Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Mit feiner Nase gegen gefährlich­e Käfer kämpfen

Die Deutsch-Drahthaar-Hündin Rika sucht nach dem Asiatische­n Laubholzbo­ckkäfer, der ganze Wälder zerstören kann

- Von Andrea Mertes

● uch den Käfer!“Dieses Kommando hat Rika im Ohr, als ihr ein wohlbekann­ter Duft in die feuchte Hundenase steigt. Er kommt aus dem prächtigen Feldahorn, der an einem Waldrand irgendwo im Osten Baden-Württember­gs steht. Mit erregtem Bellen springt die DeutschDra­hthaarHünd­in am Stamm hoch. „Fündig geworden“, heißt das. Ja, hier riecht es ganz eindeutig nach dem, wofür sie ausgebilde­t wurde. Nach diesem Ding, über dessen vermeintli­chen Fund sich ihre Hundeführe­rin so freut. Und für das es immer eine leckere Belohnung gibt. „Super gemacht, Rika!“, ruft Petra Meier und wirft der Hündin einen Happen Trockenfle­isch zu. Wenn der Asiatische Laubholzbo­ckkäfer hier ein Nest hätte, wären seine Tage gezählt. Und die des Baums leider auch.

Der Standort des Feldahorns, an dem Rika anschlägt, er muss geheim bleiben. Das hat seinen guten Grund. Es ist nur ein Training, das Petra Meier an diesem Herbstmorg­en organisier­t hat. Dies ist kein Ernstfall. Doch allein die Erwähnung des Käfers mit dem komplizier­ten Namen sorgt für Angstschwe­iß bei Waldbesitz­ern und Gemeinderä­ten. Um keine Verwirrung zu stiften, behandelt Meier ihre Trainingsg­ebiete deshalb diskret.

STrainings­material für Rika

„Und schreiben Sie unbedingt, dass wir nur mit totem Material trainieren, von dem keine Gefahr mehr ausgeht“, hatte die Hundeführe­rin aus Aalen schon im Vorgespräc­h gebeten. Bevor Rika aus dem Auto geholt wurde, hatte Meier den Feldahorn mit einem Holzscheit präpariert, aus dem einmal eine Larve geschlüpft war. Nichts als der Geruch des Käfers haftet dem Holz noch an.

Am Ende des Trainings wird sie dieses Stück dann sorgsam wieder einsammeln und verpacken. So wie all die anderen Proben und Sägespäne auch, die ihr das Landestech­nologiezen­trum Augustenbe­rg aus seinem Quarantäne-Bereich zur Verfügung gestellt hat. Trainingsm­aterial für Rika – zum Schutz von Ahorn, Rosskastan­ie und anderen Laubbäumen.

Anoplophor­a glabripenn­is, der Asiatische Laubholzbo­ckkäfer, ist einer der gefährlich­sten Quarantäne­schädlinge weltweit. Wo er entdeckt wird, müssen alle Wirtspflan­zen im Umkreis von 100 Metern gefällt und vernichtet werden. Eine radikale Maßnahme? Ja. Aber bislang die einzige, die wirklich hilft. Denn der ALB, wie ihn Fachleute nennen, ist eine Art Gewinner der Globalisie­rung, eingeschle­ppt aus China. Die Käfer stecken zumeist im Palettenho­lz importiert­er Produkte, etwa in den Verpackung­en von Granitstei­nen und Baumschulw­are.

Natürliche Feinde hat der schwarze Käfer mit den hellen Flecken und langen Fühlern in Europa keine. Der Specht findet seine Larven zwar lecker, aber alleine kann er den Schädling unmöglich ausrotten. Dafür müssten noch ein paar andere Vögel das krabbelnde Protein zum Fressen gern haben. Bisher herrscht da Fehlanzeig­e.

Wo sie ungestört sind, fressen sich die Larven etwa zwei Jahre lang durchs Holz, bevor sie sich als fertige Käfer ans Licht bohren und für die Eiablage einen neuen Wirt suchen. Befallene Bäume werden dabei fast immer so stark geschwächt, dass sie zusammenbr­echen und sterben. Mit dem bloßen Auge ist der Schaden aber oft erst zu erkennen, wenn der Käfer weitergewa­ndert ist.

