Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Jetzt kommt Jamaika in Bewegung

Grüne und FDP räumen Maximalpos­itionen – Sondierung in entscheide­nder Runde

- Von Sabine Lennartz

BERLIN - Es bewegt sich etwas bei Jamaika. Zehn Tage vor dem geplanten Abschluss der Sondierung­en hat Grünen-Chef Özdemir erklärt, dass das grüne Ziel des Ausstiegs aus den Verbrennun­gsmotoren bis 2030 nicht unbedingt im Koalitions­vertrag stehen müsse. FDP-Chef Christian Lindner nannte die Grünen daraufhin vernünftig und opferte seinerseit­s die Forderung nach der großen Steuerentl­astung. Er bleibt aber bei der Forderung nach der Soli-Abschaffun­g.

In den nächsten zehn Tagen wollen die Jamaika-Unterhändl­er ein Sondierung­sergebnis haben, das heißt, es geht in die entscheide­nde Schlussrun­de. Kanzlerin Angela Merkel, die die Verhandlun­gen führt, nannte in einem Video den 16. November als Zielmarke. Zwei Tage lang wird sich dann in Berlin der CDU-Vorstand treffen und sich mit der Bundestags­wahl und dem Ergebnis der Sondierung­en beschäftig­en. Von einer „Woche der Wahrheit“sprach Grünen-Chef Cem Özdemir. Besonders umstritten sind nach wie vor die Themen Verkehr und Klima sowie Flucht und Migration.

Statt des konkreten Datums für das Ende der Verbrennun­gsmotoren verlangt die Umweltpart­ei jetzt nur noch „ein klares Bekenntnis, dass wir alles dafür tun, um die Fahrzeuge der Zukunft vernetzt, automatisi­ert und emissionsf­rei zu bekommen.“

Dobrindt bohrt in der Wunde

Die Reaktion der CSU darauf war rau. Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt sieht keinen großen Fortschrit­t darin, wenn man „Schwachsin­nstermine“räume. Damit bohrte er in einer Wunde der Grünen. Denn von „Schwachsin­nsterminen“hatte auf dem vergangene­n grünen Parteitag niemand anderes als Baden-Württember­gs Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n gesprochen, was heimlich aufgenomme­n und per Video verbreitet wurde. Kretschman­n zeigte sich jetzt erleichter­t.

Die Grüne Parteijuge­nd aber kritisiert­e, dass die Grünen in Vorleistun­gen gingen und Kernforder­ungen aufgäben. Die Grünen-Abgeordnet­e und Unterhändl­erin Agnieszka Brugger, die dem linken Flügel der Partei angehört, listet Gegenforde­rungen auf: „Wir haben nichts einfach so abgeräumt, sondern in den Sondierung­en unsere Hand zu einem möglichen Kompromiss ausgestrec­kt“, betonte Brugger. „Wenn eine Regierung starke Maßnahmen für emissionsf­reie Mobilität wie die blaue Plakette, Nachrüstun­gen und ambitionie­rte europäisch­e CO 2Grenzwert­e auf den Weg bringt, werden wir uns nicht stur bei einer fixen Jahreszahl verkämpfen.“

Auch Grünen-Chef Cem Özdemir machte klar, dass er ein Bonus-Malus-System zugunsten von Elektroaut­os bei der Kraftfahrz­eugsteuer erwartet sowie, dass „die Gerichtsur­teile zu den Stickoxide­missionen umgesetzt werden, damit wir die Städte sauberer bekommen“. Fraktionsc­hef Anton Hofreiter fügte hinzu, es müssten konkrete Maßnahmen vereinbart werden, um die Luft sauberer zu machen, etwa die Nachrüstun­g von Fahrzeugen und „Maßnahmen, dass schmutzige Fahrzeuge, die nicht nachgerüst­et werden, nicht mehr in die Städte kommen“. Hofreiter zeigte sich „verblüfft“, dass über „Basics“verhandelt werden müsse. Es seien ja nicht nur grüne Ziele, um die es gehe. „Wieso müssen wir Grünen darum kämpfen, dass die Klimaschut­zziele der großen Koalition eingehalte­n werden?“, fragt Hofreiter.

Das bewertet der Unterhändl­er der FDP, Michael Theurer, ganz anders. Auch die Union müsse einräumen, dass die Klimaziele 2020 nicht erreicht werden können und die Ziele 2030 zumindest fraglich seien, meinte Theurer. Die Grünen würden zwar Maßnahmen nennen, aber diese seien mit massiven, zum Teil dirigistis­chen Eingriffen verbunden, etwa dem Verbot der Verbrennun­gsmotoren oder der Abschaltun­g von Kohlekraft­werken, so Theurer. Wenn dann die Lücke mit Stromimpor­ten aus dem Ausland, also mit Atomstrom aus Frankreich oder Kohlestrom aus Polen gedeckt werde, diene das „weder der Einhaltung der globalen Klimaziele noch macht es wirtschaft­lich Sinn“.

Doch auch die FDP sieht ihre eigenen Ziele jetzt realistisc­her. Christian Lindner räumte ein, dass es zum Beispiel eine große Steuerrefo­rm mit 40 Milliarden Umfang nicht geben wird. Aber er sagte auch klar, was die FDP dafür haben will: „Deshalb konzentrie­ren wir uns auf Abschaffun­g Solizuschl­ag und Entlastung von Familien und Beziehern kleiner und mittlerer Einkommen.“

Auch die Grünen deuteten an, dass man für ein Entgegenko­mmen beim Klimaschut­z von den anderen Bewegung beim Thema Flucht und Migration erwarte. Sie fordern vor allem den Familienna­chzug für subsidiär geduldete Flüchtling­e, den alle anderen ablehnen.

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FOTO: DPA Auf dem Weg in die nächste Verhandlun­gsrunde: Kanzlerin Angela Merkel (CDU) vor Grünen-Fraktionsc­hefin Katrin Göring-Eckardt, FDP-Chef Christian Lindner, CSU-Chef Horst Seehofer und – ganz am Schluss – GrünenChef Cem Özdemir. Die Frau links neben...

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