Schwäbische Zeitung (Bad Waldsee / Aulendorf)
Hanning macht den Handballern Dampf
Spieler sollen bei der EM „wie ein Hurrikan über Gegner fegen“fordert der Sportchef
BERLIN (SID) - Bob Hanning steht unter Strom. Das ist beim Sportchef des Deutschen Handballbundes (DHB) nichts Ungewöhnliches. Doch jetzt, da die EM unmittelbar bevorsteht, ist er noch ein bisschen unruhiger als sonst. Nach dem unrühmlichen Achtelfinal-Aus bei der WM 2017 in Frankreich starten die deutschen Handballer mit reichlich Druck in die am Freitag beginnende EM in Kroatien. Deutschland ist immerhin Titelverteidiger.
„Eine deutsche Mannschaft muss immer liefern. Das muss immer der Anspruch sein“, sagte Hanning vor dem Abflug der Mannschaft am Donnerstag, „wer den Druck nicht als Rückenwind verstehen kann, der gehört nicht in eine deutsche Nationalmannschaft. Wir müssen das als Rückenwind nutzen, um wie ein Hurrikan über unsere Gegner zu fegen.“
So weit die Theorie. Nun gilt es, die martialische Wortwahl Hannings auf dem Spielfeld mit Leben zu füllen. Wie schwierig das ist, zeigte sich bei der WM, als Deutschland als gefeierter Europameister mit großen Ambitionen an den Start ging – und kläglich scheiterte. Kein Wunder also, dass Hanning nun „ein bisschen spannungsgeladen“ist, „ob wir aus den Fehlern der Weltmeisterschaft in Frankreich gelernt haben“. Er verspüre „viel Freude, aber auch die nötige Anspannung auf dieses Großereignis hin“.
Mit einer konkreten Zielsetzung tun sich die Verbandsbosse schwer. Während einige Spieler bereits vom EM-Titel reden, hält sich das Präsidium bedeckt. „Ich bin ein Freund davon, die Spieler reden zu lassen und sich von innen heraus Ziele zu erarbeiten“, sagte Hanning. „Ich glaube, dass wir bei der Weltmeisterschaft nicht alles in den Topf eingezahlt haben. Wenn wir daraus lernen und daraus unsere Schlüsse ziehen, ist Deutschland immer in der Lage, jede Mannschaft zu schlagen.“
Der Fokus müsse aber zunächst auf der Vorrunde liegen. „Dreimal gegen Ex-Jugoslawien. Das sind drei echte Auswärtsspiele“, sagte Hanning mit Blick auf das Auftaktspiel gegen Montenegro am Samstag (17.15 Uhr/ZDF) und die Duelle mit dem WM-Dritten Slowenien (15. Januar) und Mazedonien (17. Januar): „Vielleicht ist das auch ganz gut, denn du musst von Anfang an liefern und hast nicht diese Gummi-Spiele wie gegen Saudi-Arabien oder Chile bei einer Weltmeisterschaft.“
Im Fokus steht bei seinem ersten Turnier als Bundestrainer vor allem Christian Prokop. Der mit 39 Jahren jüngste DHB-Coach der Geschichte sorgte schon vor dem ersten Anpfiff mit seiner maximal mutigen KaderAuswahl für Aufsehen. „Ich finde, wir sollten jetzt erst mal abwarten, was passiert“, sagte Hanning. „Wir tun gut daran, dem Bundestrainer zu vertrauen und uns auf eine erfolgreiche Europameisterschaft zu freuen.“
Prokop hatte am Sonntagabend nach der gelungenen Generalprobe beim Spiel gegen Island in Neu-Ulm die drei Europameister Finn Lemke, Fabian Wiede und Rune Dahmke aus dem Aufgebot gestrichen und dafür Kritik geerntet. Stattdessen sind in Bastian Roscheck und Maximilian Janke zwei Debütanten von Prokops Ex-Club SC DHfK Leipzig dabei. „Jeder weiß, dass wir den großen Traum haben, bei Olympia 2020 in Tokio um Gold mitzuspielen. Jetzt haben wir zwei junge Leute in den Kader integriert, ein bisschen auch das System verändert. Jetzt müssen wir schauen, ob das funktioniert“, sagte Hanning.
Generell bewertet Hanning die Arbeit Prokops aber bislang durchweg positiv. Immerhin war der sein Wunschkandidat gewesen, vor zehn Monaten hatte er ihn für die Rekordablöse von 500 000 Euro aus Leipzig losgeeist „Ähnlich wie bei Dagur Sigurdsson habe ich genau das gleiche Gefühl, an einer richtigen Entscheidung beteiligt gewesen zu sein“, sagte Hanning. Prokop gehe „die Themen unabhängig von seiner Person an und versucht, das Beste für den deutschen Handball zu entwickeln. Von daher habe ich einen sehr, sehr guten Eindruck.“