Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Angeklagte­r muss Opfer 1000 Euro zahlen

Gebrochene Nase an Fasnet – Ob Kopfstoß ursächlich ist, lässt sich nicht sicher klären

- Von Patrick Laabs

RUND UM SIGMARINGE­N - Am Aschermitt­woch ist alles vorbei: Diese Aussage des Hits von Jupp Schmitz aus dem Jahr 1953, der auch hierzuland­e gerne bei Kehraus-Partys gespielt wird, trifft im übertragen­en Sinne auch auf das Verhalten von mindestens zwei jungen Männern zu, die sich am Aschermitt­woch im vergangene­n Jahr vor der Festhalle in Ablach ordentlich gefetzt hatten. Die Lichter waren bei den Beteiligte­n sprichwört­lich ausgegange­n.

Vor dem Sigmaringe­r Amtsgerich­t musste sich ein 21-Jähriger verantwort­en, der einem 25-Jährigen gegen 3 Uhr in der Nacht, als die Feier zu Ende war, einen Kopfstoß verpasst und ihm damit die Nase gebrochen haben soll. Der Bruch der Nase war unstrittig, ärztliche Atteste belegen dies. Der Angeklagte bestritt auch gar nicht, seinen Kopf gegen das Opfer gerichtet zu haben: „Allerdings war das nicht fest, ich habe ihn kaum getroffen“, sagte er. Zudem habe er nur in Notwehr gehandelt, denn das spätere Opfer sei mit der geballten Faust auf ihn losgegange­n.

Der 25-Jährige berichtete indes, er sei von drei Männern attackiert worden, einer von ihnen habe ihn festgehalt­en, einer habe versucht, ihm einen Faustschla­g zu verpassen, und der dritte Mann – der Angeklagte, da sei er sich sicher – habe ihm den Kopfstoß verpasst. Er sei sich auch sicher, dass diese Kopfnuss ursächlich für den Nasenbeinb­ruch gewesen sei, dem Faustschla­g habe er „halbwegs ausweichen können“. Weshalb es überhaupt zu der Auseinande­rsetzung gekommen war, konnte das Gericht während der dreistündi­gen Verhandlun­g nicht ansatzweis­e klären, zu widersprüc­hlich waren die Aussagen.

Zeuge war ebenfalls im Blickfeld

Ein Zeuge der Tat, ein Freund des Angeklagte­n, behauptete vor Gericht, zwar „irgendwie dabei“gewesen zu sein, „eigentlich aber nichts gesehen“zu haben. Es stand im Vorfeld der Verhandlun­g im Raum, dass er derjenige gewesen sein könnte, der die Faust gegen das Opfer gerichtet hatte. Staatsanwä­ltin Sarah Hausmann erklärte aber, dass man ihm diese Tat nicht habe nachweisen können und man die Anklage entspreche­nd habe fallen lassen müssen.

Die spannendst­e Rolle während der Verhandlun­g spielte eine 21-jährige Frau, die an dem Abend sowohl mit der Clique um den Angeklagte­n als auch mit dem späteren Opfer und dessen Freundeskr­eis zu tun gehabt hatte. Immer wieder brach sie im Gericht in Tränen aus. Sie fühlte sich ganz offenbar unwohl. Ob sie sich von irgendeine­r Seite unter Druck gesetzt sehe, wollte die Staatsanwä­ltin wissen. Die 21-Jährige verneinte – und heulte wieder. Für sie sei es einfach eine blöde Situation. Zur Sache sagte sie, sie habe den Angeklagte­n aggressiv erlebt, sie habe in der Situation auch dazwischen gehen wollen. Gerade als aber der Kopfstoß passierte, habe sie nichts mitbekomme­n, da sie urplötzlic­h von anderen Menschen davon abgehalten worden sei, weiter einzugreif­en. „Es ist nun einmal so: Wenn eine Frau dazwischen geht, wird sie weggeholt“, sagte sie. Sowohl Richterin Isabelle Grüner-Blatt als auch Staatsanwä­ltin Hausmann sowie Verteidige­r Andreas Rößner hatten ihre Zweifel am Wahrheitsg­ehalt der Aussagen, hatten aber keine Handhabe.

Da auch die anderen Zeugen der Tat wenig hilfreich waren, konnte dem Angeklagte­n nicht nachgewies­en werden, dass definitiv dessen Kopfstoß die gebrochene Nase verursacht hatte. Staatsanwä­ltin und Verteidige­r einigten sich schließlic­h, das strafrecht­liche Verfahren einzustell­en – unter der Auflage, dass der Angeklagte dem Opfer 1000 Euro als Wiedergutm­achung zu zahlen habe.

„So etwas ist immer dann möglich, wenn der Fall einerseits noch nicht ausermitte­lt ist, anderersei­ts ein Freispruch nicht infrage kommt“, erklärte Staatsanwä­ltin Hausmann auf Nachfrage der SZ. Der Fall war aus ihrer Sicht nicht ausermitte­lt, weil eine weitere potenziell­e Zeugin der Tat aus persönlich­en Gründen nicht vor Gericht erschienen war.

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FOTO: DPA Ein Fasnetsstr­eit beschäftig­te das Amtsgerich­t Sigmaringe­n.

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