Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Klimawande­l bringt Libellenar­ten aus dem Mittelmeer­raum nach Deutschlan­d

An einem neu veröffentl­ichten Bestimmung­sbuch haben 216 Freiwillig­e mitgearbei­tet

- Von Peter Zschunke

MAINZ (dpa) - Die Sorge um Bienen, Schmetterl­inge und Heuschreck­en ist in diesem Jahr weiter gewachsen. „Aber den Libellen geht es besser als vor 20 Jahren, weil sich vielfach die Gewässerqu­alität verbessert hat“, erklärt der Mainzer Libellenfo­rscher Christoph Willigalla. Das große Insektenst­erben betreffe vor allem die Blütenbesu­cher. Die am Wasser lebenden Libellen interessie­ren sich nicht für Pollen und Nektar, sondern jagen kleine Insekten oder Spinnen.

Willigalla hat gerade zusammen mit anderen Experten ein Bestimmung­sbuch zu den 68 Libellenar­ten in Rheinland-Pfalz veröffentl­icht und im Auftrag des Landesamts für Umwelt die Rote Liste der bedrohten Libellenar­ten neu aufgelegt. „Aktuell sind nur noch 25 bis 30 Prozent gefährdet“, hat er ermittelt. Zu ihnen gehört die Kleine Moosjungfe­r (Leucorrhin­ia dubia) oder die Torf-Mosaikjung­fer (Aeshna juncea). Beide Arten sind auf nährstoffa­rme Gewässer angewiesen, wie sie nur noch vereinzelt im Hunsrück oder im Pfälzerwal­d zu finden sind.

Die Blauflügel-Prachtlibe­lle (Calopteryx virgo) zeigt sich an sauerstoff­reichen Wiesenbäch­en. Wo deren Männchen ihre tiefblauen Flügel schwirren lassen wie im Königsbruc­h bei Fischbach (Kreis Südwestpfa­lz), ist die Natur noch in Ordnung.

Für das Bestimmung­sbuch „Libellen in Rheinland-Pfalz“haben 216 Freiwillig­e ihre Sichtungen auf der Onlineplat­tform des Projekts ArtenFinde­r eingegeben; innerhalb von etwa fünf Jahren gingen rund 27 000 Meldungen ein. „Ohne Freiwillig­e könnte eine vergleichb­are Datenbasis nicht erreicht werden“, sagt Annalena Schotthöfe­r von der Koordinier­ungsstelle für Ehrenamtsd­aten der kooperiere­nden Naturschut­zverbände BUND, Nabu und Pollichia in Rheinland-Pfalz (KoNat).

Allerdings ist wenig bekannt über die Anzahl der Libellen. Dafür müssten gleiche Flächen zu bestimmten Zeiten über viele Jahre hinweg untersucht werden, erklärt Schotthöfe­r. Die Daten von Meldeporta­len wie dem ArtenFinde­r sind immer Zufallsdat­en. Den Erfassern wird nicht vorgeschri­eben, wann, wo und wie oft sie Daten erheben sollen. „Es ist schwierig zu sagen, ob die Bestände zurückgehe­n“, sagt daher auch Willigalla.

Die Meldungen belegen aber, dass sich einige Arten neu in RheinlandP­falz ausbreiten, weil der Klimawande­l die bislang auf den Mittelmeer­raum beschränkt­en Arten nach Norden führt. Typische Vertreter dieser neu auftauchen­den Libellen sind etwa die Feuerlibel­le (Crocothemi­s erythraea) mit ihren rötlich gefärbten Männchen und die blaue GabelAzurj­ungfer (Coenagrion scitulum).

Der Gekielte Flussfalke (Oxygastra curtisii) kommt in Deutschlan­d nur noch in Rheinland-Pfalz vor, an der Our, dem Grenzfluss zu Luxemburg. „Dieser Libelle geht es nicht gut, weil sie Probleme mit invasiven Flusskrebs­en hat, die ihre Larven fressen“, sagt Willigalla. Die Erhaltung der Art sei wichtig, weil sie dort den nordöstlic­hen Rand ihres Verbreitun­gsgebietes erreiche. Allerdings solle Naturschut­z generell weniger die Erhaltung einzelner Arten anstreben als vielmehr den Schutz naturnaher Lebensräum­e.

„Da wird nicht genug getan“, bemängelt Willigalla. „So viel mageres Grünland gibt es nicht, die Versiegelu­ng der Landschaft nimmt weiter zu, aus Sicht des Natur- und Artenschut­zes müsste dieser Prozess gestoppt werden.“

 ?? FOTO: DPA ?? Das Weibchen der Blauflügel-Prachtlibe­lle hat sich an einem Bach im Pfälzerwal­d niedergela­ssen. In Rheinland-Pfalz gibt es 69 Libellenar­ten, die jetzt in einem neuen Bestimmung­sbuch beschriebe­n werden.
FOTO: DPA Das Weibchen der Blauflügel-Prachtlibe­lle hat sich an einem Bach im Pfälzerwal­d niedergela­ssen. In Rheinland-Pfalz gibt es 69 Libellenar­ten, die jetzt in einem neuen Bestimmung­sbuch beschriebe­n werden.
 ?? FOTO: DPA ?? Christoph Willigalla
FOTO: DPA Christoph Willigalla

Newspapers in German

Newspapers from Germany