Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Förster gibt Fichte eine Chance
Für die Bäume gilt allerdings „erhöhtes Risiko“– Junge Eschen von Fäulnis betroffen
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WANGEN - Wie sich der Klimawandel auswirkt, zeigt sich auch und besonders am heimischen Wald. Beispielsweise an der Fichte: Wetterextreme mit Starkregen und Trockenheit setzen ihr ebenso zu wie der Borkenkäfer, der sich bei generell steigenden Temperaturen weiter ausbreitet. Im Gegensatz zu Niederungen wie dem Neckar- oder Rheintal sagt Bernhard Dingler, Forstamtsleiter der Kreisverwaltung mit Sitz in Leutkirch, für den Landkreis Ravensburg dennoch eine Zukunft voraus – und zwar auf Jahrzehnte und besonders im östlichen Teil des Kreises.
Aktuell touren Forstexperten – wie stets einmal im Jahr – durch den Landkreis, um hiesige Kleinprivatwaldbesitzer bei Veranstaltungen über neue Entwicklungen der Forstwirtschaft, den Holzmarkt, aber auch den Zustand des heimischen Waldes zu informieren. Bei letzterem Thema steht die Fichte besonders im Mittelpunkt des Interesses. Denn sie macht im östlichen Teil des Landkreises, also zwischen Aitrach und Aichstetten sowie Wangen und Achberg, rund 70 bis 75 Prozent des Waldbestands aus.
Bernhard Dingler, im Forstamt genau für diesen Bereich zuständig, konstatiert der Fichte zwar ein „erhöhtes Risiko“durch Auswirkungen des Klimawandels, glaubt aber an eine Perspektive für die nächste Bestandsgeneration. Also an einen Zeitraum von 60 bis 120 Jahren, wie er im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“erklärt.
Die Baumart habe allein schon wegen der klimatischen Bedingungen im Württembergischen Allgäu eine Chance. Erstens, weil es vor allem im südöstlichen Bereich des Kreises, also im Raum Wangen, nach wie vor vergleichsweise oft regne. Und zweitens, weil die Region höher gelegen und damit kühler sei. Neben Temperaturen und Niederschlag spielen laut Dinger aber auch „sehr gute Böden“eine Rolle.
Und dennoch: Auch hier macht der Klimawandel den Fichten zu Schaffen, insbesondere durch die „Wechselfeuchte“, also den Wechsel zwischen stärker werdenden Regenfällen und ausgeprägteren Trockenperioden. Deshalb empfiehlt er Waldbesitzern bei der (Neu-)Ansiedlung der wirtschaftlich lukrativen Fichte genau auf potenzielle Standorte zu achten. Und: Sie sollten das Risiko auf drei bis vier Baumarten verteilen, für mehr Struktur und eine frühe erste Durchforstung zu sorgen. Also für einen weniger dichten Wald. Für schwierige Standorte rät Dingler zu Weißtannen, Eichen oder Erlen.
„Schulterschluss mit Jägern“
Insbesondere die Weißtanne „durchwurzelt“laut Dingler die Böden besser und wachse dort deshalb besser. Auf dem Holzmarkt ebenfalls einträglich, sei sie aber „verbissempfindlicher“als die Fichte und „nicht so einfach zu behandeln“. Zudem geht sein Appell an die Jäger, für „angepasste Wildbestände“zu sorgen. „Hier brauchen wir den Schulterschluss“, sagt der Forstamtsleiter und drückt damit verklauseliert aus, dass er sich eine bessere Zusammenarbeit wünscht.
Gemäß der Vorhersagen rechnet der Forstexperte des Kreises mit einer weiteren Zunahme der Wetterextreme auch in der Region, gefolgt von mehr Schädlingen – sei es klimabedingt eingeschleppt durch die Globalisierung. Den Fichten macht da besonders der Borkenkäfer zu schaffen, bei den Eschen ist es ein Pilz, der bekanntermaßen zum grassierenden Eschentriebsterben geführt hat.
Und hier hat Bernhard Dingler im zuletzt neue, negative Entwicklungen bemerkt. Waren zuvor vor allem ältere Bäume durch ein Absterben der Triebe und Äste betroffen, „schreitet die Entwicklung im letzten Jahr bei den Jungeschen rapide voran“. Festzumachen an einer Fäulnis an Wurzeln und der Stammbasis. „Die Infektion ist nicht heilbar“, sagt Dingler und deshalb werde die Baumart hierzulande in zehn bis 20 Jahren ausgestorben sein.
Dass derlei Entwicklungen und zusätzlich durch Stürme und Käferbefall anfallendes Altholz grundsätzlich auch Auswirkungen auf den Holzmarkt haben, ist klar. Gleichwohl stellt Dingler fest: Fichtenholz guter Qualität habe in den vergangenen Jahren „ein ordentliches Preisniveau“erreicht und werde dies auch weiterhin tun. Es gebe nach wie vor eine hohe Nachfrage.
Nach Informationsveranstaltungen in Ziegelbach, Friesenhofen und am Mittwoch auch in Deuchelried informiert das Forstamt des Landkreises Kleinprivatwaldbesitzer in nächster Zeit auch an folgenden Orten: Dienstag, 7. November, im Schützenhaus Berg, Dienstag, 14. November, im Gasthaus Preußischer Hof in Edensbach und Dienstag, 21. November, im Dorfgemeinschaftshaus Ebenweiler. Beginn ist jeweils um 19.30 Uhr.