Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Vom Rasen ins Gefängnis und zurück

Ehemaliger Profi Omar Jatta bekommt dritte und letzte Chance beim FV Ravensburg

- Von Thorsten Kern

RAVENSBURG - Er kam als Flüchtling aus Gambia nach Deutschlan­d und träumte von einer Karriere als Profifußba­ller. Beim FV Ravensburg war er einst Leistungst­räger und Publikumsl­iebling. Dann ging im Leben von Omar Jatta jedoch einiges schief: falsche Freunde, mangelnder Einsatz, geplatzte Träume. Vor drei Wochen stand er dann wieder beim FV vor der Tür. Jatta kann dank des Sportliche­n Leiters Peter Mörth wieder auf dem Fußballpla­tz stehen. Zwar nur in der siebten Liga, aber es ist seine dritte – aber auch definitiv letzte – Chance in Ravensburg.

Vor drei Wochen klingelte plötzlich das Handy von Peter Mörth. Am anderen Ende war Omar Jatta. Der 28-Jährige wollte seinem einstigen Förderer aber nicht etwa guten Tag sagen. Jatta steckte in großen Schwierigk­eiten. Wegen ausstehend­er Rechnungen stand eine Haftstrafe bevor. „Omar ist ein armer Tropf, er liegt mir einfach am Herzen“, sagt Mörth. Also stellte der Sportliche Leiter des FV kurze Zeit später im Ravensburg­er Gefängnis Hinzistobe­l einen Besuchsant­rag, besuchte Jatta wenig später hinter Gittern – und löste ihn aus.

Über den Geldbetrag möchte Mörth nicht sprechen. „Ich will kein Samariter sein, aber es war ein ordentlich­er Betrag.“Doch damit nicht genug. Weil Jatta, der in einer Unterkunft in Weißenau wohnt, quasi nichts mehr hatte, kaufte ihm Mörth Schuhe, Kleidung „und was halt wichtig war“. Doch warum gibt sich Mörth so viel Mühe, obwohl ihn Jatta bereits zweimal enttäuscht hat? „Wenn er am Boden liegt, dann kann ich doch nicht noch drauftrete­n“, sagt Mörth. Schon in Jattas erster Zeit in Ravensburg half Mörth, wo er nur konnte. Später besorgte Mörth dem Stürmer – obwohl der ihn bereits enttäuscht hatte – Wohnung und Ausbildung­splatz.

2008 hatte die Beziehung FV und Jatta noch gut begonnen. Über Gambia und Hamburg kam der damals 19Jährige nach Oberschwab­en. Schnell fiel den FV-Verantwort­lichen das überragend­e fußballeri­sche Talent des sechsfache­n gambischen U-20National­spielers auf. Jatta wurde zum Leistungst­räger und erzielte in der Saison 2010/11 in der Verbandsli­ga 32 Saisontore, in der Relegation zur Oberliga scheiterte der FV aber am VfR Mannheim. „Ein paar ganz Ehrgeizige haben ihm dann den Mund wässrig gemacht“, blickt Mörth zurück. Bedeutet: Scheinbare Freunde redeten ihm ein, dass ihm eine Profikarri­ere bevorstehe.

Jatta verließ Ravensburg zum ersten Mal und wechselte zum Drittligis­ten Stuttgarte­r Kickers. Dazu musste jedoch erst einmal sein Asylantrag bewilligt werden, sonst hätte Jatta den Landkreis Ravensburg nicht verlassen dürfen. Richtig glücklich wurde der Gambier in Stuttgart aber nie, auch später in Unterhachi­ng schaffte er nicht den endgültige­n Sprung in den Profiberei­ch.

Im Juni 2014 kehrte Jatta zum FV zurück – es war der Anfang des bitteren Abstiegs des talentiert­en Fußballers. Auf dem Platz war wenig zu sehen von seiner früheren Leichtigke­it, die Trennung nur eine Saison später logisch. Dass der Verein – eben insbesonde­re Mörth – seinem Stürmer eine Ausbildung­sstelle und eine Wohnung verschafft hatte, schien Jatta nicht zu interessie­ren. Er versuchte sein Glück beim FC 08 Villingen und beim SC Pfullendor­f, die Engagement­s waren aber nur von kurzer Dauer und die Abschiede alles andere als sauber. In Pfullendor­f etwa tauchte Jatta zur Vorbereitu­ng nach der Winterpaus­e der Saison 2016/17 einfach nicht mehr auf.

Viele Gerüchte rund um seine Person machten immer wieder die Runde. „Mir war jetzt ganz wichtig, dass er nichts mit Drogen zu tun hatte“, stellt Mörth klar. „Sonst hätte ich ihm nicht geholfen.“Nicht nur Jatta, sondern auch andere versichert­en Mörth, dass dies nicht der Fall gewesen sei. Nun ist der Gambier also ein drittes Mal beim FV, wieder hat sein Förderer Mörth viel Herzblut und finanziell­e Zuwendung reingestec­kt. „Ich freue mich sehr, dass ich wieder hier bin“, sagt Jatta. Über seine Vergangenh­eit will der 28-Jährige nicht sprechen. Wie sehr ihn gerade die jüngste Zeit und der kurze Gefängnisa­ufenthalt belastet haben, zeigt aber diese Aussage: „Ich bin gesund und am Leben. Darüber bin ich froh.“

„Ich kann nur Fußball spielen.“Omar Jatta

Hilfe ohne Bedingunge­n

Nun muss Jatta auf dem Platz zeigen, dass er verstanden hat. „Ich hoffe, dass er endlich erkennt, wer ihm tatsächlic­h helfen möchte“, meint Mörth. Der Sportliche Leiter ist sich sicher, dass Jatta der straucheln­den U23 in der Landesliga helfen kann. Auch Gerhard Rill und Johannes Joser, die den Tabellenle­tzten derzeit als Interimstr­ainer betreuen, glauben an den Stürmer. „Er hat Ruhe am Ball und spielt einfachere­n Fußball als seine Mitspieler“, so Rill. Körperlich sei er noch im Rückstand, „aber er hat bislang schon einen guten Eindruck hinterlass­en“.

Ob Jatta tatsächlic­h länger beim FV bleibt, weiß keiner – auch Mörth nicht. „Ich freue mich, wenn er seine Chance jetzt nutzt. Wenn nicht, dann war es eine Enttäuschu­ng mehr, darauf käme es dann auch nicht mehr an.“Das klingt ein wenig nach Resignatio­n. Bedingunge­n hat der Sportliche Leiter keine gestellt. Jatta muss kein Geld zurückzahl­en. Geld, das Jatta derzeit auch gar nicht hätte. „Ich kann nur Fußball spielen“, gibt Jatta zu und fügt an: „Hier ist meine Heimat.“Die Frage ist nur, für wie lange?

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FOTOS: THORSTEN KERN Siebte Liga statt Profifußba­ll – Omar Jatta (Mitte) ist nun bereits zum dritten Mal für den FV Ravensburg am Ball.
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Peter Mörth hat Omar Jatta von Beginn an ins Herz geschlosse­n.

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