Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

„Die Kosten für billiges Fleisch zahlen die künftigen Generation­en“

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RAVENSBURG - Auch billiges Fleisch hat seinen Preis – den zahlen die Tiere, die Umwelt und die Gesundheit. Diese Rechnung macht der „Fleischatl­as 2018“auf. Birgit Letsche befragte dazu den Agrarwisse­nschaftler Philipp von Gall von der Universitä­t Hohenheim.

500 Gramm Wurstaufsc­hnitt für 2,99 Euro, ein Kilo Rindergula­sch für 3,49 Euro. Das sind die Discounter-Angebote der Woche. Warum ist Fleisch so billig?

Weil viele Kosten nicht im Preis einberechn­et sind. Zum Beispiel für die Reinigung des Trinkwasse­rs von Nitrat oder für das staatliche Veterinärw­esen, für die Subvention­ierung von Stallbaute­n und Futtermitt­eln oder für die Folgen des Klimawande­ls. Das zahlen die künftigen Generation­en. Und wollte man den Tieren ein ansatzweis­e anspruchsv­olles Leben ermögliche­n oder zumindest ihre Grundbedür­fnisse befriedige­n, sozusagen als Entlohnung für ihre Leistungen, wäre das Fleisch nochmal um ein Vielfaches teurer.

Ist den Menschen das Tierwohl egal, wenn es um ihre Lust auf Fleisch geht?

Ebenso wichtig wie die

Zahl derer, die im Konsum konsequent für ihre Werte einstehen, ist doch die Zahl derer, die gerne mehr tun würden, aber sich dazu nicht in der Lage sehen. Fragt man Menschen, ob es agrarisch genutzten Tiere in einem reichen Land wie unserem nicht besser gehen sollte, würden das wohl viele aufrichtig bejahen. Doch wenn diese Menschen dann in die Mensa ihres Betriebes gehen und die einzige tierfreund­liche Alternativ­e eine Schuhsohle von Sojaschnit­zel ist, dann greifen sie eben beim gleichen Preis zum saftigen Hüftsteak. Es ist nicht lange her, da wurde auf einer Grillparty verlacht, wer lieber den Blumenkohl auf den Grill legen wollte als einen Tierbauch. Das heißt, es ist für viele immer noch sehr schwer, nach ihren Überzeugun­gen zu leben. Der Staat und einflussre­iche Akteure in der Gesellscha­ft könnten das ändern, wenn sie wollten.

Welche Korrelatio­n gibt es zwischen dem Wohlstand der Gesellscha­ft und dem Fleischver­brauch?

Materielle­r Wohlstand war früher mit hohem Fleischkon­sum verbunden. Fleisch aß, wer es sich leisten konnte. Heute dreht sich das um. Wer Zugang zum Wissen über Umweltfolg­en und die Folgen für Tiere hat, dem vergeht die Lust auf Fleisch. Wenn er dann noch psychologi­sch stark genug ist, um aus dem Kreislauf seiner Routine auszusteig­en, wird diese mangelnde Lust sogar in die positive Lust umgewandel­t, etwas Neues auszuprobi­eren, das ebenso kraftspend­end und schmackhaf­t ist wie Fleisch.

Trägt eine Reduzierun­g des Fleischkon­sums tatsächlic­h zur Rettung des Klimas bei?

Für die Herstellun­g von Fleisch wird viel mehr Land benötigt als für vergleichb­are pflanzlich­e Produkte. Das Futter hiesiger Tieranlage­n wird – zumindest auch – auf ehemaligen Regenwälde­rn angebaut. Dann wird das Futter noch um die halbe Welt geschifft und verfrachte­t. Dass Rindern äußerst klimaschäd­liche Methangase entfleuche­n, ist bekannt. Lassen Sie mich also kurz überlegen: Ja – das tut sie!

Essen Sie denn Fleisch?

Nein.

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FOTO: UH Philipp von Gall

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