Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
EU-Pläne gegen Steueroasen
Brüssel pocht künftig auf mehr Transparenz
BRÜSSEL/BERLIN (dpa) - Der gewaltige Datensatz der „Paradise Papers“lenkt den Blick erneut auf fragwürdige Steuerpraktiken wohlhabender Personen und globaler Konzerne. Die Enthüllungen rücken vor allem das geschickte Ausnutzen von Gesetzeslücken in den Fokus. Die EU ringt seit einiger Zeit um Fortschritte im Kampf gegen Steuervermeidung:
Was tut die EU bislang im Kampf gegen Steueroasen?
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Das größte EU-Projekt gegen Steueroasen ist die sogenannte Schwarze Liste. Sie soll Ende des Jahres fertig werden und Drittstaaten mit zweifelhaften Steuerregelungen auflisten. Auch Länder, die beim Austausch von Steuerdaten unkooperativ sind, sollen an den Pranger gestellt werden. Bei gut 90 Ländern waren steuerrechtliche Bedenken geltend gemacht worden. Die Aufstellung dürfte allerdings deutlich kürzer ausfallen. Ziel: Drittstaaten durch Gespräche und Transparenz zu schärferen Steuerregeln zu drängen. Für Steueroasen sind finanzielle oder rechtliche Sanktionen im Gespräch.
Wie läuft es innerhalb der EU?
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Die EU-Kommission macht bei dem Thema regelmäßig Druck – die EUStaaten verhandeln mit schleppenden Fortschritten. Das Erheben einzelner Steuern und das Festlegen von Steuersätzen fällt in die Zuständigkeit der Staaten. Brüssel kann Vorschläge für Rahmenbedingungen machen. Doch es gilt nicht das Mehrheitsprinzip. Sämtliche EU-Staaten müssen Änderungen zustimmen.
Welche Baustellen gibt es?
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Die Kommission hat eine ganze Reihe von Steuerregelungen vorgeschlagen, um nicht nur für Privatpersonen, sondern auch für Konzerne grenzübergreifende bürokratische Hürden abzubauen und Steuerbetrug und -vermeidung zu erschweren. Die Staaten einigten sich etwa darauf, dass ihre Steuerbehörden verpflichtet sind, Steuerdaten von multinationalen Konzernen untereinander auszutauschen.
Gibt es noch andere Vorschläge aus Brüssel?
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Ja, diskutiert wird etwa, ob globale Konzerne ihr Steueraufkommen in EU-Ländern auch der Öffentlichkeit zugänglich machen müssen. Die EUKommission will außerdem Steuerberater, Buchhalter, Bankiers oder Anwälte zu mehr Transparenz verpflichten. EU-Länder wie Malta und Irland, die sich jahrelang selbst mit Steuerregelungen Standortvorteile verschafft hatten, sind aber nach wie vor zögerlich. Irland war wegen der Minimalbesteuerung des iPhoneHerstellers Apple von der Kommission etwa ermahnt worden, bis zu 13 Milliarden Euro von dem US-Konzern nachzufordern.
Blockiert sich die EU beim Kampf gegen Steueroasen selbst?
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Nicht generell. Seit der Offenlegung zahlreicher Briefkastenfirmen durch die „Panama Papers“2016 ist ein beschleunigter Mentalitätswandel zu beobachten. Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager verwies jüngst zum Beispiel darauf, dass Länder wie Luxemburg und Zypern ihre Steuersysteme bereits geändert haben. Dennoch meint Steuerkommissar Pierre Moscovici: „Es ist absolut nötig, dass wir unser Programm gegen Steuervermeidung und aggressive Steuerplanung beschleunigen.“