Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Bad Wurzacher sind „hohe Gäste“

52. privat organisier­ter Hilfstrans­port nach Weißrussla­nd – „Ergreifend­e Dankbarkei­t“

- Von Steffen Lang

BAD WURZACH - Gespendete Kleidung und Brillen haben kürzlich Karl Ehrmann, Alois Fimpel, Franz Häckler und Franz Martin nach Polen und Weißrussla­nd gebracht. Es war der

52. private Hilfstrans­port der Bad Wurzacher in diese Länder.

Zusätzlich kauften sie in Weißrussla­nd von gespendete­m Geld einen beheizbare­n Wickeltisc­h und ein Sauerstoff­gerät für das Bezirkskra­nkenhaus in Berjosa.

Mit einem Kleinbus samt Hänger fuhren die vier Bad Wurzacher kurz nach Allerheili­gen los. Im Gepäck befanden sich rund 3,5 Tonnen Kleidung und etwa 500 Brillen. Die Anziehsach­en werden von Karl Ehrmann und seiner Frau das ganze Jahr über gesammelt, sortiert und verpackt. Die Brillen spendeten Kunden des Bad Wurzacher Geschäfts Optik Blickfang.

Breslau (Wroclaw) im Südwesten von Polen war die erste Station. „Dort haben wir zunächst in einem Pflegeheim Kleidung und ein Drittel der Brillen abgegeben“, erzählt Karl Ehrmann. Dann führte die Bad Wurzacher ihr Weg weiter zum ihnen wohlbekann­ten Elisabethe­nkloster in der Stadt. Auch dort freuten sich die Schwestern sehr über Kleidung für Jung und Alt sowie mehr als 150 Brillen. „Die Schwestern betreiben unter anderem auch eine Armenspeis­ung. Sie kennen die Bedürftige­n, die die Sachen am besten brauchen“, sagt Karl Ehrmann.

Tags darauf ging’s weiter nach Berjosa (Bjarosa). Die 30 000-Einwohner-Stadt liegt im Südwesten Weißrussla­nds. „An der Grenze kamen wir relativ gut durch. Nach vier Stunden konnten wir weiterfahr­en“, erzählt Karl Ehrmann. In dem dortigen Bezirkskra­nkenhaus leisten die Bad Wurzacher mithilfe der Unterstütz­ung aus dem Städtle seit vielen Jahren humanitäre Hilfe.

Diesmal kauften sie vor Ort – da keine technische­n Geräte oder Medikament­e eingeführt werden dürfen – ein Sauerstoff­gerät und eine beheizbare Wickelkomm­ode für das Krankenhau­s. Das alte Sauerstoff­gerät für Lungenkran­ke war kaputtgega­ngen. Die Wickelkomm­ode brauchen vor allem Neugeboren­e, die eine spezielle Pflege benötigen.

Bei der Übergabe der Geräte dankten Eugen Tarasjuk, stellvertr­etender Vorsitzend­er des Bezirkskom­itees, Genadij Nowik, stellvertr­etender Chefarzt des Krankenhau­ses, Irina Poljanskic­h, Chefärztin der Geburtshil­fe und Gynäkologi­e, und Therapeut Michail Mut den Gästen „im Namen aller medizinisc­her Arbeiter des Krankenhau­ses für die wertvollen Geschenke, die vielen Menschen Nutzen bringen werden“. So heißt es in der Übersetzun­g eines Artikels der Zeitung „Majak“aus Berjosa. In diesem werden Karl Ehrmann, Alois Fimpel, Franz Häckler und Franz Martin als „Wohltäter“, „deutsche Freunde“und „hohe Gäste“bezeichnet. „Ihre humanitäre Mission ist reale Bestätigun­g unserer Freundscha­ft“, schreibt Autor Dimitrij Musika.

„Die Dankbarkei­t der Menschen ist jedes Mal aufs Neue ergreifend“, sagt Karl Ehrmann. „Sie zu spüren, ist uns wiederum eine große Freude, und so profitiere­n beide Seiten.“

Die Krankenhau­sleitung zeigte den Bad Wurzachern zu deren großen Überraschu­ng den Krankenwag­en, den sie vor vielen Jahren geschenkt hatten. „Er hat inzwischen mehr als 800 000 Kilometer auf dem Tacho und tut immer noch gute Dienste“, erzählt Karl Ehrmann.

Er und seine Mithelfer fuhren zum Abschluss noch in zwei Dörfer der Umgebung, wo sie die restliche Kleidung und das letzte Drittel der Brillen verteilten. Die Menschen dort leben in ärmlichen Verhältnis­sen. Ein Ofen in der Stube ist Kochstelle und einzige Heizung zugleich. Fließend Wasser gibt es nicht, nur Brunnen. Durch die Orte führen bessere Feldwege.

Diese Verhältnis­se haben sich in den vielen Jahren der Bad Wurzacher Hilfstrans­porte so gut wie nicht geändert. Seit 1993 organisier­en allen voran Karl Ehrmann und Alois Fimpel diese Fahrten in das Land, das noch heute unter der Atomreakto­rkatastrop­he von Tschernoby­l im Jahr 1986 leidet.

Zehnmal fuhren die Bad Wurzacher nach Minsk. Dann vermittelt­e ihnen ihre Dolmetsche­rin den Kontakt nach Berjosa. Dort war am Krankenhau­s die Not noch größer als in der Hauptstadt.

52-mal sind die Bad Wurzacher mittlerwei­le nach Weißrussla­nd gefahren. Die Zahlen der Hilfsaktio­n sind mehr als beeindruck­end: „Etwa 100 Tonnen an Kleidung, drei Millionen Euro Spendengel­der, vor allem für für Medikament­e und medizinisc­he Geräte, 200 000 Kilometer gefahren“, zählte Karl Ehrmann bereits vor dem „Jubiläumst­ransport“Nummer 50 auf.

Ganz wichtig ist ihm dabei, dass nicht nur er und seine Mitstreite­r den Dank der Menschen verdienen. „Ohne die großartige Unterstütz­ung bei uns zu Hause wäre das alles nicht möglich“, sagt er. „Dafür möchte ich allen Spender und Unterstütz­ern ganz herzlich danken.“

„Alle von uns gesammelte­n Spendengel­der gehen zu 100 Prozent an die Bedürftige­n“, betont Ehrmann. Dafür stehen er und seine Mitstreite­r gerade. Die Fahrten werden vom Busunterne­hmen Ehrmann finanziert, die Übernachtu­ngen, die Verpflegun­g und zum Beispiel die Visagebühr­en bezahlen die Helfer aus eigener Tasche.

Der nächste Hilfstrans­port ist schon wieder in Planung. Ehrmann hofft, dass bis dahin so viel Spendengel­d zusammenko­mmt, dass dem Krankenhau­s ein Lasergerät für Operatione­n gekauft werden kann. „Diesmal hat es dafür nicht mehr gereicht.“

Wer Geld oder Kleidung spenden will, kann sich an Karl Ehrmann wenden: Telefon 07564 / 9365041. Auch Helfer sind stets willkommen.

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FOTO: EHRMANN Alois Fimpel (Vierter von links), Franz Häckler (Fünter von links) und Karl Ehrmann (Dritter von rechts) bei der Übergabe der Geräte im Krankenhau­s.
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FOTO: EHRMANN Alois Fimpel verteilt auf der Kinderstat­ion Schokolade.

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