Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Wo der Wert bleibt
Die Immobilienpreise steigen – doch längst nicht in allen Regionen Deutschlands
●
RAVENSBURG - Immobilien stehen derzeit hoch im Kurs. Egal ob es sich um eine Eigentumswohnung mit 50 oder um ein Einfamilienhaus mit 250 Quadratmetern Wohnfläche handelt – sofern das Objekt am richtigen Standort steht, wird es Verkäufern aus den Händen gerissen. Längst sind es nicht mehr nur Selbstnutzer, die Wohnraum nachfragen. Immer mehr Bürger haben Immobilien auch als lukrative Anlagemöglichkeit entdeckt. Und was passiert, wenn die Nachfrage dem Angebot enteilt? Die Preise galoppieren davon.
Nach aktuellen Daten der Deutschen Bundesbank sind Wohnimmobilien zwischen 2010 und 2016 um durchschnittlich 36 Prozent teurer geworden. In den sieben Großstädten – Berlin, Hamburg, München, Frankfurt, Stuttgart, Düsseldorf und Köln – sogar um 65 Prozent. Und je stärker die Immobilienpreise steigen, umso mehr Menschen springen auf den Zug auf, um von den Wertsteigerungen zu profitieren.
Zinsen treiben die Preise
Die Ursache für diese Entwicklung ist schnell ausgemacht: Es ist vor allem das historisch niedrige Zinsniveau. Das sorgt einerseits für ausgesprochen günstiges Baugeld. Nach Angaben des Zinsinformationsdienstes FMH-Finanzberatung aus Frankfurt kostet ein Hypothekendarlehen mit zehnjähriger Zinsbindung aktuell 1,34 Prozent. Und das macht andererseits alternative Anlageformen wie etwa Festgelder unattraktiv.
Vor diesem Hintergrund tobt seit Monaten eine Diskussion darüber, ob sich in Deutschland eine Immobilienpreisblase aufbaut oder nicht. Während die Deutsche Bundesbank und der „Rat der Immobilienweisen“vor Preisübertreibungen von bis zu 75 Prozent vor allem in den Top-Sieben-Städten warnen, geben Akteure wie der Immobilienverband IVD Entwarnung.
„Eine Blase braucht eine Nadel, um sie platzen zu lassen. Und eine solche Nadel kann ich in Deutschland beim besten Willen nicht erkennen“, sagt Ulrich Jacke, geschäftsführender Gesellschafter des Immobiliendienstleister Dr. Lübke & Kelber aus Stuttgart, im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. Jacke verweist unter anderem auf die risikoscheue Finanzierungspraxis der Banken und den hohen Eigenmittelanteil bei Immobilienfinanzierungen – zwei Faktoren, die in der Vergangenheit oftmals Auslöser von Immobilien-Crashs waren.
Zwar gebe es Lagen, wo die Immobilienpreise zum Teil deutlich über dem wirtschaftlich gerechtfertigten Niveau lägen. Etwa in Berlin Mitte, wo Wohnungen nicht unter Renditegesichtspunkten gekauft werden, sondern weil es „hipp ist“. Doch für 99 Prozent des deutschen Immobilienmarktes, so Jacke, gelte das nicht.
Für Immobilienkäufer sind das unter dem Strich gute Nachrichten. Denn das Risiko einer abrupten Preiskorrektur und damit einhergehender Wertverluste ist gering. Bei den Renditeerwartungen müssen Anleger inzwischen aber deutlich bescheidener sein. Der Grund: Die erzielbaren Mieten halten vielerorts nicht mehr mit den schnell steigenden Kaufpreisen Schritt. Bei Neubaumieten von deutlich über 13 Euro pro Quadratmeter ist inzwischen ein Niveau erreicht, das sich nur noch sehr wenige Mieter leisten können. Deshalb, so Jacke, lägen realistische Renditen für Bestandsimmobilien nur noch zwischen zwei und vier Prozent, für Neubauten knapp darunter. Zudem müssen Immobilienkäufer inzwischen ganz genau hinschauen. Denn trotz des allgemeinen Preisaufschwungs behalten die drei wichtigsten Kriterien in der Immobilienwelt – Lage, Lage und nochmals Lage – ihre Bedeutung. Wo die Wohnung oder das Haus gebaut oder gekauft wird, hat unmittelbaren Einfluss auf den Wert. Die Lage entscheidet, wie interessant eine Immobilie für potenzielle Käufer und Mieter ist. Wer seinen Standort mit Bedacht wählt, kann sich vor Verlusten schützen und in der Zukunft womöglich eine Wertsteigerung erzielen.
