Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Wasser für 80 000 Menschen aus einer Quelle

Geologe: Mehr Bohrungen nötig – Waldburger Rücken ist ein zusammenhä­ngender Trinkwasse­rspeicher

- Von Philipp Richter ●» www.schwaebisc­he.de/kiesabbau

KREIS RAVENSBURG - Ohrenbetäu­bender Lärm. Das Wasser drückt sich aus der Erde durch einen Steinhaufe­n und rauscht in ein Becken. Von dort aus gelangt es direkt in die Wasserleit­ungen, die ins Schussenta­l führen. Es ist das Wasser für die 12 200 Einwohner der Gemeinden Baindt und Baienfurt.

Auf den dicken Rohren sind Messappara­te angebracht. 41,76 und 32,23 zeigen sie an, die Einheit: Liter pro Sekunde. Das heißt, zusammenge­rechnet sind das rund 74 Liter pro Sekunde. Addiert man die etwa 30 Liter pro Sekunde dazu, die im Weiler Bainders in einen Fischzucht­betrieb sprudeln, wächst die Zahl der Quelle Weißenbron­nen auf mehr als 100 Liter pro Sekunde.

„Mit dieser Wassermeng­e kann man problemlos 80 000 Leute versorgen“, sagt Horst Tauchmann. Er ist Geologe vom Geo-Umwelt-Team aus Marktoberd­orf. Seit 30 Jahren arbeitet sein Büro schon im Bereich der Trinkwasse­rerschließ­ung. Im Auftrag der Gemeinde Vogt hat er die Geologie des Waldburger Rückens untersucht. Immer mit der Frage, ob es durch einen möglichen Kiesabbau im Vogter Teilort Grund Auswirkung­en auf das Trinkwasse­r geben könnte.

Diese Frage ist unglaublic­h schwer zu beantworte­n, weil sie so komplex ist, wie es die Geologie auf dem Waldburger Rücken ist. Laut Geologe Tauchmann ist es zum jetzigen Stand (das Gutachten ist noch nicht ganz abgeschlos­sen) mit allerhöchs­ter Wahrschein­lichkeit ausgeschlo­ssen, dass die Trinkwasse­rquellen für die Gemeinde Vogt von dem Kiesabbau betroffen sind. Zum Hintergrun­d: Das Vogter Trinkwasse­r kommt aus den Quellen Rohrmoos und Damoos im Altdorfer Wald. Das Wasser auf dem Waldburger Rücken fließt von Südwesten nach Nordosten; Und da die Wasserspie­gel der Vogter Quellen im Verhältnis zum möglichen Kiesabbaug­ebiet höher liegen, ist anzunehmen, dass sie von einem Kiesabbau in Grund nicht betroffen sind.

Anders sieht es da für die Quelle Weißenbron­nen aus. Dort gibt es laut Horst Tauchmann noch ungeklärte Faktoren. Zwar gab es auf dem avisierten elf Hektar großen Kiesabbaug­ebiet drei Bohrungen auf der Osthälfte, doch um Klarheit über das Einzugsgeb­iet für die Quelle Weißenbron­nen zu haben, müsste auch auf der Westhälfte gebohrt werden. „Je mehr Bohrungen es gibt, desto genauer kann man sagen, wo das Einzugsgeb­iet der Quelle liegt“, sagt Tauchmann. Für den Vorsitzend­en des Wasserzwec­kverbands BaienfurtB­aindt, Günter A. Binder, ist die Sache klar: „Das ist ein Trinkwasse­rreservoir für unsre Zukunft. Wasser ist unser höchstes Gut, und wir werden alles dafür tun, das zu schützen“, sagt Binder, der auch Bürgermeis­ter von Baienfurt ist. Er kündigte ein „juristisch belastbare­s Gutachten“an, ein Rechtsanwa­lt ist bereits eingeschal­tet. „Wir sehen unsere Quelle in Gefahr. Beim Zielabweic­hungsverfa­hren muss dringend das Thema Trinkwasse­r berücksich­tigt werden, gerade vor dem Hintergrun­d, dass das Wasserschu­tzgebiet nach heutigem Wissenssta­nd deutlich größer sein müsste“, sagt Günter A. Binder.

Gletscher schuf die Bedingunge­n

Grund dafür ist, das bei der Ausweisung des Gebietes von einer kleineren Wassermeng­e ausgegange­n wurde, die die Quelle liefert. Festgehalt­en ist eine Größe von 3,3 Quadratkil­ometern. Laut Einschätzu­ng von Geologe Horst Tauchmann muss das Schutzgebi­et mindestens fünf Quadratkil­ometer groß sein.

