Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Widerstand gegen „Hauruck-Verfahren“
Kiesabbau bei Vogt: Meichle und Mohr soll von Zielabweichungsverfahren absehen
● BAIENFURT/VOGT - Der geplante Kiesabbau in Grund bei Vogt schlägt immer höhere Wellen. Nachdem zunächst Anwohner in Vogt gegen mehr Lkw-Verkehr und eine längere Laufzeit der Asphaltmischanlage in Grenis protestiert hatten, wenden sich nun auch die Gemeinderäte von Baienfurt und Baindt gegen das Vorhaben, da sie ihr Trinkwasser gefährdet sehen. Zu einer Informationsveranstaltung sind am Mittwochabend rund 500 Besucher nach Baienfurt gekommen. Mehrfach wurde die Forderung laut, die Firma Meichle und Mohr, die das Kiesabbaugebiet beantragt hat, solle auf das Zielabweichungsverfahren verzichten, mit dem eine beschleunigte Genehmigung für den Abbau erreicht werden soll. Die „Schwäbische Zeitung“fasst die wichtigsten Fragen und Antworten des Abends zusammen.
Wo befindet sich das geplante neue Kiesabbaugebiet und was hat es mit dem bestehenden Abbaugebiet in Grenis (Amtzeller Gemarkung) zu tun?
Die Firma Meichle und Mohr mit Sitz in Immenstaad will beim Vogter Teilort Grund, zwischen Vogt und Wolfegg, ein elf Hektar großes Gebiet für den Kiesabbau erschließen. Meichle und Mohr betreibt bereits in Grenis, südlich von Vogt, eine Kiesgrube. In Grenis steht auch eine Asphaltmischanlage, in der der Kies zu Asphalt verarbeitet wird. Weil die Kiesvorräte in Grenis langsam zur Neige gehen, beziehungsweise weil es dort inzwischen zu wenig feines Material gibt, mit dem der grobe Kies gemischt werden muss, soll künftig Kies aus Grund nach Grenis transportiert und dort verarbeitet werden. Die Asphaltmischanlage gehört dem Straßenbaukonzern Strabag, Meichle und Mohr ist zu 50 Prozent daran beteiligt. Die Laufzeit der Asphaltmischanlage ist zeitlich an den Kiesabbau gebunden. Derzeit endet die Genehmigung für die Anlage im Jahr 2025. Würde künftig Kies aus Grund zur Anlage geliefert, würde sich damit auch der Genehmigungszeitraum für die Anlage verlängern.
Was hat es mit dem Zielabweichungsverfahren auf sich?
Weil im Regionalplan bisher im Altdorfer Wald bei Grund kein Kiesabbau vorgesehen ist, hat Meichle und Mohr ein Zielabweichungsverfahren beantragt. Mit diesem Verfahren soll von dem Ziel abgewichen werden, also Kiesabbau ermöglicht werden. Ein Zielabweichungsverfahren ist ein beschleunigtes Verfahren, das noch vor der Fortschreibung des Regionalplans behandelt wird.
Warum gibt es Kritik am beantragten Zielabweichungsverfahren?
Die Gemeinderäte von Baienfurt und Baindt kritisieren es als „Hauruck“-Verfahren, das keine Zeit lasse, alle Kriterien gründlich zu prüfen. Der Anwalt Reinhard Heer, der die Gemeinde Baienfurt in dieser Sache berät, sagte, die Genehmigung für das Zielabweichungsverfahren werde letztendlich nicht früher vorliegen als die Regionalplan-Fortschreibung. Aus seiner Sicht ist es zumutbar, bis zur Fortschreibung des Regionalplans zu warten. Nach seinen Worten ist ein Zielabweichungsverfahren außerdem nur für „Härtefälle“vorgesehen, was das geplante Abbauvorhaben nicht sei.
Warum war bisher im Regionalplan kein Kiesabbau im Bereich Grund vorgesehen?