Ländliche Regionen abgehängt
Kaum Chancen auf Wertsteigerungen sehen die Immobilienexperten des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) beispielsweise bei Einfamilienhäusern in ländlichen Regionen.
Dort seien in den vergangenen Jahren „mehr als doppelt so viele Einfamilienhäuser wie benötigt gebaut worden“, heißt es in einer aktuellen IW-Studie. Dieses Überangebot drücke langfristig auf die Preise.
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) ist für Teilbereiche des Immobilienmarktes noch deutlich pessimistischer. Aufgrund schrumpfender Bevölkerungszahlen könnten die Marktwerte für Immobilien in vielen Landkreisen, vor allem im Osten, bis 2030 um bis zu einem Viertel sinken, prognostizieren die DIW-Experten in einer Modellrechnung.
Auch Ulrich Jackes Firma hat jüngst untersucht, in welchen von insgesamt 110 deutschen Immobilienstandorten noch Schnäppchen zu machen sind. Das Ergebnis: In Metropolen wie München, Frankfurt oder Stuttgart sind die Standortrisiken für Immobilieninvestments zwar sehr gering. Allerdings sind dort die erzielbaren Renditen aufgrund der stark gestiegenen Preise mittlerweile deutlich niedriger. Städte wie Osnabrück, Wolfsburg oder Worms – sogenannte B-Städte – dagegen sind die Gewinner der Analyse. Sie bieten in guten Lagen die besten Gelegenheiten, weil das Verhältnis zwischen Risiko und Rendite noch stimmt.
Im Südwesten sticht aus der Analyse vor allem Ulm als interessanter Standort hervor. Und auch für wirtschaftlich prosperierende ländliche Regionen wie etwa Oberschwaben ist Immobilienexperte Jacke optimistisch: „Baden-Württemberg steht so gut da, da würde ich immer investieren. Mit Blick auf Immobilienkäufe ist es mit Abstand das risikoärmste Bundesland in Deutschland.“
Konservativ kalkulieren
Allerdings warnt Jacke vor einer allzu optimistischen Kalkulation potentieller Kaufobjekte. Vor allem die Annahmen hinsichtlich der zu erzielenden Mietpreissteigerungen haben das Zeug zum „Deal-Brecher“. Wenn sich Wunsch und Wirklichkeit nicht decken, kann ein anfänglich lohnendes Investment schnell zu einem Verlustbringer werden. „In der Praxis zeigt sich, dass die hohen Neubaumieten bei einer Wiedervermietung oftmals nicht mehr erreicht werden“, weiß Jacke.
Auch das IW warnt vor überoptimistische Erwartungen in Sachen Mietpreissteigerungen, zumal die Politik in dem Thema wegen seiner sozialen Sprengkraft inzwischen Handlungsbedarf sieht. „Eine strenger werdende Mietregulierung könnte Mieterhöhungen in Zukunft erschweren“, glaubt IW-Immobilienexperte Michael Voigtländer.
Ulrich Jacke empfiehlt potentiellen privaten Immobilieninvestoren deshalb zu einer langfristigen, mindestens zehn Jahre abdeckenden Finanzanalyse – so wie es bei professionellen Immobilienanlegern inzwischen gang und gäbe ist. In dieser Berechnung sollten alle die Rendite beeinflussenden Faktoren berücksichtigt werden – angefangen von den Instandhaltungs- und Verwalterkosten bis hin zu möglichen Leerstandszeiten und Mietveränderungen – und diese vor allem konservativ zu kalkulieren.