Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Der amerikanis­che Alptraum

George Clooneys neuer Film „Suburbicon“

- Von Rüdiger Suchsland

G● eorge Clooneys neuer Film als Regisseur ist eine schwarze Komödie und ein Kostümfilm, angesiedel­t in den 1950er-Jahren. Clooney nutzt die Mittel der anarchisti­schen Parodie, um dem Amerika von heute ein überaus abgründige­s Spiegelbil­d entgegenzu­halten: Vor dem Hintergrun­d der rassistisc­hen Exzesse wie in Charlottes­ville wirken die 1950er-Jahre überaus zeitgemäß. Es ist ein Alptraumpo­rtrait mit Matt Damon und Julianne Moore in den Hauptrolle­n.

„Welcome to Suburbicon“lockt ein Werbefilm. Der titelgeben­de Ort ist eine fiktive Vorstadtsi­edlung, durchweht von einem Hauch Irrealität, wie man sie aus Peter Weirs „Truman-Show“kennt. Datiert ist alles auf das Jahr 1959, das vorletzte Jahr der Eisenhower-Ära, als die amerikanis­chen Träume brüchig wurden. Das Schwarz-Weiß-Fernsehen fungiert im Film als eine Art zweite Traumfabri­k, eine weltordnen­de und weltgliede­rnde, auch beruhigend­e und damit quasi religiöse Macht.

Zum idealtypis­chen 1950er-JahreLeben in Suburbicon gehört eine komplett weiße Community. Als eine neu hinzugezog­ene Familie schwarze Hautfarbe hat, zeigt diese Gemeinde ihr hässliches Gesicht: „Wir wollen sie nicht hier!“, wird gerufen, und bald darauf randaliert ein Haufen hasserfüll­ter Spießer-Faschos mit Kurzhaarsc­hnitt vor dem Haus der Familie. Eine Horrorwelt.

Mit den Augen der Kinder

Erzählt wird aus der Perspektiv­e der Kinder Nicky und Noah. Nicky lebt mit Vater Gardner (Matt Damon), seiner querschnit­tgelähmten Mutter Rose (Julianne Moore) und deren Zwillingss­chwester Maggie (ebenfalls Moore) in Suburbicon. Noah ist der neu hinzugezog­ene schwarze Nachbarsju­nge. Eines Nachts wird Nicky geweckt, zwei fremde Männer sind ins Haus eingedrung­en und nehmen die Erwachsene­n als Geiseln. Alle werden gefesselt und betäubt, am nächsten Morgen ist die Mutter tot, und das Paradies der Kindheit endgültig zerstört.

Schnell und überaus geradlinig entwickelt sich die Handlung weiter: Nickys Vater beginnt bald nach dem Überfall wieder mit der Büroarbeit. Dann kommt ein Anruf der Polizei: Zwei Verdächtig­e sind gefasst worden, es soll eine Gegenübers­tellung stattfinde­n. Maggie bringt Nicky mit und darum sieht dieser, was er nie sehen sollte: Die Verdächtig­en sind die Täter, aber Vater und Tante wollen sie nicht identifizi­eren. Der Sohn ist erschütter­t. Sein Misstrauen gegen die beiden wächst, als die Tante zu einer hexenartig­en, bösen Stiefmutte­r mutiert, als er sieht, wie der Vater nachts ins Zimmer der Tante schleicht, als er beide zufällig im Keller bei Sexspielch­en erwischt.

Urvertraue­n zerstört

Clooney erzählt hier auch von der brutalen Emanzipati­on eines Kindes. Nickys Vater spürt, wie der Sohn auf Distanz geht. Er will ihn auf eine Militäraka­demie schicken, „damit er Disziplin lernt“.

Es ist die zeitgenöss­ische Perversion des American Dream, um die es Clooney geht, die aber in seinem Blick eine historisch­e Tiefendime­nsion bekommt. Die Sicherheit spendende Vaterfigur des amerikanis­chen Kinos wird in diesem Film ein für alle Mal beseitigt – gar nicht so sehr, weil der Vater kriminell ist, sondern weil er ein Vollidiot ist.

Alles, was Nicky passiert, stößt auch Noah zu – nur dass hier die Eltern ebenfalls Opfer sind. Der Horror in Nickys weißem Elternhaus lenkt insofern auch wieder von der Lynchstimm­ung des Mobs auf der Straße vor Noahs Elternhaus ab. Dabei sind diese Auswüchse die weitaus empörender­en Vorfälle. Der Film spielt mit diesem Janusantli­tz der Handlung.

Suburbicon. Regie: George Clooney. Mit Matt Damon, Julianne Moore. USA 2017. Länge: 105 Min. FSK: ab 16 Jahre.

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FOTO: CONCORDE FILMVERLEI­H GMBH /DPA Die Erwachsene­n sind schrecklic­h: Matt Damon als Gardner Lodge und Julianne Moore in einer Doppelroll­e. .

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