Wie Wilfried Franke, Direktor des Regionalverbands, am Mittwoch bei der Info-Veranstaltung sagte, sei im geltenden Regionalplan, der aus dem Jahr 1996 stammt, dort kein Abbau vorgesehen, weil zu der Zeit, als der Regionalplan erstellt wurde, noch nicht bekannt gewesen sei, dass es dort Kiesvorkommen gibt. Dies sei erst später bei Probebohrungen festgestellt worden. Bruno Werner von Kreit, Sprecher der Interessensgemeinschaft Grenis-Grund, die sich gegen den geplanten Kiesabbau engagiert, sagte, die Umkehrung eines Ausschlussgebiets, in dem kein Rohstoffabbau zulässig ist, in ein Vorranggebiet sei „rechtlich unzulässig und politisch völlig unakzeptabel“.
Warum wehren sich die Gemeinderäte von Baienfurt und Baindt gegen den geplanten Kiesabbau bei Grund?
Die beiden Gemeinden sind in einem Wasserzweckverband verbunden und beziehen ihr Trinkwasser aus der Quelle Weißenbronnen im Altdorfer Wald. Mehr als 12 000 Menschen aus dem Landkreis Ravensburg erhalten ihr Trinkwasser aus dieser Quelle, die in der Nähe des geplanten Abbaugebiets liegt. Die Gemeinderäte befürchten, dass der Kiesabbau die Qualität des Trinkwassers verschlechtert, weil bis dato das Niederschlagswasser im Altdorfer Wald durch den Waldboden sowie die Kiesschicht gefiltert wird, wie auch der Geologe Horst Tauchmann bestätigt. Das Trinkwasser hat deshalb allerbeste Qualität, muss nicht aufbereitet werden, sondern wird quellfrisch an die Haushalte geliefert. Ob das vorgesehene Kiesabbaugebiet allerdings im Einzugsgebiet der Quelle liegt, ist unklar. Dies müssten weitere Bohrungen zeigen, so Tauchmann. Die Bohrungen würden ungefähr ein halbes Jahr dauern und schätzungsweise rund 90 000 Euro kosten, sagte er auf Nachfrage aus dem Publikum. Wie Michael Brandt vom Landratsamt ausführte, ist das Wasserschutzgebiet rund um die Quelle Weißenbronnen derzeit 3,3 Quadratkilometer groß. Baienfurts Bürgermeister Günter A. Binder forderte, dieses Schutzgebiet müsste auf sieben bis acht Quadratkilometer ausgeweitet werden. „Das Risiko ist einfach zu groß“, so Binder, „Trinkwasser ist Grundnahrungsmittel Nummer eins.“
Was sagen die Befürworter des neuen Abbaugebiets zum Thema Trinkwasser?
Der Trinkwasserschutz sei bei allen Abbauvorhaben „sehr wichtig“, so Verbandsdirektor Wilfried Franke weiter. Auch Walter Sieger vom Landratsamt sagte, der Trinkwasserschutz stehe „an erster Stelle“. Er rief dazu auf, zur Sachlichkeit zurückzukehren und nicht mit den Ängsten der Bevölkerung zu spielen. Rolf Mohr, Geschäftsführer der Firma Meichle und Mohr, sagte, es gebe derzeit rund 500 Kiesabbaustätten in Baden-Württemberg, von denen die Hälfte, so zum Beispiel auch die im Tettnanger Wald, in einem Wasserschutzgebiet liege. Nirgends habe der Abbau die Qualität des Wassers beeinträchtigt. „Die Fachbehörden würden das nicht genehmigen, wenn irgendetwas dagegensprechen würde.“Das geplante Abbaugebiet in Grund liege nicht im Wasserschutzgebiet. Mohr bot an, weitere Bohrungen zu veranlassen, um genauere Erkenntnisse über das Einzugsgebiet der Quelle Weißenbronnen zu gewinnen.
Warum sind neue Kiesabbaugebiete notwendig?
