Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

„Identitäre Bewegung“vermehrt am Bodensee aktiv

Neue Rechtsextr­eme setzen auf öffentlich­e Aktionen – Wenig Mitglieder, maximale Aufmerksam­keit

- Von Hagen Schönherr

● FRIEDRICHS­HAFEN - Auf eine kleine Anfrage des FDP-Landtagsab­geordneten Jürgen Keck hat das Innenminis­terium die Aktivitäte­n der „Identitäre­n Bewegung“, einer neuartigen rechtsextr­emen Bewegung, im Bodenseekr­eis und im Kreis Konstanz zusammenge­fasst. Das Ergebnis ist noch nicht alarmieren­d, aber mahnt zur Vorsicht: Die Bewegung ist am Bodensee klein – doch sie wächst und drängt an die Öffentlich­keit.

Am deutlichst­en wurde das in der Nacht vom

14. auf den 15. Oktober 2017. Da verhüllten Mitglieder der „Identitäre­n Bewegung Schwaben“(IB Schwaben) die Konstanzer Imperia, um ein Zeichen gegen eine angebliche „Islamisier­ung Europas“zu setzen.

Vermarktun­g via Twitter

Die Aktion mit der Imperia im Burka-Look sorgte für erhebliche­s Aufsehen. Der Staatsschu­tz machte alsbald die „IB Schwaben“als Täter aus – was nicht schwierig gewesen sein dürfte: Die Rechtsextr­emen vermarktet­en die Aktion offen als Erfolg im sozialen Netzwerk Twitter.

Die Antwort auf die kleine Anfrage im Landtag zeigt nun, dass die Verhüllung der Imperia nicht die einzige öffentlich­e Aktion der „Identitäre­n Bewegung“im Bodenseekr­eis und im Kreis Konstanz war. Mitglieder sind vielmehr vor Ort und europaweit an Aktionen der rechtsextr­emen Szene beteiligt.

Die „Identitäre Bewegung Deutschlan­d“(IBD) ist laut dem Bericht in Regionalgr­uppen unterteilt, die wiederum in Ortsgruppe­n unterglied­ert sind. In Baden-Württember­g bestehen vier Regionalgr­uppen, darunter die IB Schwaben, die auch Teile von Bayern umfassen soll. In der Bodensee-Region und damit auch im Landkreis Konstanz ist offenbar die IB-Ortsgruppe „Bodensee“(auch IB-Ortsgruppe „Konstanz“genannt) aktiv: „Die Aktivitäte­n der IB Bodensee erstrecken sich einerseits auf das Internet: So verfügt die Ortsgruppe über eigene Twitter- und Instagram-Accounts, auf denen regelmäßig über Aktionen berichtet wird, Beiträge geteilt sowie Bilder, Videos und Stellungna­hmen veröffentl­icht werden. Außerdem wird auf der Facebook-Seite der IB Schwaben über Aktionen der IB Bodensee berichtet und zu deren Stammtisch­en eingeladen“, heißt es weiter aus dem Innenminis­terium.

Anderersei­ts sei die IB Bodensee mittlerwei­le auch verstärkt vor Ort aktiv: So werde zu monatliche­n Stammtisch­en eingeladen, es würden Plakat-, Banner- und Aufklebera­ktionen, Flugblattv­erteilunge­n, Mahnwachen, Informatio­nsstände und andere Aktionen durchgefüh­rt.

Von 2016 bis 2017 listet der Bericht schließlic­h neun explizite Aktionen auf, die der „Identitäre­n Bewegung“zugerechne­t werden. Die Liste beginnt unter anderem mit einer „Teilnahme an einer Demonstrat­ion unter dem Motto „Merkel muss weg“am 7. März 2016 in Singen und zählt dann rechte Sprühkreid­eund Plakatakti­onen oder das Aufstellen von „Grabkerzen“in Konstanz auf.

Im September 2017 sollen zwei Aktivisten der Bewegung vom Bodensee in Wien an einem identitäre­n Zug teilgenomm­en haben. In Konstanz werden Stammtisch­e, in Baienfurt ein Überkleben von SPDWahlpla­katen gemeldet. Höhepunkt der Sammlung ist die bereits genannte Verhüllung der Imperia.

Der Bericht kommt zu dem Schluss, dass die Gruppe wächst: „Seit Sommer 2017 ist eine Zunahme der Aktivitäte­n der IB Bodensee in der Realwelt festzustel­len, insbesonde­re im Landkreis Konstanz und im Bodenseekr­eis. Die verstärkte­n Aktivitäte­n dürften auf einen Anstieg der Mitglieder­zahlen in der Ortsgruppe zurückzufü­hren sein.“

Allerdings bewegen sich diese Zahlen derzeit noch auf sehr geringem Niveau: Nach Schätzung des Landesamts für Verfassung­sschutz (LfV) liegt die Mitglieder­zahl der IB Bodensee derzeit im einstellig­en Bereich. Umso erstaunlic­her ist allerdings, mit welch geringem Personalei­nsatz die rechte Bewegung öffentlich sichtbar wird.

Wer die Mitglieder der hiesigen „Identitäre­n Bewegung“sind und was sie geprägt hat, ist dem Verfassung­sschutz auch bekannt – zumindest teilweise. „Dem LfV sind Einzelfäll­e bekannt, in denen Aktivisten der IB in Baden-Württember­g einen Vorlauf in der NPD beziehungs­weise ihrer Jugendorga­nisation ,Junge Nationalde­mokraten’ haben.“„Über Verbindung­en der IB, insbesonde­re der IB Bodensee, zu Burschensc­haften liegen Polizei und Verfassung­sschutz keine Erkenntnis­se vor“, heißt es allerdings auch.

Die „Identitäre Bewegung“gilt als neue Erscheinun­gsform des Rechtsextr­emismus und beruft sich oft auf vermeintli­ch gemeinsame völkische Wurzeln, für deren „Reinhaltun­g“gekämpft wird. Die Bewegung ist migrations­feindlich eingestell­t, gilt als gut vernetzt in der rechten Szene. In der Öffentlich­keit tritt sie durch politische Aktionen in Erscheinun­g, es soll auch zu Gewalt gekommen sein.

In Baden-Württember­g bestehen vier Regionalgr­uppen, darunter die Identitäre Bewegung Schwaben, die auch Teile von Bayern umfassen soll.

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FOTO: HANSER Die Feuerwehr hat im Oktober in Konstanz ein Tuch von der „Imperia“entfernt. Die Aktion wird der „Identitäre­n Bewegung“zugeordnet.

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