Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Region soll Vorreiter bei Digitalisierung werden
Innenminister Strobl präsentiert beim Zukunftsforum in Ravensburg seine Visionen für das Land und den Kreis
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RAVENSBURG - Baden-Württemberg soll die digitale Leitregion in Europa werden – und der Region BodenseeOberschwaben kommt dabei eine wesentliche Rolle zu. Das sind zumindest die Visionen von Thomas Strobl, dem baden-württembergischen Minister für Inneres, Digitalisierung und Migration. Um den „digitalen Teppich zum Fliegen zu bringen“, wie CDU-Mann Strobl es nennt, will die Landesregierung im Laufe der Legislaturperiode eine Milliarde Euro in die Hand nehmen.
Wie genau die digitale Zukunft in den Kommunen aussehen wird, diskutierte der Minister am Montag beim ersten Zukunftsforum des Landkreises Ravensburg mit den beiden weiteren Referenten Franz Reinhard Habbel, Sprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, sowie Axel Wittig, Geschäftsführender Gesellschafter von Webo-Werkzeugbau in Amtzell. Die Veranstaltung, bei der Vertreter aus Politik und Wirtschaft anwesend waren, fand im Gebäude der Kreissparkasse in Ravensburg statt.
„Die Digitalisierung verändert die Welt – und sie passiert nicht irgendwann, sondern jetzt“, betonte Digitalisierungsminister Strobl. Es sei eine Revolution, vergleichbar mit der Erfindung des Automobils oder des elektrischen Stroms – nur, dass die digitale Revolution weit darüber hinausgehe und blitzschnell verlaufe. „Alles, was industrialisiert ist, wird digitalisiert werden“, prophezeite Strobl.
Dem Minister zufolge dürfe sich Baden-Württemberg den rasanten Entwicklungen nicht verschließen, und ebenso wenig davon abhängen lassen. Im Gegenteil: Das Bundesland müsse vorne mitmischen. Strobl ist in dieser Sache optimistisch: „Nirgendwo steckt so viel Innovationskraft wie hier“, sagte er.
Wichtig sei allerdings, dass die Menschen keine Angst vor der Digitalisierung haben. „Sie birgt riesige Chancen und kann sehr nützlich sein“, warb der Minister. Als Beispiele führte er selbstfahrende Autos an, die älteren Menschen eine gewissen Mobilität ermöglichen könnten, sowie ärztliche Beratungsgespräche mittels Videokonferenz, die die angespannte Gesundheitsversorgung auf dem Land entspannen könnten.
Laut Strobl habe die Landesregierung bereits einen „Masterplan“. Nach und nach sollen verschiedene Digitalisierungsstrategien umgesetzt werden. Ganz oben auf der Agenda steht die Versorgung sämtlicher Haushalte mit schnellem Internet – auch im Kreis Ravensburg.
Bevor Akten digitalisiert sind, landen Menschen auf dem Mond
Franz-Reinhard Habbel vom Deutschen Städte- und Gemeindetag sieht bei der Digitalisierung vor allem die Kommunen in der Pflicht. Sie sollten die Manager sein, die Probleme dort lösen, wo sie entstehen – nämlich vor Ort. In erster Linie müssten sich laut Habbel die Behörden und Verwaltungen vernetzen und ihre Arbeit von analog auf digital umstellen. Das bedeute auch, neu und flexibel zu denken und aus den alten bürokratischen Strukturen rauszukommen. „Die Frage ist, ob jedes Problem immer ein eigenes Amt braucht“, provozierte Habbel.
Für die Unbeweglichkeit vieler Kommunen führte der Vertreter des Deutschen Städte- und Gemeindetags folgendes Exempel an: „TeslaGründer Elon Musk plant, im Jahr 2025 die ersten Menschen auf den Mond zu schicken. Das Land Nordrhein-Westfalen will bis 2031 die elektronische Akte einführen – da werden also schon sechs Jahre lang Menschen auf dem Mond herumspazieren.“
Was Habbel vorschlägt, ist, dass sich die Städte und Gemeinden genauso wie das Land eine digitale Strategie zulegen. Und: Sie sollten die Daten ihrer Bürger – natürlich im Rahmen des Datenschutzes – kostenlos zur Verfügung stellen, unter anderem für die Wirtschaft. Hier sind nach Habbels Ansicht mehr Kooperationen nötig. „Wir brauchen eine smarte und transparente Verwaltung und keine B lack Box “, kritisiert eder Digitali sie rungs verfechter die duckmäuserische Haltung vieler Kommunen.
Der Geschäftsführer von WeboWerkzeugbau aus Amtzell, Axel Wittig, erklärte, in seiner Firma werde Papier nur noch für die Herstellung selbst verwendet – alles andere laufe digital. Von den Kommunen wünscht er sich mehr Unterstützung und Betreuung der Gewerbetreibenden. Im Gegenzug kann er sich vorstellen, dass die Wirt schafts unternehmen den Kommunen als Paten unter die Arme greifen, damit sich Prozesse beschleunigen. Wittig hadert beispielsweise mit der langen und immer noch analogen Bearbeitungszeit von Bauprojekten.
Hinsichtlich des Austauschs von Daten ist der Webo-Geschäftsführer jedoch skeptisch. „Die Cyber-Kriminalität ist ein großes Problem“, gab Wittig zu bedenken. „Wenn man Daten offenlegt, dann muss man sie auch gegen fremde Zugriffe schützen.“