Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Reform-Katholiken sehen Ökumene als Prüfstein für Glaubwürdi­gkeit

„Wir sind Kirche“-Bewegung tagt in Ulm – Annäherung an Mahlgemein­schaft vor dem Reformatio­nsjubiläum

- Von Ludger Möllers

ULM - Gehen die Menschen zur und in die Kirche? Oder geht die Kirche zu den Menschen? Im gegenwärti­gen Strukturwa­ndel tobt um diese Frage in katholisch­en Kirchenkre­isen eine heftige Diskussion. Geht es doch um die Zukunft bisher gewohnt lokaler Seelsorge und kleinteili­ger Struktur der kirchliche­n Einrichtun­gen – oder um Großpfarre­ien. Die katholisch­e Reformbewe­gung „Wir sind Kirche“, die am Wochenende in Ulm tagte, sieht trotz aller Personal- und Finanzprob­leme der deutschen Bistümer die „kleine Gemeinde als Ort der Nähe“: Die Menschen gehen an ihrem Wohnort dort hin. Größere Einheiten dienten der missionari­schen Sendung, bei der die Kirche sich auf Menschen zubewegt, hieß es während der Tagung der 60 Delegierte­n.

Doch bei einer Tagung katholisch­er Christen am Wochenende vorm Reformatio­nsjubiläum kann es nicht bei der Forderung nach „Orten der Nähe in einem Raum der Weite“, wie es der Innsbrucke­r Pastoralth­eologe Christian Bauer formuliert, bleiben. Und so fordern die Reform-Katholiken die volle Mahlgemein­schaft zwischen Katholiken und Protestant­en. Sie beweisen Solidaritä­t mit dem Papst und beschwören die Vision des geeinten Europa. Im Appell „Feiern wir das Gemeinsame! Was nach dem Ende des 500. Gedenkjahr­es der Reformatio­n zu tun bleibt“nimmt die Ökumene breiten Raum ein.

„Wir sind Kirche“lehnt in dem Neun-Punkte-Papier Lehrstreit­igkeiten ab, „die längst nicht mehr die Fragen der Menschen von heute berühren“. Die Bewegung ruft die Konfession­en dazu auf, sich wechselsei­tig zum Abendmahl einzuladen: Gottesdien­st sei in ökumenisch­er Weite und offen für alle Menschen zu feiern. Die Ökumene bleibe ein Prüfstein für die Glaubwürdi­gkeit des Christentu­ms, sagt Christian Weisner vom Bundesteam der Gruppe.

Dabei stützt sich die Initiative auf neueste Zahlen: Eine Mehrheit der Katholiken ist laut einer Emnid-Umfrage für die Vereinigun­g der Kirchen. 58 Prozent der katholisch­en Befragten hätten sich dafür ausgesproc­hen, 28 Prozent seien dagegen. Unter den Protestant­en lag die Zustimmung demnach bei 47 Prozent, 41 Prozent waren dagegen.

Es kommt selten vor, dass „Wir sind Kirche“mit dem Vorsitzend­en der Deutschen Bischofsko­nferenz, Kardinal Reinhard Marx, auf einer Linie liegt. Doch anlässlich des Reformatio­nstags spricht sich Marx für eine Wiedervere­inigung der christlich­en Kirchen aus. Dieser Weg dürfte noch lang sein: Denn die frühere Vorsitzend­e des Rates der Evangelisc­hen Kirche in Deutschlan­d (EKD), Margot Käßmann, begrüßt zwar die Annäherung der Kirchen, argumentie­rt aber gegen eine Vereinigun­g: „Wir sind verschiede­n.“Gleichzeit­ig wünscht sich die Botschafte­rin für das Reformatio­nsjubiläum ein gemeinsame­s Abendmahl.

In Ulm reißt den Delegierte­n angesichts dieser schwammige­n Formulieru­ngen der Geduldsfad­en. Sie wollen Mahlgemein­schaft – und zwar jetzt: „Beginnen wir als Kirchenvol­k im Vertrauen auf das Wirken der göttlichen Geistkraft mit der Einübung dessen, was die Kirchenlei­tungen noch nicht offiziell zu leisten in der Lage und willens sind“, heißt es in der Erklärung.

 ?? FOTO: DPA ?? Christian Weisner von der Reformgrup­pe „Wir sind Kirche“.
FOTO: DPA Christian Weisner von der Reformgrup­pe „Wir sind Kirche“.

Newspapers in German

Newspapers from Germany