Wilfried Franke, Direktor des Regionalverbands, betonte, der Verband habe den staatlichen Auftrag, die Versorgung der Region mit Rohstoffen sicherzustellen. Da es in Oberschwaben große Kiesvorkommen gebe, müssten eben auch hier Kiesgruben eingerichtet werden. Aus Kies wird Asphalt hergestellt, der zum Beispiel für den Bau von Gebäuden oder die Sanierung von Straßen benötigt wird. „Wir alle wollen eine gute Infrastruktur“, so Franke. Die Region sei außerdem Zuzugsgebiet, was bedeute, dass auch weiterhin Gebäude und Straßen gebaut werden müssen. Die momentan für den Abbau genehmigten Kiese und Sande würden noch fünf bis sechs Jahre reichen.
Wem gehört das Gelände im Altdorfer Wald, auf dem Kies abgebaut werden soll?
Eigentümer ist das Land BadenWürttemberg. Wie Rolf Mohr am Mittwoch sagte, habe er mit dem Land bereits einen Pachtvertrag über das für den Abbau interessante Gebiet abgeschlossen. Als ein Raunen durch den Saal ging, erklärte er, in diesem Vertrag sei klar geregelt, dass der Pachtvertrag hinfällig werde, wenn dort kein Kiesabbau genehmigt wird. Er habe aber zuerst Gespräche über einen Pachtvertrag führen müssen, da er, wenn dieser Vertrag nicht zustande gekommen wäre, auch keinen Antrag auf Kiesabbau auf dem Grundstück hätte stellen können. Bruno Werner von Kreit, Sprecher der Interessensgemeinschaft Grenis-Grund, die sich gegen den geplanten Kiesabbau engagiert, stellte die Überlegung in den Raum, ob das Regierungspräsidium nicht befangen sei, wenn die ihm unterstellte Forstdirektion Tübingen Verpächterin des Grundstücks sei und gleichzeitig das Regierungspräsidium Tübingen Genehmigungsbehörde für das Zielabweichungsverfahren sei.
Wie geht es jetzt weiter?
Der Antrag von Meichle und Mohr auf ein Zielabweichungsverfahren steht in der nächsten Sitzung des Regionalverbands am Freitag, 15. Dezember, auf der Tagesordnung. Die Sitzung findet in Baienfurt statt. Bereits am 28. November hätte der Planungsausschuss des Regionalverbands über das Zielabweichungsverfahren entscheiden sollen, hatte das Thema aber vertagt, als auf Initiative von Ravensburgs Oberbürgermeister Daniel Rapp (CDU) weiterer Beratungsbedarf in den Fraktionen geltend gemacht wurde. Baienfurts Bürgermeister Günter A. Binder sowie weitere Redner forderten Rolf Mohr bei der Info-Veranstaltung am Mittwoch auf, vom Zielabweichungsverfahren abzusehen, was mit lautem Beifall der Zuhörer quittiert wurde. Ein Zielabweichungsverfahren ersetzt generell nicht das Genehmigungsverfahren. Im noch gültigen Regionalplan ist als Ziel für Grund Forstwirtschaft und nicht Kiesabbau vorgesehen. Von diesem Ziel muss abgewichen werden, wenn man mit dem Abbau starten will. Diese Zielabweichung muss vom Regierungspräsidium festgestellt werden. Untersucht werden fachliche Belange wie etwa Artenschutz. Sollte einer dieser Belange bei dieser groben Untersuchung als „unlösbar“gewertet werden, wird der Zielabweichung nicht entsprochen. Angehört werden alle Träger öffentlicher Belange (unter anderem die Kommunen, IHK und Naturschutzverbände). Ursel Habermann vom Regierungspräsidium sagte, dass die Interessensgemeinschaft Grenis-Grund, ausnahmsweise in dieses Verfahren einbezogen werde. Die Interessensgemeinschaft hat nach eigenen Angaben derzeit mehr als 1500 Unterschriften gegen das Vorhaben gesammelt.