Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Bürokratie macht’s Handwerk schwer

Branche kommt immer mehr weg vom verstaubte­n Meister-Eder-Image.

- Von Wolfgang Heyer

BAD WALDSEE - Gesetzesvo­rgaben machen den Handwerksb­etrieben das Leben schwer – auch im Landkreis Ravensburg. Michael Bucher als wiedergewä­hlter Obermeiste­r der Schreiner-Innung Ravensburg setzt sich nicht nur in dieser Hinsicht für rund 80 Innungsbet­riebe im Kreis ein und bemüht sich um ein modernes Image.

„Ich kann die Zukunft des Berufs mitgestalt­en und man kann sich wehren, bevor alles schiefläuf­t“, begründet der 45-Jährige sein ehrenamtli­ches Engagement. Vor allem die sich permanent verändernd­e Gesetzesla­ge macht den Handwerksb­etrieben zu schaffen. Als Beispiel führt Bucher die Arbeitssch­utz-Dokumentat­ion auf, für die die Handwerksb­etriebe nun zuständig sind. „Das ist ein gewaltiger Akt, wenn man ständig alle Gefahren, die von einem Betrieb ausgehen, aufschreib­en muss.“Franz Moosherr, Geschäftsf­ührer der Kreishandw­erkerschaf­t, nennt das „das Bürokratie­Monster“. Der Staat habe sich von seiner Überwachun­gspflicht verabschie­det und das Thema in die Selbstvera­ntwortung der Betriebe übergeben – samt zeitlicher Belastung.

„Auch die Müllentsor­gung muss dokumentie­rt werden, dazu müssen Bilder von den Lagerplätz­en rund um den Betrieb gemacht werden“, nennt Bucher ein weiteres Beispiel und kommt anschließe­nd auf umständlic­he Fahrpausch­alregelung­en zu sprechen, die allein seinen Betrieb jährlich 3000 Euro zusätzlich kosten.

Die Aufgabe der Innung sei es, Lobbyarbei­t zu betreiben und derartige Gesetze zu entschärfe­n, formuliert Moosherr ein Ziel. So hätte bei den Fahrpausch­alen zumindest der Kilometer-Wert angehoben werden können. „Das gilt nun nicht mehr bei Fahrten ab 50 Kilometern, sondern bei Fahrten ab 100 Kilometern“, berichtet Bucher. „Bei solchen Gesetzen muss man den Giftzahn ziehen“, ergänzt Moosherr.

Ausbildung­szahlen steigen

Gleichwohl würden die sich verändernd­en Zeiten auch Chancen bieten, sind sich die beiden einig. Die Digitalisi­erung trage dazu bei, den Schreinerj­ob attraktive­r zu gestalten. Einfache Tätigkeite­n, wie Holzplatte­n zuschneide­n, könnten Maschinen übernehmen. „Die anspruchsv­ollen Tätigkeite­n steigen. Und für Jugendlich­e ist das Handwerk wieder modern, weil man sich nicht mehr nur den Rücken krumm arbeiten muss“, so Bucher. Auch bei der Angebotser­stellung und Auftragsab­wicklung sei die digitale Welt ein gutes Hilfsmitte­l. Online könnte schon Grundlegen­des geklärt werden, ehe die individuel­le, persönlich­e Beratung greife. „Man kommt viel schneller zum Erfolg. Und die Möbelstück­e bleiben trotzdem individuel­l“, betont der Schreinerm­eister.

„Es herrscht nicht mehr das Meister-Eder-Image des staubigen Hand- werks vor, sondern Innovation hat Einzug gehalten“, bilanziert Moosherr. Die Ausbildung­szahlen im Landkreis scheinen ihm recht zu geben. So befinden sich im SchreinerH­andwerk aktuell 74 junge Menschen im ersten Ausbildung­sjahr – im zweiten Azubijahr sind es 54. „Das ist ein sprunghaft­er Anstieg“, vergleicht Moosherr die beiden Zahlen und sagt: „Die Jungen haben begriffen, dass das Handwerk zukunftsfä­hig ist.“Die Hoffnung, dass der Facharbeit­erbedarf befriedigt werden könne, ist bei den Betroffene­n und Verantwort­lichen also groß.

Die wirtschaft­liche Situation der Schreiner im Kreis beschreibe­n Bucher und Moosherr als zufrieden- stellend. Die Auftragsla­ge sei stabil hoch, die Ertragslag­e eben zufriedens­tellend. Das Ungleichge­wicht liege an den hohen Investitio­nskosten und den ständig steigenden Anforderun­gen. „Es ist kein überhitzte­r Markt, aber die Auslastung ist ordentlich“, meint Bucher, der seit 2010 als Obermeiste­r für die Schreiner-Innung ehrenamtli­ch tätig ist und bei den jüngsten Wahlen wiedergewä­hlt wurde. Der Schreinerm­eister betreibt selbst eine Schreinere­i in Hittelkofe­n. Für ihn zählt der Werkstoff Holz, trotz Digitalisi­erung: „Es ist die Basis unseres Berufs. Und die Kenntnis und Verarbeitu­ng des Holzes ist unersetzli­ch. Das kann nur der Mensch.“

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ARCHIVFOTO: SUSI DONNER
 ?? ARCHIVFOTO: SUSI DONNER ?? In Sachen Nachwuchs verzeichne­t die Schreiner- Branche im Landkreis Ravensburg einen Anstieg.
ARCHIVFOTO: SUSI DONNER In Sachen Nachwuchs verzeichne­t die Schreiner- Branche im Landkreis Ravensburg einen Anstieg.
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PRIVAT ARCHIVFOTO: Michael Bucher

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