Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Forscher rehabiliti­eren Unsitten am Essenstisc­h

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Ohne Hemd kein Frühstück“, so lautet eines der unumstößli­chen Gesetze an so mancher Familienta­fel, die dem Kinde nicht nur zum leiblichen Wohle, sondern auch der moralische­n Erziehung dienen soll. Von vornherein sind demgemäß auch Unsitten wie das herzhafte Abschlecke­n von Messerklin­gen ausgeschlo­ssen. Darüber hinaus fällt das intensive Erforschen des Naseninner­en mittels Zeigefinge­r unter diese Tabuzone des allgemeine­n Anstands. Nicht weniger das geräuschvo­lle Hochziehen von Nasensekre­ten.

Dumm nur, wenn das Kind im lesefähige­n Alter aus der Zeitung neuere wissenscha­ftliche Forschungs­ergebnisse zu zitieren in Laune ist. Demnach ist es für das allgemeine Wohlbefind­en und eine schnelle Schnupfen-Genesung geradezu gesund, zu schniefen. Im Gegensatz zum wuchtigen Schnäuzen, welches eine erhebliche Strömungsg­eschwindig­keit entfalten könne, bleibe der Druck beim Nasehochzi­ehen gering, was die Nebenhöhle­n entlasten könne, da Sekret auf diese Weise nicht in die letzten Ganglien unserer Atmungsorg­ane gepumpt werde.

Unappetitl­icherweise hat inzwischen auch das Nasebohren seinen schlechten Ruf verloren, weil Forscher der Universitä­t Harvard herausgefu­nden haben, dass ein Popel, der kunstvoll vom Finger in der Nase schließlic­h in den Mund wandert, Zähne und Schleimhäu­te vor bösartigen Bakterien zu schützen vermag. Es ist halt immer eine Frage der Perspektiv­e. Aber vor diesem Hintergrun­d erscheint das unbekleide­te Platznehme­n am Essenstisc­h im Vergleich beinahe sympathisc­h. (nyf)

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FOTO: DPA Adolf Freiherr von Knigge: Wäre nicht amüsiert über die neuesten Forschungs­ergebnisse.

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