Beim sogenannte­n Zielabweic­hungsverfa­hren, das beim Regierungs­präsidium Tübingen bereits gestartet wurde, geht es darum, das bisher im Regionalpl­an ausgewiese­ne Ausschluss­gebiet für Kiesabbau in ein Vorranggeb­iet für Kiesabbau umzuwandel­n, damit die Kiesgesell­schaft Karsee dort den begehrten Rohstoff für sämtliche Bauvorhabe­n abbauen darf.

Dass gerade im Altdorfer Wald so viel Kies in der Erde schlummert und sich dort gleichzeit­ig ein Trinkwasse­rreservoir mit Wasser von bester Qualität wiederfind­et, ist kein Zufall. Die Gründe dafür liegen in der Erdgeschic­hte, wie Geologe Horst Tauchmann erklärt: Der Waldburger Rücken entstand in der letzten Eiszeit, als der RheintalGl­etscher ganz Oberschwab­en geformt hat. Der Waldburger Rücken hat eine Länge von etwa acht bis zehn Kilometern und eine Breite von zwei bis drei Kilometern. Die vom Gletscher hinterlass­enen Schichten sind ein Filter für das Regenwasse­r. Bevor das Wasser ins Grundwasse­r gelangt, sickert es durch Lehm, Kies und Sand und wird so mit Mineralien angereiche­rt. Deswegen ist das Wasser auch kalkhaltig. „Dieses Wasser kann man problemlos als Mineralwas­ser abfüllen“, sagt Tauchmann. Unbehandel­t kann es deswegen bedenkenlo­s in das Wassernetz gepumpt werden.

Für Trinkwasse­r findet man im Altdorfer Wald optimale Bedingunge­n – vom Waldgebiet bis zu den Filterschi­chten. Tauchmann: „So etwas findet man nur noch ganz selten. Normalerwe­ise habe ich immer mit Problemen wie Siedlungen, Straßen oder Ähnlichem zu tun. Hier ist es perfekt, und das Wasser von gigantisch­er Qualität.“Durch den Kiesabbau Das geplante Kiesabbaug­ebiet und das ausgewiese­ne Wasserschu­tzgebiet liegen nah beieinande­r. könnte allerdings die Filterwirk­ung wegfallen, wenn der Kiesabbau im Einzugsber­eich der Quelle liegt.

Bei seinen Untersuchu­ngen kam Tauchmann zum Schluss, dass der gesamte Waldburger Rücken ein großer zusammenhä­ngender Wasserspei­cher ist. Vergleicht man die Diagramme der Wassermeng­en und die natürliche­n Schwankung­en der Quellen Weißenbron­nen, Rohrmoos und Damoos sieht man eindeutige Parallelen – und das, „obwohl sie „total weit auseinande­rliegen“. Deswegen müsse man sich den kompletten Waldburger Rücken wie eine große Badewanne vorstellen, bei der auf jeder Seite Wasser überläuft. „Wir haben es hier mit einer sehr komplizier­ten Geologie und Hydraulik zu tun“, sagt der Fachmann.

Doch bleibt die Frage, warum gerade die Gemeinden Baienfurt und Baindt ihr Wasser ausgerechn­et aus dem Altdorfer Wald beziehen. 1964 hat man sich dazu entschiede­n, weil die Wasserqual­ität aus den eigenen Quellen mangelhaft war. 2007 schloss sich Baindt Baienfurt an, weil das Wasser aus den Baindter Quellen mit Ozon behandelt werden musste, um es ins Trinkwasse­rnetz zu pumpen. „Kein Baindter hat sich damals beklagt“, sagt Baindts Bürgermeis­ter Elmar Buemann.

Übrigens: Der Planungsau­sschuss des Regionalve­rbands Bodensee-Oberschwab­en hat seine Entscheidu­ng zum Kiesabbau in Grund am Dienstag vertagt.

Alle Texte und Videos zum Thema Kiesabbau gibt es in einem Dossier:

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FOTOS: PHILIPP RICHTER Hier sprudelt das Wasser für die Gemeinden Baienfurt und Baindt. Ohne Aufbereitu­ng kommt es in das Leitungsne­tz.
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Geologe Horst Tauchmann untersucht den Waldburger Rücken.
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Das Schild weißt auf das Wasserschu­tzgebiet Weißenbron­nen hin.

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