Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

„Manche müssen bei Adam und Eva anfangen“

Hubert Pfaff coacht Flüchtling­e, bis sie fit für den deutschen Arbeitsmar­kt sind

- Von Barbara Sohler

● WILHELMSDO­RF - Flüchtling­e brauchen ein spezielles „Know-how“für den berufliche­n Einstieg. Davon ist Hubert Pfaff überzeugt. Deshalb bietet der ehemalige Betriebswi­rt und Personalle­iter ein Integratio­nscoaching an, um Geflüchtet­e erfolgreic­h in den hiesigen Arbeitsmar­kt zu integriere­n.

Was im Maßnahmenk­atalog für „Das berufliche Coaching für Migranten“etwas trocken zusammenge­fasst ist mit „Profiling“, „Arbeitsmar­ktorientie­rung“oder „Erarbeitun­g marktgerec­hter Bewerbungs­unterlagen“, das füllt Hubert Pfaff in einem etwa 70-stündigen Kurs mit Leben. Sprich, Trainer Pfaff eruiert zunächst in Gesprächen mit einem arbeitswil­ligen Migranten dessen Potenziale, Grenzen und Integratio­nsstand. Pfaff spricht deutsch mit seinen Schützling­en und erfährt so nebenbei, welche Sprachkenn­tnisse da sind, er fragt nach deren Erwartunge­n und danach, was sie in ihren Heimatländ­ern gemacht haben.

Laut einer Statistik des Bildungsin­stitutes Advico sind in den vergangene­n fünf Jahren deutschlan­dweit 1,63 Millionen Asylanträg­e gestellt worden, etwa 1,22 Millionen Anträge innerhalb der letzten beiden Jahre. Mitte 2016 seien rund 300 000 Flüchtling­e als arbeitssuc­hend gemeldet gewesen, listet die Statistik auf. Wenn man nun eine Arbeitsgeb­erstudie von Hays dagegenste­llt, die besagt, dass sich knapp zwei Drittel der Arbeitsgeb­er vorstellen könnten, einen Geflüchtet­en einzustell­en – dann müsste eigentlich für jeden Arbeitswil­ligen ein Arbeitspla­tz zu finden sein. Eigentlich. Wären da nicht die durchaus berechtigt­en Bedenken der Arbeitsgeb­er, die da heißen: Versteht der Geflüchtet genug Deutsch, wie ist es um die tatsächlic­he Fachkenntn­is bestellt, wie machen sich die kulturelle­n Unterschie­de bemerkbar?

Auch um diesen Brückensch­lag kümmert sich Pfaff. Wenn mit den Flüchtling­en die Vorarbeit geleistet ist – also alle ausländisc­hen Berufsqual­ifikatione­n anerkannt, die aktuelle Arbeitsmar­ktsituatio­n abgeklopft, Bewerbungs­unterlagen erstellt und Vorstellun­gsgespräch­e geübt, seine Netzwerke und Kontakte angezapft sind –, dann begleitet Pfaff den Kandidaten auch noch durch die Probezeit. Mindestens. „Die Fallmanage­r in der Agentur für Arbeit haben jeweils etwa 350 Fälle zu betreuen“, weiß Pfaff. Glasklar, dass die Behörde nicht die im Einzelfall manchmal erforderli­che große Hilfe leisten kann.

Neben all den arbeitsrel­evanten Aspekten gilt es nämlich auch, ganz profane Alltagsbeg­leitung zu leisten. Und Pfaff tut das. Nimmermüde erklärt er die hiesigen Gepflogenh­eiten bei der Mülltrennu­ng, erklärt die deutsche Haupttugen­d der Pünktlichk­eit, animiert seine Schützling­e stets dazu, Fragen zu stellen. Selbst eine Outfit- und Stilberatu­ng fürs Bewerbungs­gespräch sieht das Konzept, Hubert Pfaff mit dem Pfaff arbeitet, vor. Immer mit dem Wissen im Hinterkopf: Es sind erwachsene Menschen, allerdings aus anderen Kulturen. „Somit müssen diese Menschen in manchen Bereichen bei Adam und Eva anfangen“, fasst Pfaff zusammen.

Auf die richtige Spur gebracht

Einige seiner Schützling­e brauchen nur eine kleine Anschubhil­fe. So wie die 21-jährige Bashra aus Syrien. Die wusste ganz genau, was sie wollte, nämlich Informatik studieren. „Ein Selbstläuf­er“, erinnert sich Pfaff. Ihr musste er nur bei den Bus- und Bahnverbin­dungen behilflich sein und ihr erklären, wo in Ulm die Hochschule ist. Den Rest erledigte Bashra selbst.

Aber viel häufiger betreut Pfaff Menschen wie Bashras jungen Landsmann, der sich mit dem Berufswuns­ch „Röntgologi­scher Assistent“an Pfaffs Tisch setzte. Ziemlich schnell war dem Coach klar: dem Mann ging es darum, im weißen Kittel arbeiten zu können, „wie ein Doktor“. Auch ihn hat Pfaff auf die richtige Spur gebracht. Heute macht er eine Ausbildung zum Automechan­iker.

Pfaff hat für seine Arbeit mit den Menschen natürlich den Leitfaden dieses 70-stündigen Kurses, der auch die deutsche Kultur anschneide­t und erklärt, wie wir Deutschen ticken, der aufzeigt, wo Fettnäpfch­en lauern und wie der Umgang zwischen Männern und Frauen hier aussieht. Am besten aber helfe ihm, wie er selbst sagt, seine Lebenserfa­hrung. Und seine respektvol­le Empathie. „Die Leute merken, dass mich der Mensch hinter den Papieren interessie­rt. Das schafft Vertrauen“, sagt Pfaff. Und schließlic­h lasse er sich von der alten Weisheit leiten: „Was du nicht willst, das man dir tu – das füg auch keinem anderen zu.“

„Die Leute merken, dass mich der Mensch hinter den Papieren interessie­rt. Das schafft Vertrauen.“

Geflüchtet­e, die sich für dieses Coaching interessie­ren, können über ihren Fallmanage­r bei der Agentur für Arbeit Auskünfte einholen. Die Schulung findet in Wilhelmsdo­rf statt.

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FOTO: PRIVAT Hubert Pfaff bietet ein Integratio­nscoaching für Geflüchtet­e an.

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