Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Wasser für 80 000 Menschen aus einer Quelle
Geologe: Mehr Bohrungen nötig – Waldburger Rücken ist ein zusammenhängender Trinkwasserspeicher
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KREIS RAVENSBURG - Ohrenbetäubender Lärm. Das Wasser drückt sich aus der Erde durch einen Steinhaufen und rauscht in ein Becken. Von dort aus gelangt es direkt in die Wasserleitungen, die ins Schussental führen. Es ist das Wasser für die 12 200 Einwohner der Gemeinden Baindt und Baienfurt.
Auf den dicken Rohren sind Messapparate angebracht. 41,76 und 32,23 zeigen sie an, die Einheit: Liter pro Sekunde. Das heißt, zusammengerechnet sind das rund 74 Liter pro Sekunde. Addiert man die etwa 30 Liter pro Sekunde dazu, die im Weiler Bainders in einen Fischzuchtbetrieb sprudeln, wächst die Zahl der Quelle Weißenbronnen auf mehr als 100 Liter pro Sekunde.
„Mit dieser Wassermenge kann man problemlos 80 000 Leute versorgen“, sagt Horst Tauchmann. Er ist Geologe vom Geo-Umwelt-Team aus Marktoberdorf. Seit 30 Jahren arbeitet sein Büro schon im Bereich der Trinkwassererschließung. Im Auftrag der Gemeinde Vogt hat er die Geologie des Waldburger Rückens untersucht. Immer mit der Frage, ob es durch einen möglichen Kiesabbau im Vogter Teilort Grund Auswirkungen auf das Trinkwasser geben könnte.
Diese Frage ist unglaublich schwer zu beantworten, weil sie so komplex ist, wie es die Geologie auf dem Waldburger Rücken ist. Laut Geologe Tauchmann ist es zum jetzigen Stand (das Gutachten ist noch nicht ganz abgeschlossen) mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen, dass die Trinkwasserquellen für die Gemeinde Vogt von dem Kiesabbau betroffen sind. Zum Hintergrund: Das Vogter Trinkwasser kommt aus den Quellen Rohrmoos und Damoos im Altdorfer Wald. Das Wasser auf dem Waldburger Rücken fließt von Südwesten nach Nordosten; Und da die Wasserspiegel der Vogter Quellen im Verhältnis zum möglichen Kiesabbaugebiet höher liegen, ist anzunehmen, dass sie von einem Kiesabbau in Grund nicht betroffen sind.
Anders sieht es da für die Quelle Weißenbronnen aus. Dort gibt es laut Horst Tauchmann noch ungeklärte Faktoren. Zwar gab es auf dem avisierten elf Hektar großen Kiesabbaugebiet drei Bohrungen auf der Osthälfte, doch um Klarheit über das Einzugsgebiet für die Quelle Weißenbronnen zu haben, müsste auch auf der Westhälfte gebohrt werden. „Je mehr Bohrungen es gibt, desto genauer kann man sagen, wo das Einzugsgebiet der Quelle liegt“, sagt Tauchmann. Für den Vorsitzenden des Wasserzweckverbands BaienfurtBaindt, Günter A. Binder, ist die Sache klar: „Das ist ein Trinkwasserreservoir für unsre Zukunft. Wasser ist unser höchstes Gut, und wir werden alles dafür tun, das zu schützen“, sagt Binder, der auch Bürgermeister von Baienfurt ist. Er kündigte ein „juristisch belastbares Gutachten“an, ein Rechtsanwalt ist bereits eingeschaltet. „Wir sehen unsere Quelle in Gefahr. Beim Zielabweichungsverfahren muss dringend das Thema Trinkwasser berücksichtigt werden, gerade vor dem Hintergrund, dass das Wasserschutzgebiet nach heutigem Wissensstand deutlich größer sein müsste“, sagt Günter A. Binder.
