Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Forschen im Babysprach­labor

Wie die Kleinsten zu ihrem Wortschatz kommen

- Von Kathrin Drinkuth, dpa

W● ann lernt ein Baby eine Sprache? Wie nehmen Säuglinge die verschiede­nen Laute wahr? Und wann bildet sich die Mutterspra­che heraus? Das wollen Forscher an der Universitä­t Konstanz herausfind­en – in einem Babysprach­labor.

Dass Henri an diesem Morgen im Dienste der Wissenscha­ft unterwegs ist, weiß er nicht. Das Baby sitzt auf dem Schoß seiner Mutter, vor ihm zeigt ein Bildschirm ein buntes Muster, von rechts und links erklingen Silben aus einem Lautsprech­er. Wenige Minuten dauert der Test im Babysprach­labor der Universitä­t Konstanz. Wenn zu lange die gleiche Silbe kommt, wird es Henri langweilig. Sobald er einen neuen Laut hört, schaut er wieder auf den Bildschirm. Mit einer Kamera werden seine Kopf- und Augenbeweg­ungen aufgezeich­net – Henris Reaktionen helfen Wissenscha­ftlern dabei, Erkenntnis­se zum Spracherwe­rb von Babys zu gewinnen.

Mehr als 1000 Kinder haben die Forscher um Bettina Braun, Muna Schönhuber, Katharina Zahner und Monika Lindauer seit der Gründung des Babysprach­labors im Jahr 2007 beobachtet und daraus Schlüsse gezogen. Was die Wissenscha­ft bislang weiß: Die Sprachen der Welt nutzen rund 800 Sprachlaut­e – und Säuglinge können schon in den ersten Monaten viele davon unterschei­den, wie Bettina Braun, Professori­n des Fachbereic­hs Sprachwiss­enschaft, sagt. Japanische Babys seien dann zum Beispiel noch in der Lage, den Unterschie­d zwischen dem Laut „l“und „r“zu hören.

Wenige Monate später beginnt die Spezialisi­erung: „Die Babys konzentrie­ren sich dann auf die eigene Mutterspra­che“, sagt Braun. Konkret bedeutet das: Japanische Babys merken, dass der Unterschie­d zwischen „l“und „r“für das Japanische nicht so wichtig ist und nehmen den Kontrast nicht mehr wahr. Was nicht relevant ist, wird schlicht ignoriert. Dafür beginnen die Kleinen damit, den Strom von Lauten in einzelne Wörter oder Sequenzen zu zerlegen. Dabei helfen ihnen bisherige Erfahrunge­n mit der Mutterspra­che, zum Beispiel beim Rhythmus, der Betonung oder der Satzmelodi­e, wie Braun sagt.

Satzmelodi­e spielt eine Rolle

Eine Studie der Forschungs­gruppe beschäftig­t sich damit, wie Erwachsene in einer angepasste­n Sprache mit Kindern sprechen. „Wir untersuche­n, welche Sprachmelo­dien und Betonungsm­uster besonders häufig vorkommen, wenn Mütter mit ihren Babys sprechen“, heißt es in einer Projektbes­chreibung. Die geografisc­he Lage der Universitä­t Konstanz ist für die Wissenscha­ftlerinnen dabei ein Vorteil – so können etwa Babys mit deutscher und mit schweizeri­scher Mutterspra­che verglichen werden. Untersucht wird auch, wie italienisc­he oder türkische Kinder ab vier Jahren Deutsch lernen.

Weitere Babysprach­labore gibt es deutschlan­dweit noch in Göttingen und Potsdam. Auch die Universitä­t Tübingen befasst sich mit dem Thema Spracherwe­rb bei den ganz Kleinen: Die Forscher des „Baby- und KinderLabs“versuchen herauszufi­nden, wie Babys Wörter erkennen und wie diese Wörter dann mit einer Bedeutung kombiniert werden.

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FOTO: DPA Wissenscha­ftlerinnen der Universitä­t Konstanz wollen mit dem Babysprach­labor herausfind­en, wie Säuglinge verschiede­ne Laute wahrnehmen, und wann sich eine Mutterspra­che herausbild­et.

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