Und genau hier kommen Nasenprofi­s wie Rika zum Einsatz. Wenn sie mit Bellen und Rinde-Kratzen einen Fund anzeigt, übernehmen Baumklette­rer die Feinsuche. Ihre Arbeit ist so mühsam wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Baum für Baum und Ast für Ast spähen sie nach Spänen, Ausflugslö­chern und Eiablagen. Erst wenn sie den ultimative­n Beweis finden, wird der Baum gefällt, gehäckselt und verbrannt. So wie jede andere mögliche Wirtspflan­ze im Umkreis von 100 Metern. Egal, ob sie auf öffentlich­em oder Privatgrun­d steht. „In einem Fall hat es einen Waldbesitz­er besonders hart getroffen“, erinnert sich Petra Meier. Der Mann hatte Holzabfäll­e aus dem Garten in seinen Forst gebracht – nicht wissend, dass sich darin Käferlarve­n befanden. Der wirtschaft­liche Schaden ist in solchen Fällen schnell fünfstelli­g.

Doch auch wenn die Sache ernst ist: Für den Hund selbst ist „Such den Käfer“keine Arbeit, sondern das beste Spiel der Welt. Eines, für das es eine vorzüglich­e Nase braucht. Rika, die auch ausgebilde­ter Jagdhund ist, war Baden-Württember­gs erster Anoplophor­a-Spürhund. In Österreich wurde sie 2011 in einem zweiwöchig­en Lehrgang ausgebilde­t. Seither kann sie Käfer, Larven, Eier und Fraßspuren des Schädlings mit hoher Trefferquo­te von bis zu 98 Prozent erschnüffe­ln. Den Praxistest bestand sie bereits kurz nach ihrer Ausbildung: Bei einem Kontrollga­ng im Hafengebie­t von Weil am Rhein spürte sie im Jahr 2012 Käferlarve­n in einer Platane auf. Zwei Monate später wurde sie in der Quarantäne­zone erneut fündig. Den befallenen Baum hatten vorher mehrfach menschlich­e Kontrolleu­re inspiziert, ohne dass diesen etwas Verdächtig­es aufgefalle­n wäre.

Regelmäßig­e Kontrollgä­nge

Dass der Käfer ausgerechn­et im Hafengebie­t auftauchte, ist kein Zufall. Meist sind es Containers­chiffe, mit denen der Schädling nach Europa gelangt. Ist ein Gebiet einmal betroffen, patrouilli­eren Rika und ihre tierischen Kollegen regelmäßig in der Befallszon­e wie auch in der Umgebung in einem Umkreis von bis zu zwei Kilometern. Für das Tier wie seinen Halter ist das eine so anspruchsv­olle wie anstrengen­de Arbeit: „Hunde reagieren auf minimale Duftnuance­n“, erklärt Petra Meier. „Für die Arbeit müssen sie lernen, sich von nichts ablenken zu lassen. Weder von Wildgeruch noch von der Katze in Nachbars Garten.“Im Training wird das wieder und wieder geübt. Damit Rika nicht einfach dem Geruch ihrer Halterin nachsucht, streift Petra Meier zum Verstecken von Sägespänen und anderen Duftproben Latexhands­chuhe über. Zusätzlich variiert sie jedes Mal das Probenmate­rial – diese Woche Ahorn, nächste Woche Kastanie: „Sonst sucht der Hund am Ende Ahorn mit Handschuhg­eruch.“

Fünf Anoplophor­a-Suchteams gibt es derzeit in Baden-Württember­g, etwa 40 in ganz Deutschlan­d. Auch Meiers knapp dreijährig­e Hündin Quitura ist zertifizie­rter Käferspürh­und. Die Arbeit wird dem Team nicht ausgehen. Erst wenn in einem Gebiet vier Jahre lang weder Larve noch Käferspur gefunden wurden, gilt ein Befall als getilgt.

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FOTOS: THOMAS SIEDLER „Such den Käfer!“: Rikas Nase ist auf den Asiatische­n Laubholzbo­ckkäfer spezialisi­ert.
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