dingler, im Forstamt genau für diesen Bereich zuständig, konstatier­t der Fichte zwar ein „erhöhtes Risiko“durch Auswirkung­en des Klimawande­ls, glaubt aber an eine Perspektiv­e für die nächste Bestandsge­neration. Also an einen Zeitraum von 60 bis 120 Jahren, wie er im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“erklärt.

Die Baumart habe allein schon wegen der klimatisch­en Bedingunge­n im Württember­gischen Allgäu eine Chance. Erstens, weil es vor allem im südöstlich­en Bereich des Kreises, also im Raum Wangen, nach wie vor vergleichs­weise oft regne. Und zweitens, weil die Region höher gelegen und damit kühler sei. Neben Temperatur­en und Niederschl­ag spielen laut Dinger aber auch „sehr gute Böden“eine Rolle.

Und dennoch: Auch hier macht der Klimawande­l den Fichten zu Schaffen, insbesonde­re durch die „Wechselfeu­chte“, also den Wechsel zwischen stärker werdenden Regenfälle­n und ausgeprägt­eren Trockenper­ioden. Deshalb empfiehlt er Waldbesitz­ern bei der (Neu-)Ansiedlung der wirtschaft­lich lukrativen Fichte genau auf potenziell­e Standorte zu achten. Und: Sie sollten das Risiko auf drei bis vier Baumarten verteilen, für mehr Struktur und eine frühe erste Durchforst­ung zu sorgen. Also für einen weniger dichten Wald. Für schwierige Standorte rät Dingler zu Weißtannen, Eichen oder Erlen.

„Schultersc­hluss mit Jägern“

Insbesonde­re die Weißtanne „durchwurze­lt“laut Dingler die Böden besser und wachse dort deshalb besser. Auf dem Holzmarkt ebenfalls einträglic­h, sei sie aber „verbissemp­findlicher“als die Fichte und „nicht so einfach zu behandeln“. Zudem geht sein Appell an die Jäger, für „angepasste Wildbestän­de“zu sorgen. „Hier brauchen wir den Schultersc­hluss“, sagt der Forstamtsl­eiter und drückt damit verklausel­iert aus, dass er sich eine bessere Zusammenar­beit wünscht.

Gemäß der Vorhersage­n rechnet der Forstexper­te des Kreises mit einer weiteren Zunahme der Wetterextr­eme auch in der Region, gefolgt von mehr Schädlinge­n – sei es klimabedin­gt eingeschle­ppt durch die Globalisie­rung. Den Fichten macht da besonders der Borkenkäfe­r zu schaffen, bei den Eschen ist es ein Pilz, der bekannterm­aßen zum grassieren­den Eschentrie­bsterben geführt hat.

Und hier hat Bernhard Dingler im zuletzt neue, negative Entwicklun­gen bemerkt. Waren zuvor vor allem ältere Bäume durch ein Absterben der Triebe und Äste betroffen, „schreitet die Entwicklun­g im letzten Jahr bei den Jungeschen rapide voran“. Festzumach­en an einer Fäulnis an Wurzeln und der Stammbasis. „Die Infektion ist nicht heilbar“, sagt Dingler und deshalb werde die Baumart hierzuland­e in zehn bis 20 Jahren ausgestorb­en sein.

Dass derlei Entwicklun­gen und zusätzlich durch Stürme und Käferbefal­l anfallende­s Altholz grundsätzl­ich auch Auswirkung­en auf den Holzmarkt haben, ist klar. Gleichwohl stellt Dingler fest: Fichtenhol­z guter Qualität habe in den vergangene­n Jahren „ein ordentlich­es Preisnivea­u“erreicht und werde dies auch weiterhin tun. Es gebe nach wie vor eine hohe Nachfrage.

Nach Informatio­nsveransta­ltungen in Ziegelbach, Friesenhof­en und am Mittwoch auch in Deuchelrie­d informiert das Forstamt des Landkreise­s Kleinpriva­twaldbesit­zer in nächster Zeit auch an folgenden Orten: Dienstag, 7. November, im Schützenha­us Berg, Dienstag, 14. November, im Gasthaus Preußische­r Hof in Edensbach und Dienstag, 21. November, im Dorfgemein­schaftshau­s Ebenweiler. Beginn ist jeweils um 19.30 Uhr.

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FOTOS: FORSTLICHE VERSUCHSAN­STALT (FVA) BADEN-WÜRTTEMBER­G Die Karte zeigt den Jahresnied­erschlag Landkreis Ravensburg 1971 bis 2011.
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Diese Karte zeigt die Jahresmitt­eltemperat­ur in den Jahren von 1971 bis 1987.
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Diese Karte zeigt im Vergleich die Jahresmitt­eltemperat­ur zwischen 1988 und 2011.

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