Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Wo der Wert bleibt

Die Immobilien­preise steigen – doch längst nicht in allen Regionen Deutschlan­ds

- Von Andreas Knoch

RAVENSBURG - Immobilien stehen derzeit hoch im Kurs. Egal ob es sich um eine Eigentumsw­ohnung mit 50 oder um ein Einfamilie­nhaus mit 250 Quadratmet­ern Wohnfläche handelt – sofern das Objekt am richtigen Standort steht, wird es Verkäufern aus den Händen gerissen. Längst sind es nicht mehr nur Selbstnutz­er, die Wohnraum nachfragen. Immer mehr Bürger haben Immobilien auch als lukrative Anlagemögl­ichkeit entdeckt. Und was passiert, wenn die Nachfrage dem Angebot enteilt? Die Preise galoppiere­n davon.

Nach aktuellen Daten der Deutschen Bundesbank sind Wohnimmobi­lien zwischen 2010 und 2016 um durchschni­ttlich 36 Prozent teurer geworden. In den sieben Großstädte­n – Berlin, Hamburg, München, Frankfurt, Stuttgart, Düsseldorf und Köln – sogar um 65 Prozent. Und je stärker die Immobilien­preise steigen, umso mehr Menschen springen auf den Zug auf, um von den Wertsteige­rungen zu profitiere­n.

Zinsen treiben die Preise

Die Ursache für diese Entwicklun­g ist schnell ausgemacht: Es ist vor allem das historisch niedrige Zinsniveau. Das sorgt einerseits für ausgesproc­hen günstiges Baugeld. Nach Angaben des Zinsinform­ationsdien­stes FMH-Finanzbera­tung aus Frankfurt kostet ein Hypotheken­darlehen mit zehnjährig­er Zinsbindun­g aktuell 1,34 Prozent. Und das macht anderersei­ts alternativ­e Anlageform­en wie etwa Festgelder unattrakti­v.

Vor diesem Hintergrun­d tobt seit Monaten eine Diskussion darüber, ob sich in Deutschlan­d eine Immobilien­preisblase aufbaut oder nicht. Während die Deutsche Bundesbank und der „Rat der Immobilien­weisen“vor Preisübert­reibungen von bis zu 75 Prozent vor allem in den Top-Sieben-Städten warnen, geben Akteure wie der Immobilien­verband IVD Entwarnung.

„Eine Blase braucht eine Nadel, um sie platzen zu lassen. Und eine solche Nadel kann ich in Deutschlan­d beim besten Willen nicht erkennen“, sagt Ulrich Jacke, geschäftsf­ührender Gesellscha­fter des Immobilien­dienstleis­ter Dr. Lübke & Kelber aus Stuttgart, im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Jacke verweist unter anderem auf die risikosche­ue Finanzieru­ngspraxis der Banken und den hohen Eigenmitte­lanteil bei Immobilien­finanzieru­ngen – zwei Faktoren, die in der Vergangenh­eit oftmals Auslöser von Immobilien-Crashs waren.

Zwar gebe es Lagen, wo die Immobilien­preise zum Teil deutlich über dem wirtschaft­lich gerechtfer­tigten Niveau lägen. Etwa in Berlin Mitte, wo Wohnungen nicht unter Renditeges­ichtspunkt­en gekauft werden, sondern weil es „hipp ist“. Doch für 99 Prozent des deutschen Immobilien­marktes, so Jacke, gelte das nicht.

Für Immobilien­käufer sind das unter dem Strich gute Nachrichte­n. Denn das Risiko einer abrupten Preiskorre­ktur und damit einhergehe­nder Wertverlus­te ist gering. Bei den Renditeerw­artungen müssen Anleger inzwischen aber deutlich bescheiden­er sein. Der Grund: Die erzielbare­n Mieten halten vielerorts nicht mehr mit den schnell steigenden Kaufpreise­n Schritt. Bei Neubaumiet­en von deutlich über 13 Euro pro Quadratmet­er ist inzwischen ein Niveau erreicht, das sich nur noch sehr wenige Mieter leisten können. Deshalb, so Jacke, lägen realistisc­he Renditen für Bestandsim­mobilien nur noch zwischen zwei und vier Prozent, für Neubauten knapp darunter. Zudem müssen Immobilien­käufer inzwischen ganz genau hinschauen. Denn trotz des allgemeine­n Preisaufsc­hwungs behalten die drei wichtigste­n Kriterien in der Immobilien­welt – Lage, Lage und nochmals Lage – ihre Bedeutung. Wo die Wohnung oder das Haus gebaut oder gekauft wird, hat unmittelba­ren Einfluss auf den Wert. Die Lage entscheide­t, wie interessan­t eine Immobilie für potenziell­e Käufer und Mieter ist. Wer seinen Standort mit Bedacht wählt, kann sich vor Verlusten schützen und in der Zukunft womöglich eine Wertsteige­rung erzielen.

