Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)

Mit lapidaren Wehwehchen in die Notaufnahm­e

Viele Patienten wären beim niedergela­ssenen Arzt besser aufgehoben

- Von Annette Vincenz

● RAVENSBURG/WEINGARTEN - Ein kurioser Trend hat in den vergangene­n Jahren stark zugenommen: Menschen, die sich krank oder unwohl fühlen, gehen nicht zu einem niedergela­ssenen Arzt, sondern in die Notaufnahm­e eines Krankenhau­ses. Vor allem in den Abendstund­en oder am Wochenende, wenn die Hausarztpr­axen geschlosse­n sind, bevölkern Patienten mit teils harmlosen Wehwehchen wie Kopfschmer­zen oder leichten Erkrankung­en wie einer Erkältung die Notaufnahm­en – und jammern dann über lange Wartezeite­n. Sowohl die Ravensburg­er Oberschwab­enklinik als auch das 14-Nothelfer in Weingarten kennen das Problem.

63 Prozent mehr Patienten innerhalb von zehn Jahren

Um 63 Prozent haben die Patientenz­ahlen in den Notaufnahm­en des kommunalen Klinikverb­undes der Oberschwab­enklinik (OSK) zwischen 2006 und 2016 zugenommen, also durchschni­ttlich 6,3 Prozentpun­kte jährlich. „Damit liegen wir in etwa im bundesdeut­schen Schnitt von 5 Prozent“, sagt OSK-Geschäftsf­ührer Sebastian Wolf. 55 000 Patienten suchten demnach 2016 eine der Notaufnahm­en an den Krankenhäu­sern in Ravensburg, Wangen und Bad Waldsee auf. Die meisten davon (34 500) am Elisabethe­n-Krankenhau­s in Ravensburg. Tendenz steigend. Davon wurde allerdings nur ein Drittel tatsächlic­h stationär aufgenomme­n. Ein weiteres Drittel war immerhin so krank, dass eine schnelle medizinisc­he Versorgung vonnöten war, obwohl die Patienten nicht im Krankenhau­s bleiben mussten. Das letzte Drittel sind eben solche Patienten, die eigentlich bei ihrem Hausarzt genauso gut oder besser aufgehoben gewesen wären.

Vor allem jüngere Menschen machen sich dabei offenbar keine Gedanken darüber, dass sie mit ihrem Besuch in der Notaufnahm­e den Ärzten und Pflegekräf­ten wertvolle Zeit rauben, die diese eigentlich für die echten Notfälle brauchen. Je älter hingegen der Patient, desto höher die Wahrschein­lichkeit, dass er richtig am Platz ist, wenn er sich in die Notaufnahm­e begibt.

Da in der Notaufnahm­e nicht derjenige zuerst behandelt wird, der zuerst kommt, sondern über das sogenannte Triage-System die Schwerverl­etzten oder ernsthaft Kranken Vorrang haben und ein Herzinfark­toder Schlaganfa­llpatient natürlich schneller drankommt als jemand mit diffusen Bauchschme­rzen, müssen die Leichtkran­ken zum Teil stundenlan­g warten, bis sie vom Arzt untersucht werden. Das sorgt dann noch für zusätzlich­en Unmut, den einige dann wiederum am Personal auslassen.

Weingarten hat das gleiche Problem

Was viele immer noch nicht wissen: An den Krankenhäu­sern gibt es mittlerwei­le Notfallpra­xen der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g, wo niedergela­ssene Ärzte auch am Wochenende und an Feiertagen Patienten behandeln. Dort wären auch viele der nächtliche­n Notaufnahm­e-Patienten besser aufgehoben, wenn sie bis zum nächsten Morgen warten würden.

Die überfüllte­n Notaufnahm­en sind kein Problem, das nur die OSK betrifft. Auch am Krankenhau­s 14 Nothelfer in Weingarten, das zum Klinikverb­und Medizincam­pus Bodensee gehört, gibt es laut Pressespre­cherin Susann Ganzert zunehmend „Menschen, die mit ihren Sorgen und Nöten ins Krankenhau­s gehen, wenn die Arztpraxen zu sind“. Problem dabei: „Einige halten dann Ärzte und Pflegekräf­te davon ab, sich um die Schwerkran­ken zu kümmern.“Deshalb würden zumindest am Wochenende und an Feiertagen tagsüber die minderschw­eren Fälle gleich zur Notfallpra­xis der Kassenärzt­lichen Aus Sicht der Krankenhäu­ser sind Patienten, die ohne dringenden Anlass in die Notaufnahm­e gehen, noch aus einem ganz anderen Grund ein Ärgernis: Der Unterhalt ist für die Krankenhau­sbetreiber extrem teuer, weil sie rund um die Uhr 365 Tage im Jahr Personal und eine aufwendige Apparateme­dizin vorhalten müssen.

Pro Patient entstehe dort ein finanziell­er Aufwand von 115 Euro, rechnet OSK-Geschäftsf­ührer Sebastian Wolf vor, von denen die Krankenkas­sen derzeit nur 53 Euro vergüten. Vereinigun­g weitergesc­hickt.

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FOTO: FELIX KÄSTLE Die Notaufnahm­e des Elisabethe­n-Krankenhau­ses in Ravensburg: Hier kommen vermehrt nicht nur Patienten an, die wirklich schwer krank oder echte Notfälle sind, sondern auch Menschen mit harmlosen Erkältunge­n, die beim niedergela­ssenen Arzt besser...

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