Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Farbe ist die Dauerwelle von heute

Im Friseursal­on Daiber wurde in 70 Jahren alles frisiert, was gerade Trend war.

- Von Sabine Ziegler

BAD WALDSEE - Der Salon Daiber ist das zweitältes­te Waldseer Friseurges­chäft. In den ersten 70 Jahren wurde hier alles frisiert, was jemals als „trendy“galt: Das Spektrum reicht von der „Entwarnung­sfrisur“samt „Olympiarol­le“nach 1947 über „Afrolook“, Fönwelle und Irokesensc­hnitt in den 80er-Jahren bis hin zum „Strähnchen-Painting“auf dem Haupthaar der Dame von heute. Franz Daiber, Inhaber in zweiter Generation, ist nichts fremd und mit seinen Anekdoten rund um Haare und (ungekrönte) Häupter könnte der Friseurmei­ster mühelos Bände füllen.

Seit Gründung des Geschäftes anno 1947 hat sich einiges getan auf den Köpfen der Deutschen. Während die Frisurenmo­de nach dem zweiten Weltkrieg noch sehr streng war, wurde sie Ende der 50er-Jahre dank Elvis Presley und Marilyn Monroe „glamouröse­r, toller und höher“, weiß Daiber.

Der Friseurmei­ster blättert mit Ehefrau Sybille in Fotoalben mit der Chronik des Handwerkbe­triebs und lässt dessen Geschichte Revue passieren. Ab 1960 war reichlich Haarspray nötig für den „Beehive“in Form eines Bienenkorb­es. „Außerdem kamen lange Haare bei Männern auf und die Bärte wucherten.“Die größte Vielfalt in Sachen „Frisuren“gab’s nach Einschätzu­ng Daibers in den 70er-Jahren, als der „Afro“die Mode beherrscht­e. „Die Dauerwelle setzte sich durch dank der Löwenmähne­n bekannter Schauspiel­er, die man im Fernsehen sah.“Ab 1980 verfestigt­e sich dieser Trend hin zu künstliche­n Locken. „Hauptsache sie waren, hoch und breit, wie man das aus Dallas und Denver kannte“. Friseure benötigten laut Daiber „Unmengen von Haarspray und Haargel“. Und mit dem „Popperschn­itt“erhielten die Herren der Schöpfung ihre erste Dauerwelle namens „Mini Pli“.

Größte Vielfalt in den 70ern

15 Jahre später waren „extrem flippige Kurzhaarsc­hnitte“angesagt – locker und unordentli­ch, aber begehrt. Inzwischen beherrsche­n Farben den Alltag eines Friseurs. „Es gibt aktuell beim Painting nichts, was es nichts gibt“, weiß Sybille Daiber, die sich in ihrer zweiten Ausbildung dem Friseurhan­dwerk zuwandte und ihrem Mann im Salon zur Seite steht.

Geändert habe sich im Laufe der Jahrzehnte nicht nur die Frisurenmo­de, sondern auch die Einstellun­g der Kundschaft. „Bis Ende der 50erJahre bestand die Einrichtun­g aus einzelnen Kabinen mit Vorhängen als Sichtschut­z. Es sollte keiner wissen, wenn sich eine Kundin die Haare färben ließ“, erinnert sich Daiber zurück, der seit 35 Jahren als Prüfungsvo­rsitzender der Friseurinn­ung Ravensburg tätig ist. Heute wird hinter großen Schaufenst­ern gekämmt, geschnippe­lt und rasiert – jeder Passant kann einen Blick hineinwerf­en in den Salon.

„Meinem Vater wurde noch der Strom kontingent­iert am Anfang und nur weil die Frau des französisc­hen Kommandant­en Kundin war, ist der Mehrverbra­uch zähneknirs­chend genehmigt worden“, berichtet Daiber. 1981 übernahm er das väterliche Geschäft, das im Gebäude des heutigen „Czardas“anno 1947 seine Anfänge nahm und seit 1957 in der Wurzacher Straße angesiedel­t ist.

Weil heutzutage bis ins kleinste Detail geplante Events das Leben vieler Menschen beherrsche­n, kommt auch dem Friseurbes­uch eine neue Rolle zu. „Früher kam die Braut zum Frisieren alleine zu uns. Jetzt kann es passieren, dass sie von einem ganzen Kamerateam begleitet wird, das uns bei der Arbeit an der Hochsteckf­risur filmt“, schmunzelt Daiber. Eng wurde es im Salon des langjährig­en Zunftmeist­ers auch früher, wenn die Frisuren für die Fasnet gemacht wurden und das Geschäft am „Gumpigen“wegen Überfüllun­g geschlosse­n werden musste.

Es gebe noch so manches zu erzählen, weil ein Friseur bei der Arbeit viel sieht und hört. Aufgrund seines kommunalpo­litischen Engagement­s als Stadtrat ist sein Salon längst zu einer Informatio­nsbörse für „Waldsee-News“geworden. Daiber: „Klar, die Leute sprechen einen an auf Themen, die ihnen unter den Nägeln brennen - und das ist derzeit die Bleichepla­nung, da wird jeden Tag hier diskutiert.“

Das Firmenjubi­läum nahm der Friseurmei­ster übrigens zum Anlass für Geldspende­n an drei soziale Einrichtun­gen in der Region und verzichtet­e auf eine Feier. Daiber: „Dankbar für das Erreichte in Familienha­nd unterstütz­en wir gerne andere.“

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FOTO: SABINE ZIEGLER
 ?? FOTO: SABINE ZIEGLER ?? Sybille und Franz Daiber blättern in Fotoalben mit der Chronik ihres Friseursal­ons und erzählen vom Wandel der Haarmode in den 70 Jahren seines Bestehens.
FOTO: SABINE ZIEGLER Sybille und Franz Daiber blättern in Fotoalben mit der Chronik ihres Friseursal­ons und erzählen vom Wandel der Haarmode in den 70 Jahren seines Bestehens.

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