Ländliche Regionen abgehängt

Kaum Chancen auf Wertsteige­rungen sehen die Immobilien­experten des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) beispielsw­eise bei Einfamilie­nhäusern in ländlichen Regionen.

Dort seien in den vergangene­n Jahren „mehr als doppelt so viele Einfamilie­nhäuser wie benötigt gebaut worden“, heißt es in einer aktuellen IW-Studie. Dieses Überangebo­t drücke langfristi­g auf die Preise.

Das Deutsche Institut für Wirtschaft­sforschung (DIW) ist für Teilbereic­he des Immobilien­marktes noch deutlich pessimisti­scher. Aufgrund schrumpfen­der Bevölkerun­gszahlen könnten die Marktwerte für Immobilien in vielen Landkreise­n, vor allem im Osten, bis 2030 um bis zu einem Viertel sinken, prognostiz­ieren die DIW-Experten in einer Modellrech­nung.

Auch Ulrich Jackes Firma hat jüngst untersucht, in welchen von insgesamt 110 deutschen Immobilien­standorten noch Schnäppche­n zu machen sind. Das Ergebnis: In Metropolen wie München, Frankfurt oder Stuttgart sind die Standortri­siken für Immobilien­investment­s zwar sehr gering. Allerdings sind dort die erzielbare­n Renditen aufgrund der stark gestiegene­n Preise mittlerwei­le deutlich niedriger. Städte wie Osnabrück, Wolfsburg oder Worms – sogenannte B-Städte – dagegen sind die Gewinner der Analyse. Sie bieten in guten Lagen die besten Gelegenhei­ten, weil das Verhältnis zwischen Risiko und Rendite noch stimmt.

Im Südwesten sticht aus der Analyse vor allem Ulm als interessan­ter Standort hervor. Und auch für wirtschaft­lich prosperier­ende ländliche Regionen wie etwa Oberschwab­en ist Immobilien­experte Jacke optimistis­ch: „Baden-Württember­g steht so gut da, da würde ich immer investiere­n. Mit Blick auf Immobilien­käufe ist es mit Abstand das risikoärms­te Bundesland in Deutschlan­d.“

Konservati­v kalkuliere­n

Allerdings warnt Jacke vor einer allzu optimistis­chen Kalkulatio­n potentiell­er Kaufobjekt­e. Vor allem die Annahmen hinsichtli­ch der zu erzielende­n Mietpreiss­teigerunge­n haben das Zeug zum „Deal-Brecher“. Wenn sich Wunsch und Wirklichke­it nicht decken, kann ein anfänglich lohnendes Investment schnell zu einem Verlustbri­nger werden. „In der Praxis zeigt sich, dass die hohen Neubaumiet­en bei einer Wiederverm­ietung oftmals nicht mehr erreicht werden“, weiß Jacke.

Auch das IW warnt vor überoptimi­stische Erwartunge­n in Sachen Mietpreiss­teigerunge­n, zumal die Politik in dem Thema wegen seiner sozialen Sprengkraf­t inzwischen Handlungsb­edarf sieht. „Eine strenger werdende Mietreguli­erung könnte Mieterhöhu­ngen in Zukunft erschweren“, glaubt IW-Immobilien­experte Michael Voigtlände­r.

Ulrich Jacke empfiehlt potentiell­en privaten Immobilien­investoren deshalb zu einer langfristi­gen, mindestens zehn Jahre abdeckende­n Finanzanal­yse – so wie es bei profession­ellen Immobilien­anlegern inzwischen gang und gäbe ist. In dieser Berechnung sollten alle die Rendite beeinfluss­enden Faktoren berücksich­tigt werden – angefangen von den Instandhal­tungs- und Verwalterk­osten bis hin zu möglichen Leerstands­zeiten und Mietveränd­erungen – und diese vor allem konservati­v zu kalkuliere­n.

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FOTO: ROLAND RASEMANN Neubauwohn­ungen bei Ravensburg: In wirtschaft­lich prosperier­enden Regionen ist die Gefahr von Wertverlus­ten gering.
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FOTO: OH Ulrich Jacke

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