Gletscher schuf die Bedingungen
Grund dafür ist, das bei der Ausweisung des Gebietes von einer kleineren Wassermenge ausgegangen wurde, die die Quelle liefert. Festgehalten ist eine Größe von 3,3 Quadratkilometern. Laut Einschätzung von Geologe Horst Tauchmann muss das Schutzgebiet mindestens fünf Quadratkilometer groß sein.
Beim sogenannten Zielabweichungsverfahren, das beim Regierungspräsidium Tübingen bereits gestartet wurde, geht es darum, das bisher im Regionalplan ausgewiesene Ausschlussgebiet für Kiesabbau in ein Vorranggebiet für Kiesabbau umzuwandeln, damit die Kiesgesellschaft Karsee dort den begehrten Rohstoff für sämtliche Bauvorhaben abbauen darf.
Dass gerade im Altdorfer Wald so viel Kies in der Erde schlummert und sich dort gleichzeitig ein Trinkwasserreservoir mit Wasser von bester Qualität wiederfindet, ist kein Zufall. Die Gründe dafür liegen in der Erdgeschichte, wie Geologe Horst Tauchmann erklärt: Der Waldburger Rücken entstand in der letzten Eiszeit, als der RheintalGletscher ganz Oberschwaben geformt hat. Der Waldburger Rücken hat eine Länge von etwa acht bis zehn Kilometern und eine Breite von zwei bis drei Kilometern. Die vom Gletscher hinterlassenen Schichten sind ein Filter für das Regenwasser. Bevor das Wasser ins Grundwasser gelangt, sickert es durch Lehm, Kies und Sand und wird so mit Mineralien angereichert. Deswegen ist das Wasser auch kalkhaltig. „Dieses Wasser kann man problemlos als Mineralwasser abfüllen“, sagt Tauchmann. Unbehandelt kann es deswegen bedenkenlos in das Wassernetz gepumpt werden.
Für Trinkwasser findet man im Altdorfer Wald optimale Bedingungen – vom Waldgebiet bis zu den Filterschichten. Tauchmann: „So etwas findet man nur noch ganz selten. Normalerweise habe ich immer mit Problemen wie Siedlungen, Straßen oder Ähnlichem zu tun. Hier ist es perfekt, und das Wasser von gigantischer Qualität.“Durch den Kiesabbau Das geplante Kiesabbaugebiet und das ausgewiesene Wasserschutzgebiet liegen nah beieinander. könnte allerdings die Filterwirkung wegfallen, wenn der Kiesabbau im Einzugsbereich der Quelle liegt.
Bei seinen Untersuchungen kam Tauchmann zum Schluss, dass der gesamte Waldburger Rücken ein großer zusammenhängender Wasserspeicher ist. Vergleicht man die Diagramme der Wassermengen und die natürlichen Schwankungen der Quellen Weißenbronnen, Rohrmoos und Damoos sieht man eindeutige Parallelen – und das, „obwohl sie „total weit auseinanderliegen“. Deswegen müsse man sich den kompletten Waldburger Rücken wie eine große Badewanne vorstellen, bei der auf jeder Seite Wasser überläuft. „Wir haben es hier mit einer sehr komplizierten Geologie und Hydraulik zu tun“, sagt der Fachmann.
Doch bleibt die Frage, warum gerade die Gemeinden Baienfurt und Baindt ihr Wasser ausgerechnet aus dem Altdorfer Wald beziehen. 1964 hat man sich dazu entschieden, weil die Wasserqualität aus den eigenen Quellen mangelhaft war. 2007 schloss sich Baindt Baienfurt an, weil das Wasser aus den Baindter Quellen mit Ozon behandelt werden musste, um es ins Trinkwassernetz zu pumpen. „Kein Baindter hat sich damals beklagt“, sagt Baindts Bürgermeister Elmar Buemann.
Übrigens: Der Planungsausschuss des Regionalverbands Bodensee-Oberschwaben hat seine Entscheidung zum Kiesabbau in Grund am Dienstag vertagt.
Alle Texte und Videos zum Thema Kiesabbau gibt es in einem Dossier: