Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Mit feiner Nase gegen gefährliche Käfer kämpfen
Die Deutsch-Drahthaar-Hündin Rika sucht nach dem Asiatischen Laubholzbockkäfer, der ganze Wälder zerstören kann
● uch den Käfer!“Dieses Kommando hat Rika im Ohr, als ihr ein wohlbekannter Duft in die feuchte Hundenase steigt. Er kommt aus dem prächtigen Feldahorn, der an einem Waldrand irgendwo im Osten Baden-Württembergs steht. Mit erregtem Bellen springt die DeutschDrahthaarHündin am Stamm hoch. „Fündig geworden“, heißt das. Ja, hier riecht es ganz eindeutig nach dem, wofür sie ausgebildet wurde. Nach diesem Ding, über dessen vermeintlichen Fund sich ihre Hundeführerin so freut. Und für das es immer eine leckere Belohnung gibt. „Super gemacht, Rika!“, ruft Petra Meier und wirft der Hündin einen Happen Trockenfleisch zu. Wenn der Asiatische Laubholzbockkäfer hier ein Nest hätte, wären seine Tage gezählt. Und die des Baums leider auch.
Der Standort des Feldahorns, an dem Rika anschlägt, er muss geheim bleiben. Das hat seinen guten Grund. Es ist nur ein Training, das Petra Meier an diesem Herbstmorgen organisiert hat. Dies ist kein Ernstfall. Doch allein die Erwähnung des Käfers mit dem komplizierten Namen sorgt für Angstschweiß bei Waldbesitzern und Gemeinderäten. Um keine Verwirrung zu stiften, behandelt Meier ihre Trainingsgebiete deshalb diskret.
STrainingsmaterial für Rika
„Und schreiben Sie unbedingt, dass wir nur mit totem Material trainieren, von dem keine Gefahr mehr ausgeht“, hatte die Hundeführerin aus Aalen schon im Vorgespräch gebeten. Bevor Rika aus dem Auto geholt wurde, hatte Meier den Feldahorn mit einem Holzscheit präpariert, aus dem einmal eine Larve geschlüpft war. Nichts als der Geruch des Käfers haftet dem Holz noch an.
Am Ende des Trainings wird sie dieses Stück dann sorgsam wieder einsammeln und verpacken. So wie all die anderen Proben und Sägespäne auch, die ihr das Landestechnologiezentrum Augustenberg aus seinem Quarantäne-Bereich zur Verfügung gestellt hat. Trainingsmaterial für Rika – zum Schutz von Ahorn, Rosskastanie und anderen Laubbäumen.
Anoplophora glabripennis, der Asiatische Laubholzbockkäfer, ist einer der gefährlichsten Quarantäneschädlinge weltweit. Wo er entdeckt wird, müssen alle Wirtspflanzen im Umkreis von 100 Metern gefällt und vernichtet werden. Eine radikale Maßnahme? Ja. Aber bislang die einzige, die wirklich hilft. Denn der ALB, wie ihn Fachleute nennen, ist eine Art Gewinner der Globalisierung, eingeschleppt aus China. Die Käfer stecken zumeist im Palettenholz importierter Produkte, etwa in den Verpackungen von Granitsteinen und Baumschulware.
Natürliche Feinde hat der schwarze Käfer mit den hellen Flecken und langen Fühlern in Europa keine. Der Specht findet seine Larven zwar lecker, aber alleine kann er den Schädling unmöglich ausrotten. Dafür müssten noch ein paar andere Vögel das krabbelnde Protein zum Fressen gern haben. Bisher herrscht da Fehlanzeige.
Wo sie ungestört sind, fressen sich die Larven etwa zwei Jahre lang durchs Holz, bevor sie sich als fertige Käfer ans Licht bohren und für die Eiablage einen neuen Wirt suchen. Befallene Bäume werden dabei fast immer so stark geschwächt, dass sie zusammenbrechen und sterben. Mit dem bloßen Auge ist der Schaden aber oft erst zu erkennen, wenn der Käfer weitergewandert ist.
Und genau hier kommen Nasenprofis wie Rika zum Einsatz. Wenn sie mit Bellen und Rinde-Kratzen einen Fund anzeigt, übernehmen Baumkletterer die Feinsuche. Ihre Arbeit ist so mühsam wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Baum für Baum und Ast für Ast spähen sie nach Spänen, Ausflugslöchern und Eiablagen. Erst wenn sie den ultimativen Beweis finden, wird der Baum gefällt, gehäckselt und verbrannt. So wie jede andere mögliche Wirtspflanze im Umkreis von 100 Metern. Egal, ob sie auf öffentlichem oder Privatgrund steht. „In einem Fall hat es einen Waldbesitzer besonders hart getroffen“, erinnert sich Petra Meier. Der Mann hatte Holzabfälle aus dem Garten in seinen Forst gebracht – nicht wissend, dass sich darin Käferlarven befanden. Der wirtschaftliche Schaden ist in solchen Fällen schnell fünfstellig.
Doch auch wenn die Sache ernst ist: Für den Hund selbst ist „Such den Käfer“keine Arbeit, sondern das beste Spiel der Welt. Eines, für das es eine vorzügliche Nase braucht. Rika, die auch ausgebildeter Jagdhund ist, war Baden-Württembergs erster Anoplophora-Spürhund. In Österreich wurde sie 2011 in einem zweiwöchigen Lehrgang ausgebildet. Seither kann sie Käfer, Larven, Eier und Fraßspuren des Schädlings mit hoher Trefferquote von bis zu 98 Prozent erschnüffeln. Den Praxistest bestand sie bereits kurz nach ihrer Ausbildung: Bei einem Kontrollgang im Hafengebiet von Weil am Rhein spürte sie im Jahr 2012 Käferlarven in einer Platane auf. Zwei Monate später wurde sie in der Quarantänezone erneut fündig. Den befallenen Baum hatten vorher mehrfach menschliche Kontrolleure inspiziert, ohne dass diesen etwas Verdächtiges aufgefallen wäre.
Regelmäßige Kontrollgänge
Dass der Käfer ausgerechnet im Hafengebiet auftauchte, ist kein Zufall. Meist sind es Containerschiffe, mit denen der Schädling nach Europa gelangt. Ist ein Gebiet einmal betroffen, patrouillieren Rika und ihre tierischen Kollegen regelmäßig in der Befallszone wie auch in der Umgebung in einem Umkreis von bis zu zwei Kilometern. Für das Tier wie seinen Halter ist das eine so anspruchsvolle wie anstrengende Arbeit: „Hunde reagieren auf minimale Duftnuancen“, erklärt Petra Meier. „Für die Arbeit müssen sie lernen, sich von nichts ablenken zu lassen. Weder von Wildgeruch noch von der Katze in Nachbars Garten.“Im Training wird das wieder und wieder geübt. Damit Rika nicht einfach dem Geruch ihrer Halterin nachsucht, streift Petra Meier zum Verstecken von Sägespänen und anderen Duftproben Latexhandschuhe über. Zusätzlich variiert sie jedes Mal das Probenmaterial – diese Woche Ahorn, nächste Woche Kastanie: „Sonst sucht der Hund am Ende Ahorn mit Handschuhgeruch.“
Fünf Anoplophora-Suchteams gibt es derzeit in Baden-Württemberg, etwa 40 in ganz Deutschland. Auch Meiers knapp dreijährige Hündin Quitura ist zertifizierter Käferspürhund. Die Arbeit wird dem Team nicht ausgehen. Erst wenn in einem Gebiet vier Jahre lang weder Larve noch Käferspur gefunden wurden, gilt ein Befall als getilgt.