Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Buchhaltroniker definieren die digitale Firmen-DNA
Steuerberater Berno Zimmerer aus Mengen hat ein Berufsbild mitentwickelt, das gerade enorm nachgefragt wird
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MENGEN - Unter einer zukunftsorientierte Steuerberatung versteht Berno Zimmerer mehr als nur die ordnungsgemäße Erstellung der Jahresabschlüsse und steuerliche Unterlagen. Wo andere nur langweilige Zahlen sehen, wird es für den Mengener spannend. „Nur Erfüllungsgehilfe für das Finanzamt sein, das kam für mich nicht infrage“, sagt er. Beratung sei sein Steckenpferd, Mitdenken und so möglichst viel Mehrwert generieren. Sei es für die Privatperson mit ihrer Einkommensteuererklärung oder das Großunternehmen, das sich strategisch neu ausrichten will. Von einem können seiner Meinung nach alle profitieren: Wenn ihre Datensätze von einem Buchhaltroniker bearbeitet werden. Wer von diesem Berufsbild noch nichts gehört hat, muss nicht erschrecken: Stefan Kaumeier, der Geschäftsführer von Dekodi (Deutscher Konverterdienst GmbH) und Berno Zimmerer haben es zusammen entwickelt.
Zeit der Wäschekörbe ist vorbei
„Alle Branchen müssen sich auf die immer weiter fortschreitende Digitalisierung einstellen“, sagt der Steuerberater. In vielen Bereichen klappe das schon sehr gut, aber immer noch sei es für viele Unternehmer üblich, ihre Finanzbuchhaltung auf dem herkömmlichen Wege zu machen. „Dabei ist es eigentlich nicht mehr notwendig, dass körbeweise Unterlagen in Mappen und Kladden in die Kanzleien getragen werden“, sagt Berno Zimmerer. „Es müssen nur die technischen Voraussetzungen und Schnittstellen auf beiden Seiten geschaffen werden und dann könnten viele Prozesse digital ablaufen.“Das würde – wenn es einmal so eingerichtet sei – die Abläufe weit effizienter gestalten.
Zimmerer selbst hat in der Vergangenheit mit verschiedenen Unternehmen nach Lösungen gesucht. „Weil aber nahezu alle unterschiedliche Dokumentenmanagementsysteme, EDV-Programme und Software verwenden, kommt man oft nicht drum herum, ganz individuell anzusetzen“, sagt Zimmerer. Oft müsse man dabei in die Betriebsabläufe eintauchen, um Prozesse verstehen zu können. So hat Berno Zimmerer Stefan Kaumeier kennengelernt, der mit seinem Unternehmen Dekodi ebensolche prozessorientierte Schnittstellenlösungen für Unternehmen und Steuerberater entwickelt. „Wir haben beide festgestellt, dass die Mitarbeiter in der Steuerberatungen oft in diesem Bereich zu wenig Fachwissen mitbringen und deshalb bei den Unternehmern nicht die richtigen Fragen stellen, um digitale Lösungen finden zu können“, sagt Zimmerer. „Die Datensätze sind oft in digitaler Form bereits vorhanden, finden aber nicht den Weg in die Steuerberatungsbüros.“
Schulungsprogramm erarbeitet
Gemeinsam erarbeiteten sie ein Schulungsprogramm für Steuerberater, Buchhalter oder Steuerfachangestellte. Stefan Kaumeier hatte dafür bereits im Vorfeld den Begriff des Buchhaltronikers erfunden und sich ihn für künftige Aktivitäten als Marke rechtlich schützen lassen. „Das ist eine Wortneuschöpfung aus Buchhalter und Mechatroniker und soll die Verknüpfung der beiden Bereiche darstellen“, sagt Zimmerer. Während Kaumeier sich auf der technischen Seite auskennt, steuerte Zimmerer die rechtlichen Inhalte bei. Gemeinsam bieten sie nun einen Lehrgang mit insgesamt vier Modulen an. Dabei lernen die Teilnehmer, dass Buchhalter künftig nicht nur vorhandene Techniken und Systeme anwenden, sondern künftig vor allem in Prozessen denken müssen. Zimmerer und Kaumeier haben dabei fünf Elemente definiert, die einen Buchhaltroniker ausmachen: Er erforscht digitale und rechtliche Strukturen wie ein Detektiv, organisiert das Zusammenspiel zwischen Lohnbuchhaltung, Waren-Wirtschaft und anderen Systemen, macht als Dolmetscher die Digitalisierung für den Mandanten verständlich, um Lösungen zu finden, wendet aktuelles Recht an und überwacht als Controller die Automatisierung und die Vermeidung von Fehlern. „Der Buchhaltroniker definiert die digitale DNA eines Unternehmens und hilft dabei, sie für Partner und Steuerberater zugänglich zu machen.“
IHK bekundet Interesse
Laut Zimmerer ist die Digitalisierung in der Steuerberatung solch ein wichtiges Themenfeld, dass er innerhalb der RTS-Unternehmensgruppe (siehe Kasten) eine Digitalabteilung mit aufbauen wird. „Interessierte Steuerfachleute oder Auszubildende, die sich für diesen Berufszweig interessieren, können wir immer gebrauchen” so Zimmerer, „denn das ist unsere Zukunft“. Und während laut Zimmerer auch die Industrieund Handelskammer Interesse an der Fortbildung bekundet, hat er selbst schon wieder ganz andere Dinge im Kopf. Seiner Meinung nach ist es höchste Zeit, sich weiter mit Blockchain-Technologien, künstlicher Intelligenz und virtual reality auseinanderzusetzen.