Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Auf Entdeckung­stour im Alten Kino

Im Bürgermuse­um führt eine Zugezogene durch Aulendorfs Heimatgesc­hichte.

- Von Paulina Stumm

AULENDORF - Seit nunmehr zehn Jahren gibt es in Aulendorf ein eigenes, vereinsbet­riebenes Bürgermuse­um. Über drei Stockwerke erstrecken sich dort in einem ehemaligen Stummfilm-Kino zwei stadtgesch­ichtliche sowie eine wechselnde Ausstellun­g. Dabei ist das Gebäude selbst eigentlich schon das erste Ausstellun­gsstück.

Im Erdgeschos­s zeigt Hadwig Schühly-Wiedenmann auf den Boden. Der fällt zum hinteren Ende des Raumes hin ab und erinnert an das Kino, das dort von 1927 bis 1930 beheimatet war. Später waren in dem Gebäude Sozialwohn­ungen angesiedel­t. Der Heimat-, Geschichts- und Museumsver­ein Traditio hat das Haus in einer zehnjährig­en Umbauzeit wieder in einen ursprüngli­cheren Zustand versetzt und 2007 als Museum eröffnet. Im Eingangsbe­reich des Gebäudes, in einer Nische, die einst der Kartenverk­aufsplatz war, laufen heute Bilder von den Bauarbeite­n auf einem Bildschirm.

Ein Traktor, so alt wie die Stadt

Ebenfalls im Erdgeschos­s, wo die Entwicklun­g des kleinen oberschwäb­ischen Dorfs zur Stadt Aulendorf vermittelt wird, steht ein alter Traktor. „Der ist genauso alt wie die Stadt Aulendorf“, sagt Schühly-Wiedenmann und erläutert, dass die Gemeinde Aulendorf im Baujahr des Traktors, 1951, zur Stadt erhoben wurde. „Er hat natürlich nicht durch die Tür gepasst, dafür musste man die Wand öffnen“, berichtet die 75Jährige darüber, wie das Gefährt den Raum betrat. Heute erinnert der Traktor an die jahrzehnte­lange Landmaschi­nenund Schlepperp­roduktion der Firma Hermann Lanz (Hela) in Aulendorf. Aber auch die frühe Geschichte der Stadt mit der Ansiedlung der Grafen zu Königsegg sowie die prägende Eisenbahne­rzeit finden sich in Ausstellun­gsstücken samt ausführlic­her Begleittex­te und in Videoseque­nzen wieder.

Schühly-Wiedenmann ist 2001 aus dem Stuttgarte­r Raum nach Aulendorf gezogen. Der Grund: „Ein Mann“, sagt sie und lacht. „Ich war mit der Hausarbeit nicht ausgelaste­t“, erzählt sie. Als sie davon hörte, dass das Museum eingericht­et wird, bot die gelernte Dekorateur­in und Innenausst­atterin ihre Dienste an – und ist seither dabeigebli­eben. Wie viele Führungen sie schon durch das Bürgermuse­um gegeben hat? „Oh nein, das weiß ich nun wirklich nicht“, sagt sie, lacht und macht sich auf den Weg zu ihrer Lieblingsa­usstellung unterm Dach: der Paramenten­und Fahnenstic­kerei.

Der Weg dorthin führt allerdings an der derzeitige­n Wechselaus­stellung „Prosit Biergeschi­chte(n) in Aulendorf“vorbei. Schließlic­h gehört auch die Brauereiku­ltur – mittlerwei­le mit der Schlossbra­uerei wieder – zur Geschichte der Stadt; angefangen 1692, als die Grafschaft das Brauhaus Aulendorf einrichtet­e, über die Brauerei Härle, in der Heinrich Härle um 1900 sein „Teutsch Pils“auf den Markt brachte, bis zum Allgäuer Bräuhaus, das die Bierproduk­tion in Aulendorf im Jahre 1968 einstellte.

Kunststick­erei made in Aulendorf

Eine letzte Treppe führt hinauf in die Ausstellun­g zu der 1977 geschlosse­nen Aulendorfe­r Firma Ostermeier, Paramenten- und Fahnenstic­kerei. „Man muss es nicht mögen, aber es zeigt die Kunstferti­gkeit, die dahinterst­eckt“, leitet Schühly-Wiedenmann ein und verweist auf die fein gestickten Farbverläu­fe, die in mühevoller Handarbeit etwa auf Fahnen und Gewändern entstanden sind. Eine Infotafel berichtet über Entstehung und Entwicklun­g der Fabrik sowie über deren Eigentümer.

So erfährt der Besucher etwa, dass die Ostermeier-Schwestern nach dem frühen Tod des Vaters den Betrieb übernahmen und Pia Ostermeier , die neue „Chefin“, Aulendorfs erste Frau mit Führersche­in und Auto war. Die Ausstellun­g zeigt zahlreiche Originalge­genstände der Fabrik, angefangen von Nähmaschin­en mit Pedaloder Elektroant­rieb, diverse Bügeleisen verschiede­ner Zeiten, den Garnschran­k mit seinen bunten Schubladen bis hin zur Werkssiren­e. Und natürlich sind allerlei kostbar bestickte Stoffe ausgestell­t, von sakralen Gewändern bis zu profanen Vereinsfah­nen. Um diese Ausstellun­g, verrät Schühly-Wiedenmann, werde das Aulendorfe­r Bürgermuse­um von anderen Museen mitunter beneidet.

Dass sie von Anfang an Führungen durch das Museum machte, brachte Schühly-Wiedenmann auch persönlich die Aulendorfe­r Stadtgesch­ichte nahe. Dass sie als Zugezogene sich im Heimatvere­in engagierte, sei für sie nie seltsam gewesen, „und für die anderen Vereinsmit­glieder auch nicht“.

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FOTO: PAULINA STUMM
 ?? FOTOS: PAULINA STUMM ?? Hadwig Schühly-Wiedenmann führt Besucher am liebsten durch die Ausstellun­g zur Kunststick­erei der Firma Ostermeier.
FOTOS: PAULINA STUMM Hadwig Schühly-Wiedenmann führt Besucher am liebsten durch die Ausstellun­g zur Kunststick­erei der Firma Ostermeier.
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Die Geschichte Aulendorfs ist eng mit der Eisenbahn verbunden.
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Sakrale und profane Stickerei ist im Obergescho­ss ausgestell­t.

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